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NABU-Studie: Gefährdet Genmais seltene Schmetterlinge?
31. Oktober 2008 - Dem Maiszünsler soll es an den Kragen gehen. Nicht mit der üblichen Chemiekeule, sondern mit Hilfe der Gentechnik. Dazu wurden in den Laboren Maispflanzen Erbinformationen des Bacillus thuringiensis eingebaut. Dieses Bakterium mit dem Kurznamen Bt behindert die Raupenentwicklung, so dass am Ende keine fertigen Schmetterlinge entstehen.
In Deutschland darf gentechnisch veränderter Mais der Sorte MON 810 – MON steht für den US-Konzern Monsanto – seit 2005 angebaut werden. Dabei schreibt das Gentechnikgesetz einen Sicherheitsabstand zu gentechnikfreien Äckern von 150 Metern vor, zu Ökoäckern sogar 300 Metern. So soll verhindert werden, dass Genmaispollen in andere Maispflanzen einkreuzen.
Studie im Ruhlsdorfer Bruch
Von einem Sicherheitsabstand zu Naturschutzgebieten ist im Gentechnikgesetz leider keine Rede. Landwirte dürfen Genmais selbst innerhalb von Naturschutzgebieten anbauen. Was aber, wenn der Bt-Mais sich auch schädlich auf sogenannte Nichtzielorganismen auswirkt, wenn sich zum Beispiel die Raupen seltener und geschützter Schmetterlingsarten an Bt-haltigen Maispollen vergiften? Aus Fütterungsversuchen weiß man, dass Raupen vom Wind angewehte Pollen gezielt fressen.
Im Ruhlsdorfer Bruch in der Märkischen Schweiz hat der NABU die Probe aufs Exempel gemacht. Wegen seiner artenreichen Feuchtwiesen in Verbindung mit Kalkmagerrasen-Hängen wurde das Bruch sowohl als Naturschutzgebiet wie auch als europäisches Schutzgebiet (FFH) des Natura-2000-Netzes ausgewiesen. Nur wenige Meter von Genmaisäckern entfernt, kommen neben Feldlerche und Braunkehlchen, Gold- und Grauammer, hier Raritäten wie der Große Feuerfalter und der Goldene Scheckenfalter sowie gleich neun verschiedene Widderchenarten vor.
Höschen runter!
Nahrungspflanze der Feuerfalterraupen ist der Flussampfer, während die Scheckenfalterraupen ausschließlich am lila blühenden Teufelsabbiss knabbern. Dank gezielter Feuchtwiesenpflege hat sich der Teufelsabbiss im Bruch zuletzt gut vermehrt. Ein Genmaispollen-Kontaminierung könnte diesen Erfolg wieder zunichte machen.
Im Auftrag des brandenburgischen Umweltministeriums wurden in verschiedenen Abständen zu den Äckern Sammelgeräte aufgestellt, die von Mitte Juli bis Mitte August Pollen aus der Luft filterten. Außerdem wurden mehrere Honigbienenvölker als „biologische Sammler“ eingesetzt. Vor den Einfluglöchern an den Bienenständen sorgten Gitter dafür, dass den ankommenden Bienen die Pollenhöschen an den Hinterbeinen abgestreift wurden. Über eine Auffangschale konnten die Höschen entnommen und später untersucht werden.
Weiter als gedacht
Dabei stellte sich zum einen heraus, dass die Bienen trotz vorhandener anderer Blütenpflanzen den Mais auch aus größerer Entfernung gezielt anflogen. Bienenvölker haben einen Aktionsradius von wenigstens zehn, manchmal auch hundert oder mehr Quadratkilometern. Gentechnikfreien Honig zu garantieren, dürfte bei anhaltendem Bt-Mais-Anbau also kaum mehr möglich sein.
Eindeutig waren auch die Ergebnisse der technischen Sammler. Unmittelbar neben den Äckern gingen auf jeden Quadratmeter 1,7 Millionen Maispollen nieder, mitten im Schutzgebiet und in 120 Metern Entfernung zu den Äckern waren es immer noch 99.000 Pollen je Quadratmeter. Viele Wissenschaftler waren bisher davon ausgegangen, dass die vergleichsweise schweren Maispollen bereits nach wenigen Metern absinken. Dies ist nun widerlegt, das Schutzgebiet wird mit Genmaispollen geradezu überpudert.
Maisacker untergepflügt
Da für europäische Schutzgebiete ein Verschlechterungsverbot besteht – und eine schleichende Vergiftung der seltenen Tagfalter wäre zweifellos eine Verschlechterung – ordnete die Untere Naturschutzbehörde an, dass ein innerhalb des Reservats gelegener Genmaisacker untergepflügt werden musste. Ein gerichtlicher Einspruch des Landwirts blieb erfolglos.
Inzwischen hat Brandenburg auf Basis der NABU-Studie als erstes und bisher einziges Bundesland einen allgemeinen Puffer von Genmaisäckern zu Naturschutzgebieten und europäischen Schutzgebieten von wenigstens 800 Metern verfügt. Das Gutachten hatte zwar 1000 Meter empfohlen, doch die 800 Meter in Brandenburg sind immerhin 800 Meter mehr Sicherheitsabstand als in allen anderen Bundesländern.
Helge May