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Jetzt NABU-Mitglied werden!Die Maikäfer sind wieder da
Massenvermehrung des Waldmaikäfers in der Oberrheinebene
Ein sonniger Maitag im Lorscher Wald, wenige Kilometer nördlich von Mannheim. Frisch leuchtet das Grün der Eichen. Es ist still und friedlich, nur ein ganz leises Rieseln ist zu hören. Was da rieselt, sind die kleinen Kotkügelchen abertausender Maikäfer. Dicht an dicht hängen die großen braunen Käfer in den Eichenästen, fressen vor sich hin und verdauen.
Ab und zu verliert einer der Käfer das Gleichgewicht oder ein Windhauch weht ihn vom Baum. Dann plumpst das Tier auf den Boden und landet meist auf dem Rücken. Hilflos zappeln die sechs Beinchen in der Luft und es dauert eine Weile, bis der Maikäfer sich gedreht hat. Ein paar Sekunden später beginnt der Käfer mit den Flügeln zu pumpen und erhebt sich schließlich schwerfällig in die Luft. Ein kurzes Stückchen nur fliegt er brummend, bis zum nächstgelegenen Ast, und sofort ist Weiterfressen angesagt.
Selbst DDT überlebt
An Massenvorkommen des Maikäfers kann sich vielerorts nur noch die heutige Großelterngeneration erinnern. Die meisten Menschen kennen ihn höchstens noch aus Wilhelms Buschs "Max und Moritz", als Sumsemann in "Peterchens Mondfahrt" oder in Schokoladenform. Vor allem mit dem Insektizid DDT glaubte man den Käfern spätestens in den 50er Jahren den Garaus gemacht zu haben.
Feldmaikäfer wie am Kaiserstuhl oder in Thüringen auf den Fahnerschen Höhen, mal Waldmaikäfer wie in der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt und vor allem in der Oberrheinebene. Alle 30 bis 45 Jahre, so weiß man inzwischen, kommt es zu solchen Massenvermehrungen.
Die Maikäfer gehören zur Familie der Blatthornkäfer, so genannt nach der Gestalt der Fühler, deren letzte Glieder blattförmig verbreiterte Lamellen aufweisen. Mit den bis zu 50.000 Geruchssensoren auf den Fühlerlamellen spüren die Männchen die paarungsbereiten Weibchen auf. Wie Forscher der FU Berlin herausfanden, orientieren sich die Männchen beider Maikäferarten zunächst an den vom Blattfraß der Weibchen verursachten Pflanzengerüchen. In der Nahdistanz kommt dann als genauer Wegweiser ein Sexuallockstoff der Weibchen hinzu.
Vier Jahre Leben im Boden
Nach der Begattung legen die Weibchen in mehreren Schüben ihre Eier ins lockere Erdreich ab. Dazu fliegen die Feldmaikäfer in offenes Gelände, während die Waldmaikäfer in der Nähe ihrer Fraßbäume verbleiben. Die als Engerlinge bekannten, bis fünf Zentimeter großen Maikäferlarven entwickeln sich - in unseren Breiten meist vier Jahre lang - vollständig im Boden und ernähren sich von Pflanzenwurzeln. Im Herbst des letzten Jahres wandeln sich die Engerlinge in die fertigen Jungkäfer. Sie überwintern bis zu einen Meter tief im Erdreich und schlüpfen dann ungefähr Ende April. Der so genannte Reifefraß bis zum Absterben der Käfer nach erfolgreicher Fortpflanzung dauert ungefähr sechs Wochen. Feldmaikäfer gehen dabei gerne auch an Obstbäume, während Waldmaikäfer Eichen, Buchen und Hainbuchen bevorzugen.
Die meisten kahl gefressenen Bäume erholen sich wieder und bilden mit dem so genannten Johannistrieb im Juni noch einmal neue Blätter. Verheerend dagegen kann der Wurzelfraß der Engerlinge sein. Bereits ab zwei bis drei Engerlingen je Quadratmeter Waldboden sind Schäden an Jungbäumen zu befürchten. Probebohrungen in den Befallsgebieten um Mannheim ergaben regelmäßig mehr als 100 Engerlinge auf den Quadratmeter.
So stand denn in der Vergangenheit weniger die Faszination der gemütlichen Brummer im Vordergrund, als deren Bekämpfung. Die Methoden zeugten dabei oft von der Verzweiflung gegenüber dem Milliardenheer der Käfer. Im Jahr 1320 etwa befahl man den Maikäfern in Avignon per Gerichtsbeschluss, dass sie sich "binnen drei Tagen auf ein ihnen durch Tafeln bezeichnetes Feld zurückzuziehen hätten, woselbst Nahrung für sie vorhanden sei, und dass die Zuwiderhandelnden als vogelfrei behandelt und ausgerottet werden sollten".
