Wirkt für den Laien eher unauffällig: toter Wasserfrosch mit Chytridpilz-Befall.
Ein Pilz bedroht Kröten und Frösche
Erreicht das Amphibiensterben auch Deutschland?
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Im emsländischen Geeste werden für das Forschungsprojekt „Verbreitung der Amphibien-Chytridiomykose“ Hautabstriche vorgenommen.
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Infiziertes Oberhäutchen eines Wasserfrosches mit Zoosporen von Batrachochytrium dendrobatidis.
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Mikroskop-Aufnahme eines Chytridpilzes auf der Haut eines australischen Korallenfinger-Laubfroschs (Litoria caerulea).
20. Januar 2009 - Man kennt das ja vom Schwimmbad: Einmal nicht richtig aufgepasst und schon hat man diesen unangenehmen Fußpilz an den Hacken. So ähnlich geht es auch vielen Kröten und Fröschen. Neben zahlreichen schon länger bekannten Krankheitserregern haben sie immer häufiger mit einem Pilz zu kämpfen, der die oberen Hautschichten befällt.
In vielen Fällen endet dies tödlich. Die Haut ist für Amphibien ein besonders wichtiges Organ. Durch sie nehmen sie Flüssigkeit ebenso wie Mineralien auf, geben aber auch Abfallstoffe ab. Sie atmen sogar über die Haut. Der erst 1998 entdeckte Pilz Batrachochytrium dendrobatidis – kurz Chytridpilz, noch kürzer BD – gilt deshalb als Mitverursacher des weltweiten Amphibiensterbens. Bei manchen tropischen Fröschen rafft der mikroskopisch kleine Pilz innerhalb weniger Wochen komplette Populationen dahin. In Südamerika wurde eine BD-Ausbreitungsgeschwindigkeit von bis zu 100 Kilometern im Jahr gemessen.
Lebendiger Schwangerschaftstest
Inzwischen ist der Chytridpilz im Freiland auch schon aus Spanien, Italien, Großbritannien, der Schweiz und Deutschland nachgewiesen – unter anderem entlang des Rheins und in der Schorfheide bei Berlin. Niemand weiß sicher, woher er stammt und wie er zu uns gekommen ist. Ein BD-Fund auf einem Museumsexemplar eines Krallenfrosches aus dem Jahr 1938 legt nahe, dass die Heimat des Pilzes Südafrika ist. Krallenfrösche wurden einige Zeit als „Apothekerfrösche“ für Schwangerschaftstests verwendet – impft man einen Krallenfrosch mit dem Urin einer schwangeren Frau, entwickelt dieser Eier – und weltweit exportiert.
Der Handel mit Amphibien ist auf jeden Fall eine wesentliche Quelle der BD-Verbreitung. In Deutschland ist nach Angaben des auf Amphibien und Reptilien spezialisierten Tierarztes Frank Mutschmann die sogenannte Chytridiomykose bei Terrarientieren inzwischen die häufigste Todesursache. Mutschmanns Berliner Labor gelang im Jahr 2000 bei frisch aus Costa Rica importierten Pfeilgiftfröschen der europäische Erstnachweis von Batrachochytrium dendrobatidis.
Der deutsche Lurch hat es nicht leicht. Überall lauern Gefahren. Als Frosch oder Kröte wird man wahlweise vom Storch gefressen, vom Mäher zerstückelt oder von Autoreifen zerquetscht. Gleichzeitig bleibt immer weniger Raum zum Leben, Wiesen werden trockengelegt, Teiche zugeschüttet. Zahlreiche engagierte Naturschützer versuchen gegenzulenken, errichten jedes Jahr aufs Neue Schutzzäune und legen Ersatz-Tümpel an. Aber eine Trendwende ist längst nicht geschafft. Von den zwei Dutzend heimischen Amphibienarten steht mehr als die Hälfte auf der Roten Liste.
Im globalen Maßstab jedoch sind die zwei Dutzend heimischen Arten nur Peanuts. Je wärmer und feuchter die Weltgegend wird, desto mehr verschiedene Kröten, Frösche, Unken, Molche und Salamander gibt es. 5.800 Amphibienarten sind bisher bekannt und wissenschaftlich beschrieben. Rechnet man die Neuentdeckungen von Expeditionen in zuvor unerforschte Gebiete hoch, liegt die tatsächliche Zahl wohl bei 8.000 und mehr.
Allerdings nimmt die Lurch-Vielfalt deutlich ab. Alleine in den vergangenen 25 Jahren sind 34 Arten ausgestorben, weitere 130 Arten gelten als verschollen. Forscher sprechen von einem „neuartigen Amphibiensterben“, soll heißen: über die genauen Ursachen wird noch gerätselt. Ganz wesentlich ist natürlich der Lebensraumverlust, gerade tropische Regenwälder werden in enormem Umfang abgeholzt. Eine unerwartete Rolle spielt zudem ein winziger, erst vor zehn Jahren entdeckter Pilz namens Batrachochytrium dendrobatidis, der die Amphibienhaut angreift. Vor allem in Australien und Südamerika rottet er Populationen und ganze Arten aus. Inzwischen wurde der Pilz auch bei uns nachgewiesen.
