In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Hessischer Wolf stammt aus den Alpen
Genetischer Austausch zwischen Alpen- und Lausitzwölfen erforderlich
21. Januar 2011 - Seine Identität wurde zunächst angezweifelt, doch nun ist es gewiss: Das hinkende Tier, das in der vergangenen Woche in Gießen beobachtet wurde, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Wolf. An dem Wagen, mit dem das Tier angefahren wurde, waren Haare zurückgeblieben, die im Frankfurter Senckenberg-Institut untersucht wurden.
Die DNA-Tests ergaben nicht nur, dass es sich um einen Wolf handelte, sondern die Erbsubstanz gab zudem preis, aus welchem Rudel das Tier stammt. Es ist nicht, wie zunächst gedacht, ein Wolf aus der Lausitz, sondern er stammt aus den Alpen. Beide Populationen sind von Mittelessen etwa 400 Kilometer Luftlinie entfernt. Das ist für Wölfe eine mittlere Wanderentfernung.
2010 war ein Wolf der deutsch-westpolnischen Population in den Alpen nachgewiesen worden. Damit liegt nun der zweite Fall vor, bei dem sich die Wölfe der zwei benachbarten Populationen treffen. Um das langfristige Überleben des Wolfes in Europa sicherzustellen, ist es zwingend notwendig, dass regelmäßig ein genetischer Austausch zwischen den Beständen besteht. Diese ersten Vorreiter geben uns einen Eindruck davon, wie wichtig Deutschland nicht nur als Wolfslebensraum sondern auch als Transitland für den genetischen Austausch ist. Seine zentrale geografische Lange in Mitteleuropa überträgt Deutschland die Verpflichtung, für eine Durchgängigkeit der zahlreichen Fernverkehrsstraßen Sorge zu tragen.
Verletzter Wolf auf Wanderschaft
Der in Hessen gesichtete Wolf darf nicht abgeschossen werden!
11. Januar 2011 -
Zwischen Linden und Pohlheim in Hessen ist seit Montag ein verletzter Wolf unterwegs. Bei der ersten Sichtung ist er humpelnd, aber zügig davon gelaufen. Es kann durchaus sein, dass das Tier von einem der sechs deutschen Wolfsrudel in Sachsen und Brandenburg stammt.
Der NABU Hessen lehnt einen Abschuss des verletzten Tieres ab. „Es gibt eine gute Überlebenschance für einen humpelnden Wolf“, so Gerhard Eppler. Auch eine Jagd mit Betäubungsgewehr hält der NABU für eine unnötige Beunruhigung des Tieres. Der NABU fordert das hessische Umweltministerium zum sofortigen Stopp der Jagd auf den Wolf auf. Der Wolf steht unter Naturschutz und darf nicht abgeschossen werden.
Jungwölfe auf Wanderschaft
Es ist durchaus möglich, dass es sich um einen Jungwolf handelt, der über hunderte von Kilometern aus Sachsen zugewandert ist. Bereits über 100 Wolfswelpen wurden dort in den letzten Jahren geboren. Viele davon sind auf Wanderschaft gegangen. Einer kam vor vier Jahren in Hessen im nordhessischen Reinhardswald an. Genanalysen anhand von Kotspuren und einem Haarbüschel bewiesen, dass das Tier kein Tierpark-Flüchtling ist, sondern aus der Wolfspopulation im deutsch-polnischen Grenzgebiet stammt. Inzwischen wurde er schon über 60mal beobachtet. Im Alter von ein bis zwei Jahren gehen die meisten jungen Wölfe auf Wanderschaft. Große Distanzen sind für den Wolf kein Problem: Ein Tier mit einem Sender lief bis Weißrussland. Ende Oktober konnte ein Wolf nachgewiesen werden, der aus dem Baltikum über 1000 Kilometer bis in die Alpen gewandert ist.
Kein Gnadenschuss!
1841 wurde der letzte Wolf in Hessen geschossen. Er hängt heute hinter Glas im Landesmuseum Darmstadt. „150 Jahre nach seiner Ausrottung gibt es endlich wieder Wölfe in Deutschland“, so Eppler. Es sei nicht zu akzeptieren, dass eine neue Sichtung reflexartig zu Abschussforderungen führe - auch nicht mit dem Argument eines „Gnadenschusses“. Der mittelhessische Wolf könne sich ausreichend gut ernähren: Überall an den Straßen gebe es tot gefahrene Tiere. Auch kann der Wolf den Aufbruch gejagter, ausgenommener Tiere verzehren. Wölfe sind auch flexibel und können vermehrt Mäuse fressen, wenn nichts anderes zur Verfügung steht. In Sachsen gibt es eine humpelnde, auf einem Auge blinde Wölfin, die seit 2005 regelmäßig Welpen aufzieht. Auch nahe Ossenburg lebte lange Zeit ein dreibeiniger Wolf. Die Verfolgung und Vertreibung des mittelhessischen Wolfs am Montag sei nicht tragbar, so der NABU. Er begrüßte deshalb die Ankündigung der Polizei vom Dienstag, sich bei der Suche nach dem Wolf mehr zurückzuhalten.
Wer hat den Wolf gesehen?
Angst braucht man vor dem Wolf nicht zu haben. Auch am Montag ist die Polizei nicht näher als 50 Meter an das Tier herangekommen. Als vorsichtige Tiere weichen sie den von Menschen intensiv genutzten Flächen aus, wie man aus Italien weiß. Trotz der rund 20.000 Wölfe, die in Europa leben, gab es während der letzten 50 Jahre nur wenige Angriffe auf Menschen in Europa. Eine norwegische Studie zeigte, dass der größte Teil von Wolfs-Angriffen auf die Tollwut zurückzuführen ist, die es seit 2005 in Hessen nicht mehr gibt. Angriffe von Hunden auf Menschen sind sehr viel häufiger. Ein Fang des Wolfes wäre daher nur gerechtfertigt, wenn der Wolf ein unnatürliches Verhalten an den Tag legen würde. Dies ist aber bisher nicht der Fall. Wer den mittelhessischen Wolf beobachtet, ist aufgerufen, dies dem NABU zu melden. „Das Tier darf dabei aber nicht beunruhigt werden“, betont Eppler (Tel. 06441/67904-0, oder info@NABU-Hessen.de).