Mühsames Einsammeln
Zielgerichteter ging man in der Schweiz vor, wo der Kanton Uri um 1660 Käfervögte bestellte und Vorschriften zum Einsammeln der Tiere erließ. Überhaupt war das Einsammeln lange die einzige Bekämpfungsmethode. 1909 wurden allein im Kanton Zürich rund 350 Millionen Käfer abgeliefert und in Wien kam 1951 sogar eine Milliarde Tiere zusammen, aus denen die städtische Tierkörperverwertungsanstalt tonnenweise eiweißhaltiges Maikäfermehl zur Verfütterung an Hühner und Schweine herstellte.
Nahrhafte Maikäfersuppe
Für die menschliche Ernährung wurden Maikäfer ebenfalls genutzt - nicht nur in Notzeiten. "Unsere Studenten essen die Maikäfer ganz roh, ganz wie sie sind und nicht wenige ohne den geringsten Nachteil", wusste zum Beispiel die Fuldaer Zeitung 1925. "In vielen Konditoreien sind sie verzuckert zu haben, und man isst sie kandiert in Tafeln zum Nachtisch". Auch ein Rezept für Maikäfer-Bouillon ist überliefert: "Man nehme die Maikäfer, reiße ihnen Flügeldecken und Beine ab, röste ihren Körper in heißer Butter knusprig, koche sie dann mit Hühnerbrühe ab, tue etwas geschnittene Kalbsleber hinein und serviere das Ganze mit Schnittlauch und gerösteten Semmelschnitten."
Den Eiweißreichtum der Maikäfer wissen auch Dachs und Wildschwein, viele Vögel und Fledermäuse zu schätzen. Doch zur Eindämpfung der aktuellen Massenverkommen können sie nur wenig beitragen. Rund fünf Milliarden Käfer schlüpfen in den Hauptjahren in den Wäldern zwischen Darmstadt und Mannheim aus dem Boden. Auch einige Kilometer rheinaufwärts im Hardtwald bei Karlsruhe sitzen die Engerlinge dicht an dicht im Boden.
Chemische Maikäfer-Bekämpfungsmittel sind in Deutschland zur Zeit nicht zugelassen. Um die Früchte des gerade begonnenen naturnahen Waldumbaus fürchtend, beantragten die Forstbehörden eine Ausnahmegenehmigung für den Einsatz des Insektengifts "Perfekthion", das mit seinem Wirkstoff Dimethoat sonst gegen Milben und Blattläuse eingesetzt wird.
Umstrittene Bekämpfungsmethoden
Nun ist der Hardtwald ein so genanntes FFH-Gebiet, das unter EU-Naturschutz fällt. In solchen Gebieten sind Handlungen verboten, die den europaweit bedeutenden Arten schaden könnten. Im Hardtwald sind das unter anderem die Bechstein-Fledermaus, Rotmilan und Mittelspecht sowie Hirschkäfer und Großer Heldbock. Die vom NABU-Institut für Naturschutz und Landschaftspflege in Bühl im Landesauftrag erstellte Verträglichkeitsstudie konnte Gefahren für die geschützten Arten nicht ausschließen und so wurde der Gifteinsatz anfangs nicht genehmigt. Seit 2003 werden in Baden-Württemberg die Maikäfer allerdings mit Dimethoat bekämpft, ungeachtet der NABU-Proteste 2008 auch im FFH-Gebiet.
"Bizarr ist, dass das Land behauptet, damit Naturschutz zu betreiben und die Eichenwälder am Oberrhein nur so retten zu können", so der baden-württembergische NABU-Chef Andre Baumann. "Dabei verhindert die Vergiftungsaktion, dass sich die Maikäferbestände auf natürliche Weise regulieren, etwa durch Krankheiten oder Parasiten. Es ist ein Reflex, der für unsere Behörden leider typisch ist: Sobald es Schwierigkeiten mit einer Tierart gibt, wird sie mit Giftspritze oder Flinte bekämpft - ohne Rücksicht auf Verluste."
Auf hessischer Seite will man sich die bereits beschriebenen Sexuallockstoffe der Maikäferweibchen zunutze machen. Sie sollen die Männchen zu Fallen führen, die mit dem auch in der Natur vorkommenden, tödlichen Pilz Beauveria brongniartii geimpft sind. In der Schweiz und in Österreich hat man damit bei der Eindämmung des Feldmaikäfers bereits gute Erfahrungen gemacht. Im Wald ist der Pilz allerdings wesentlich schwieriger auszubringen. 2006 wurden erstmals in Südhessen 400 Hektar versuchsweise mit dem Pilz behandelt, außerdem kam das umstrittene pflanzliche Gift Neem-Azal zum Einsatz. Eine der beiden Teilflächen, der Lorscher Wald, ist dank bedeutsamer Vorkommen von Mittel- und Grauspecht, Wendehals, Heidelerche, Ziegenmelker und Baumfalke als EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen.
Helge May, 6. Mai 2008
- Maikäfer-Positionspapier des NABU Hessen (PDF)
- Maikäfer-Positionspapier des NABU Baden-Württemberg (PDF)
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