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Jetzt NABU-Mitglied werden!Sorgt Singdrossel für schnelle Evolution?
Ergebnisse des europaweiten Schnecken-Projekts „Evolution MegaLab“
03. Mai 2011 -
Im Darwin-Jahr 2009 hatten Forscher die Bevölkerung von 15 europäischen Ländern dazu aufgerufen, an der Evolzutionsforschung teilzunehmen. Dazu sollten die Freiwilligen Bänderschnecken suchen und ihre Beobachtungen melden, vor allem in Bezug auf die Farbe des Häuschens und die Anzahl der Bänder, die darauf gut sichtbar verlaufen. 1.800 Personen nahmen allein in Deutschland teil. „Dies war eine der größten Studien zur Evolution, die es jemals gegeben hat“, freut sich Professor Jonathan Silvertown von der Open University (OU) in Großbritannien, der die Idee dazu hatte.
Die gesammelten Daten werfen einen interessanten Blick auf die Evolution. Denn die geht bei den bunten Weichtieren alles andere als im Schneckentempo voran. Es wurde vermutet, dass der Anstieg der durchschnittlichen Landtemperatur im 20. Jahrhundert um 1,3 Grad zu einer Zunahme der hellen Gehäusefarben und zu einem Rückgang der dunklen führen würde. Bei den gelben Gehäusen, die sich in der Sonne am wenigsten erwärmen, konnten die Wissenschaftler eine Zunahme feststellen – jedoch nur bei den Tieren, die im Lebensraum Düne zu Hause sind. Offenbar kriechen die Schnecken in den anderen Lebensräumen einfach in den Schatten, wenn es ihnen zu warm wird.
Seit der letzten großen Datenerhebung vor 50 Jahren ist der Anteil der Schnecken, die nur einen Streifen auf dem Gehäuse haben, europaweit angestiegen. „Das ist schnelle Evolution“, erklärt Dr. Christian Anton, der das Projekt für Deutschland vom UFZ aus koordiniert hatte. Die Wissenschaftler vermuten, dass dies mit kleinräumigen Änderungen der Umwelt oder mit dem natürlichen Feind dieser Schneckenart, der Singdrossel, zusammenhängt.
Denn je nach Beschaffenheit ihres Lebensraumes sind die Schnecken unterschiedlich getarnt, um nicht gefressen zu werden. So hatten früher auf Wiesen lebende Schnecken sehr häufig bänderförmige Muster auf dem Haus, die auf Waldboden lebenden keine. Dass nun die Weichtiere in der Mehrzahl sind, die nur noch ein Band auf dem Häuschen haben, könnte daran liegen, dass die Singdrossel, einer ihrer wichtigsten Feinde, verschwindet und die bandförmige Tarnung damit überflüssig wird.
Ob es da tatsächlich einen Zusammenhang gibt, könnte die NABU-Mitmachaktion „Stunde der Gartenvögel“ zeigen, wenn die Lebensräume von bänderlosen Wiesenschnecken mit denen der Singdrosseln verglichen werden. Halten Sie Ausschau nach Drosseln und helfen Sie mit Ihren Beobachtungen den Schneckenforschern. Auf www.evolutionmegalab.org/de können übrigens auch weiterhin Daten zu Schnecken eingetragen werden. Schließlich macht die Evolution auch keine Pause.
Mitmachen: Evolution im Schneckentempo
Europaweites Projekt „Evolution MegaLab“ im Darwin-Jahr 2009
06. Februar 2009 - Europas Biologen suchen tausende aktive Naturfreunde, die mithelfen, die Evolution der Bänderschnecken aufzuklären. Durch möglichst viele Beobachtungen von Schneckengehäusen soll untersucht werden, wie sich die Tiere an Klimawandel und Fressfeinde angepasst haben. Am 200. Geburtstag von Charles Darwin, dem 12. Februar, starten das Museum für Naturkunde Berlin, der NABU und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die deutsche Version eines neuen europaweiten Mitmach-Wettbewerbes „Evolution MegaLab“.
„Um die Evolution selbst zu erleben und zu erforschen, muss man nicht nach Galapagos reisen. Evolution findet auch bei uns jeden Tag vor der Haustür statt", sagt Dr. Christian Anton vom UFZ, der das Projekt in Deutschland koordiniert. Eines der allgegenwärtigen und doch oft übersehenen Beispiele: Die Schwarzmündige Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) und die Weißmündige Bänderschnecke (Cepaea hortensis) kommen in verschiedensten Lebensräumen zwischen Norwegen und Spanien vor. Selbst in den Alpen schaffen sie es auf bis weit über 1000 Meter Höhe. Ihre Gehäuse sind gelb, rot oder braun und haben bis zu fünf Bänder. Damit tarnen sie sich in den verschiedensten Lebensräumen unter anderem vor der Singdrossel, von der sie gefressen werden.
Die Farbe des Schneckenhauses beeinflusst auch die Temperatur der Schnecke. So werden dunkle Schnecken im Licht schneller warm als helle. In kühlen Gegenden sind daher mehr dunkle Schneckenhäuser zu finden. Die Zahl der Bänder und die farbliche Anpassung der Bänderschnecken an Lebensraum und Klima ist ein Beispiel für Evolution. Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen. Haben sich die Schnecken bereits angepasst? Sind heute mehr gelbe Schnecken zu finden als früher? Antworten auf diese Fragen erhoffen sich die Forscher von freiwilligen Beobachtern in ganz Europa.
„Die Evolution ist nicht abgeschlossen, sondern ein fortwährender Prozess. Wir begegnen ihr ständig und sie erinnert jeden von uns an Wandel und Vergänglichkeit. Wer genau hinschaut, blickt sogar in unsere Zukunft und erkennt den Teil im Ganzen. Die Betrachtung der Bänderschnecke gibt daher Einblick in die Evolution auch unseres Lebens“, so der Fernsehjournalist Ranga Yogeshwar, der das Projekt unterstützt.
Das Mitmachen bei dem bisher einmaligen Experiment ist ganz leicht: Schnecken suchen, die wichtigsten Merkmale – Farbe, Anzahl der Bänder und Ort des Fundes – notieren und auf der Internetseite www.evolutionmegalab.org eintragen. Gleich danach werden die Daten auf der Karte angezeigt. Nach und nach wird so ein europaweites Bild entstehen, das Evolution nachvollziehbar macht. Die Projektseite bietet neben Hintergrundinformationen auch Tipps zum Mitmachen. Mit ein wenig Glück finden die Teilnehmer auf der Karte mit den historischen Daten einen Fundpunkt in ihrer Nähe. In diesem Fall kann man den alten Fundpunkt untersuchen und entdecken, ob die Evolution aktiv war. Zunächst sind 200 historische Populationen zu sehen. Weitere 700 werden Wochen folgen. Die Forscher hoffen, dass im Darwin-Jahr 2009 möglichst viele weitere Daten über die kleinen Schleimer mit den bunten Gehäusen hinzukommen werden.
Die Partner des NABU bei „Evolution MegaLab“:
- Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
- Das Naturkundemuseum Berlin ist mit über 30 Millionen Sammlungsobjekten und einem öffentlichen Museum mit 6 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche das größte deutsche Naturkundemuseum und eines der fünf größten weltweit. Im Zentrum der Forschungen an heutigen wie ausgestorbenen Lebensformen stehen Fragen zur biologischen Vielfalt und zu den Ursachen morphologischer und genetischer Vielgestaltigkeit der Organismen auf der Erde.