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Jetzt NABU-Mitglied werden!Kelterei Elm
Mit Bio-Kompetenz zum Erfolg
Die Kelterei Elm setzt auf Streuobst aus der Region
von Werner Girgert
Es ist kurz nach Elf am Vormittag, und unablässig klingelt das Telefon. Harald Elm lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er hat es sich auf der kreisrunden Holzbank in seinem Büro bequem gemacht, die sich in ihrer Rustikalität wohltuend abhebt von der nüchternen Sachlichkeit des Schreibtischs, von dem aus der 47-Jährige seinen Keltereibetrieb leitet.
Das Familienunternehmen am Ortsrand von Flieden, einen Katzensprung von der beschaulichen Bischofsresidenz Fulda entfernt, ist kein gewöhnlicher Apfelsafthersteller. Hinter den Mauern des modernen Betriebsgebäudes mit den großen Fruchtpressen, Abfüllanlagen und Tanklagern verbirgt sich heute gewissermaßen die Schaltzentrale des Bio-Obstanbaus in der Rhön.
Elm hat durch sein Engagement in der Region dafür gesorgt, dass die Rhön inzwischen bis nach Dubai, Kanada und Taiwan als Anbaugebiet von Bio-Äpfeln und anderen biologisch erzeugten Obstsorten bekannt ist. Inzwischen beliefert er mit seinen Bio-Apfel- und Fruchtsäften nicht nur drei Lebensmittelketten und den Naturkostgroß- und -einzelhandel in Deutschland, sondern hat auch Abnehmer in vielen europäischen sowie in asiatischen und arabischen Ländern.
Einfallsreichtum gegen Marktmacht
Seit 25 Jahren steht Harald Elm, unterstützt von Ehefrau Petra, an der Spitze des Familienunternehmens, das inzwischen 36 Mitarbeiter beschäftigt. Und von Anfang an war ihm klar, er musste sich etwas einfallen lassen, um sich auf Dauer gegen die Marktmacht der großen Safthersteller zu behaupten. "Du musst immer das machen, was die anderen gerade nicht machen", beschreibt er seine Philosophie. Weil er qua Familientradition mit Produkten aus der heimischen Natur zu tun hatte, und vielleicht auch, weil er früher als andere den steigenden Bedarf an Bio-Erzeugnissen erkannte, hat er Ende der 1980er Jahre die ersten naturbelassenen Äpfel von heimischen Streuobstwiesen zu Bio-Apfelsäften verarbeitet.
Dabei gelten die Höhenlagen der Rhön mit ihrem rauen Klima nicht gerade als Apfelanbaugebiet. Aber zu den kleinen Bauernhöfen mit den knapp bemessenen Anbauflächen, die für diese Landschaft typisch waren, gehörten Streuobstwiesen immer schon dazu. Lange Zeit allerdings waren sie in Vergessenheit geraten. So waren viele Streuobstbestände überaltert, weil Bauern, Garten- und Wiesenbesitzer keine neuen Bäume nachgepflanzt hatten. Viele traditionelle Apfelsorten mit klangvollen Namen wie Goldparmäne, Schafsnase, Wiesenapfel oder Jakob Fischer waren vom Aussterben bedroht.
Offene Türen eingerannt
"Die schmecken ganz anders als die hochgezüchteten Sorten aus dem Plantagenanbau, die zwar gut aussehen, aber wenig Säure haben", sagt Elm. Deshalb stand für ihn schnell fest, dass es diese alten Sorten in ihrer Vielfalt zu hegen und zu pflegen und mit ihnen ihren typischen Geschmack und Geruch zu retten galt. Nur so ließe sich eine Marke kreieren, mit der ernährungsbewusste Konsumenten ein biologisch erzeugtes Produkt verbinden. Das setzt jedoch voraus, dass auch die Obsterzeuger mit an einem Strang ziehen und neue Wege beschreiten, weg vom konventionellen und hin zum biologischen Anbau.
Besonders bei den jüngeren Landwirten in der Region rannte Harald Elm mit seiner Geschäftsidee offene Türen ein. Auch sie waren inzwischen sensibilisiert, wollten neue biologische Anbaumethoden ausprobieren und suchten Kooperationspartner. Gemeinsam bemühten sich Elm und seine Lieferanten um ein Bio-Siegel für ihre Produkte. Das EU-Zertifikat sollte dem Kunden kontrollierte Bio-Qualität garantieren. Elms rund 4.000 Apfellieferanten aus der Region müssen dafür strenge Kriterien erfüllen, die gemeinsam mit Experten des NABU entwickelt wurden.
Akzeptiert werden nur Äpfel von Hochstammbäumen aus Streuobstbeständen der Rhön. Sie dürfen nicht chemisch behandelt werden. Tabu sind auch stickstoffhaltiger Mineraldünger, Müllkompost und Klärschlamm als Dünger. Nur reifes und qualitativ einwandfreies Obst wird angenommen. Die Erzeuger müssen Mitglied in der eigens gegründeten "Apfelinitiative Rhön" sein und verpflichten sich damit zur Einhaltung der strengen Anforderungen, die von der Öko-Kontrollstelle Agreco regelmäßig überprüft wird. Das garantiert ihnen nicht nur das EU-Bio-Zertifikat und das NABU-Qualitätssiegel, sondern auch einen fairen Preis. 14,50 Euro erhalten sie für den Doppelzentner, während Keltereien für Äpfel aus konventionellem Anbau im Schnitt fünf bis zehn Euro zahlen.
Erfolg wirkt ansteckend
Rund 6.000 Tonnen Äpfel verarbeitet Elm pro Jahr zu Saft, Wein, Cidre und Essig. Hinzu kommen rund 1.000 Tonnen an Beeren, Kirschen und Kräutern. Der Erfolg der Bio-Marke wirkt ansteckend auf immer mehr Bauern, die bislang an der konventionellen Landwirtschaft festhielten. Das lässt hoffen, dass der Nachschub an Äpfeln aus der Rhön auch künftig gesichert ist. Aber ganz dem Zufall will Elm das nicht überlassen. Deshalb arbeitet er eng mit dem NABU Hessen zusammen. Jüngste Initiative ist das Projekt "1.000 Apfelbäume". Schon der Projektname gibt das anspruchsvolle Ziel vor. Jährlich sollen 1.000 neue Apfelbäume gepflanzt oder brach liegende Bestände wieder genutzt werden. Elm hat sich dazu mit der "Apfelinitiative Rhön" und der Baumschule Leinweber in Niederkalbach zusammengeschlossen. Die drei Partner schießen zu jedem neu gepflanzten Baum 15 Euro zu. Der Käufer des Baums verpflichtet sich dafür, die Öko-Kriterien einzuhalten und so einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu leisten.