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Dieses Jahr kann ein jeder Schneckenforscher werden
von Walter Wimmer
Sie sind gelb, rosa oder rot, mit schwarzen Bändern oder ohne und zählen zu den variabelsten Tieren der europäischen Fauna. Doch trotz ihrer Vielgestaltigkeit umfassen unsere heimischen Bänderschnecken nur ganz wenige Arten. Wirklich häufig begegnen uns sogar nur zwei: die Weißmündige Bänderschnecke, die früher Garten-Bänderschnecke genannt wurde, und die auch als Hain-Bänderschnecke bekannte Schwarzmündige Bänderschnecke.
Schwarzmündige und Weißmündige Bänderschnecke sind in Europa weit verbreitet und kommen auch auf den britischen Inseln vor, der Heimat von Charles Darwin. Der große Evolutionsforscher war von ihrer enormen Variabilität fasziniert. Anlässlich des 200. Geburtstag Darwins findet 2009 das europaweite Mitmach-Projekt „Evolution MegaLab“ statt. Dabei gilt es, den Anteil der wichtigsten Farb- und Musterungsvarianten vor der eigenen Haustüre zu erkunden und im Internet zu melden. Die Ergebnisse werden in Karten angezeigt und können auch mit früheren, teils hundert Jahre alten Daten verglichen werden.
Färbung und Lebensraum
Unterscheiden kann man die beiden Arten mit den etwa zwei Zentimeter großen Gehäusen besonders im ausgewachsenen Zustand gut, denn die eine Art hat eine weiße Mündung und die andere eine dunkle. Die Mündung ist der Rand des Gehäuses, der erst bei erwachsenen Tieren ausgefärbt und mit einer Verdickung, der sogenannten Lippe, versehen ist.
Die alten deutschen Namen folgten den wissenschaftlichen Namen aus dem 18. Jahrhundert – waren allerdings irreführend, denn die „Hain-Bänderschnecke“ besiedelt eben weniger Wälder als vielmehr offene Lebensräume, während die „Garten-Bänderschnecke“ häufiger in Wäldern vorkommt. Grundsätzlich können beide jedoch eine Vielzahl von Lebensräumen besiedeln, wobei sie oft auch gemeinsam auftreten.
Wenn die Individuen einer Art ganz verschieden aussehen können, spricht die Wissenschaft von Polymorphismus. Der extreme Polymorphismus der Bänderschnecken ist schon seit Jahrhunderten Forschungsgegenstand. Besonders die Frage nach der genetischen Festlegung der verschiedenen Muster stand hier oft im Vordergrund. Spannend ist auch die Abhängigkeit der Farbe und Musterung vom Lebensraum.
Reagieren auf Fressfeinde
Ein wichtiger Punkt sind dabei die Fressfeinde, also die Tiere, die den Schnecken nachstellen. So ist es einleuchtend, dass in Gebüschen lebende Schnecken am besten getarnt sind, wenn sie ein kräftiges Streifenmuster aufweisen, womit sie zwischen den Schatten der Zweige optisch verschwinden. In Wäldern haben dunkle Farben Vorteile und in offenen Grasbiotopen dominieren oft helle Farben. Wer davon abweicht, kann am besten von Fressfeinden, zum Beispiel Singdrosseln, erbeutet werden.
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Singdrossel vielerorts sehr selten geworden. Das „Evolution MegaLab“ möchte herausfinden , ob sich durch den geringeren Fraßdruck die Gehäusefarben der Schnecken verändert haben. Außerdem sind dunkle Gehäuse im Norden häufiger als im Süden. Das liegt wohl daran, dass dunkle Gehäuse sich schneller aufwärmen als helle Gehäuse und die Tiere dadurch in kalten Gegenden schneller aktiv sein können. Nun stellt sich die Frage, ob durch den Klimawandel der Anteil der hellen Gehäuse im Norden bereits zugenommen hat.
Vom Schneckenhaus zum Vogelei
Bis zu fünf Bänder können unsere Bänderschnecken haben. Diese können einzeln fehlen oder auch miteinander verwachsen sein. Allein hierdurch ergeben sich schon 89 verschiedene Möglichkeiten (Morphen). Wenn wir berücksichtigen, dass die Bänder auch hell beziehungsweise transparent, zu Flecken aufgelöst oder geteilt sein können und auch verschiedene Grundfarben vorkommen, ergibt sich rasch ein Vielfaches an möglichen Ausprägungen. So bleibt jeder Spaziergang spannend und immer wieder können wir neue Varianten auf die persönliche Liste setzen. Im Zeitalter der Digitalfotografie lassen sich diese problemlos „mitnehmen“, ohne den Tieren zu schaden.
Während wir uns nur an der Farbenpracht und Vielfalt der Bänderschnecken erfreuen, haben sie für eine Vielzahl von Tieren große Bedeutung. Manche Arten sind sogar zum Überleben auf Bänderschnecken angewiesen, denn das Kalzium der Schneckenhäuser ist Baustoff für Eierschalen und Knochen. Vogelforscher haben herausgefunden, dass beim Rückgang von Schnecken auch die Qualität der Eierschalen und damit der Bruterfolg von Singvögeln zurückging.
Glühwürmchens Leibspeise
Manche Arten tragen die Schnecke sogar im Namen, wie etwa der Schneckenkanker, eine den Weberknechten ähnliche Spinne, die Nackt- und Gehäuseschnecken frisst. Schneckenräuber und Schneckenkäfer sind zwei Käfer, die sich von Schnecken ernähren. Besonders die borstig behaarten Larven der Schneckenkäfer kann man oft in den Gehäusen der überfallenen Bänderschnecken finden, wo sie die Weichkörper fressen.
Und auch so unbescholtene und positiv belegte Tiere wie die Glühwürmchen sind Schnecken-Vertilger. Ihre Larven ernähren sich ausschließlich von Gehäuseschnecken, meistens Bänderschnecken. Und dann sind da noch die Wildbienen, die ihre Nester in leeren Schneckenhäusern anlegen und viele, viele Andere, die von diesen Weichtieren abhängen.
- Ausführliche Infos zu Bänderschnecken und ihren Verwandten beim NABU Niedersachsen
- „Weichtier des Jahres 2009“: Husmanns Brunnenschnecke