Der Pilzbefall muss nicht zwangsläufig zu einer tödlichen Erkrankung führen. Es ist noch offen, wie gefährlich der Pilz für unsere heimischen Arten ist und ob es möglicherweise verschieden gefährliche Pilz-Stämme gibt. In Europa kam es bisher lediglich in Zentralspanien zu einem regionalen Massensterben von Geburtshelferkröten und Feuersalamandern.
Die Anzeichen der Chytridiomykose sind nicht sehr spezifisch. Die Haut verändert sich, häufig wird sie milchig und stumpf. Befallene Tiere sind lethargisch, verweigern die Nahrungsaufnahme, sitzen lange im Wasser und häuten sich oft. Noch gibt es mehr Fragen als Antworten. Wie genau wirkt der Pilz, ist der Pilz alleine tödlich, produziert er zusätzliche Giftstoffe, wie lange kann er im Wasser und außerhalb des Wassers überleben?
Frank Mutschmann vermutet, dass BD vielen Amphibien mit intakten Abwehrkräften und guten Umweltbedingungen nichts anhaben kann. Erst Stress, Klimaänderungen oder auch die Kombination mit anderen Erregern führen dann zum Ausbruch der Krankheit. So zeigen sich Ochsenfrösche, die in südamerikanischen Farmen zur Froschschenkel-Produktion gezüchtet werden, sowohl gegenüber BD wie auch dem hochgefährlichen Rana-Virus unbeeindruckt. Erst bei Doppelbefall von BD und Rana-Virus erkranken und sterben die Ochsenfrösche.
BD ernährt sich von Keratin, der Hornsubstanz der Haut. Da Kaulquappen lediglich an den Kauwerkzeugen verhornt sind, tritt der Pilz bei ihnen nur dort auf, ohne dass die Larven erkranken. Beim Übergang von der Kaulquappe zum fertigen Lurch jedoch bildet sich auf der ganzen Haut Keratin. Der Pilz breitet sich blitzschnell aus und die Todesrate ist dann besonders hoch.
Nachweis per DNA-Analyse
Am sichersten lässt sich der Chytridpilz im Labor mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) nachweisen, bei der ein DNA-Stückchen wie bei einem Strichcode identifiziert wird. Der Pilz bereitet auch den ehrenamtlichen Amphibienschützer Sorgen. „Wir sehen die Gefahr, dass unsere vollen Fangeimer eine hervorragende Ansteckungsquelle darstellen“, erläutert Karl-Heinz Fuldner vom NABU Bad Sobernheim an der Nahe. „Ebenso kann durch unsere Aktivität der Erreger von einer Stelle leicht zu einer anderen verbreitet werden.“
Als im Vorjahr an einem der Bad Sobernheimer Krötenzäune ein starker Rückgang der wandernden Tiere zu verzeichnen war, wollten es die NABU-Aktiven genau wissen. Sie ließen an allen Zäunen bei Hinwanderern, später noch einmal im Laichgewässer und ein drittes Mal bei Rückwanderern Tupferproben nehmen und analysieren. Ergebnis: Die Bad Sobernheimer Amphibien sind BD-frei, der örtliche Bestandsrückgang muss also andere Ursachen haben.
Amphibiensterben melden
Um mehr über die Verbreitung von BD in Deutschland und sein Gefährdungspotenzial zu erfahren, startet nun ein Dreijahresprojekt, an dem das Museum für Naturkunde Berlin, die Charité, die Humboldt-Universität, die Naturschutzstation Rhinluch und das Labor Mutschmann zusammenarbeiten. Wer ein gehäuftes Amphibiensterben ohne erkennbare Todesursache beobachtet, kann sich an das Projekt wenden.
Solange vor Ort kein BD nachgewiesen ist, hält Frank Mutschmann am Amphibienzaun spezielle Sicherungsmaßnahmen nicht für nötig. Wer allerdings mehrere Zäune betreut oder für Forschungszwecke mehrere Amphibienteiche ansteuert, sollte – nicht nur wegen BD – grundsätzlich seine Gummistiefel und Gerätschaften desinfizieren. Als Öko-Desinfektionsmittel bietet sich zum Beispiel Per-Essigsäure an: „Das stinkt zwar gewaltig, zerfällt aber umweltverträglich zu Essig.“
Kontaktadressen
- Torsten Ohst, Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin, Invalidenstraße 43, 10115 Berlin, Tel. 030-2093-8728 oder torsten.ohst@museum.hu-berlin.de
- Frank Mutschmann, Exomed – Institut für veterinärmedizinische Betreuung niederer Wirbeltiere und Exoten, Erich-Kurz-Straße 7, 10319 Berlin, Tel. 030-51067701 oder labor@exomed.de
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