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Jetzt NABU-Mitglied werden!Lausitzer Wölfe stammen aus Polen
Ergebnisse von Kotanalysen begründen Verwandtschaftsverhältnisse und Herkunft
2. Oktober 2006: Im Auftrag des Staatlichen Museums für Naturkunde Görlitz wurden in den vergangenen Monaten am Krakauer Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften fast 100 Losungsproben von Tieren aus Sachsen und Brandenburg untersucht. Anhand von DNA-Substanzen aus Darmzellen, die sich im Kot der Tiere befinden, konnten die Wissenschaftler vielfältige Schlüsse zur Herkunft und den verwandtschaftlichen Beziehungen der Wölfe ziehen. Gesammelt wurden die Wolfslosungen von Dezember 2001 bis März 2005 durch das Wildbiologische Büro LUPUS.
Die wichtigsten Ergebnisse der genetischen Analyse auf einen Blick:
- Die deutschen Wölfe gehen NICHT auf Aussetzungen von Tieren unklarer oder dubioser Herkunft zurück, sondern lassen sich genetisch der polnischen Wolfspopulation zuordnen.
- Es gibt keine Hinweise auf Wolf-Hund-Mischlinge in der Population.
- Die seit 2002 in der Neustädter Heide lebende Wölfin stammt aus dem Muskauer-Heide-Rudel.
- Der Partner der Neustädter Wölfin, der im September 2004 aufgetaucht war, ist kein Geschwister, sondern ein aus Westpolen zugewandertes Tier.
- Auch die beiden im Februar 2006 -südlich des Wolfsgebietes - nachgewiesenen Wölfe sind neue Zuwanderer aus Polen.
Interview mit Diplombiologe Prof. Dr. rer. nat. Hermann Ansorge, Hauptkonservator am Staatlichen Museum für Naturkunde Görlitz
NABU: Professor Ansorge, seit wann beschäftigen Sie sich wissenschaftlich mit den Lausitzer Wölfen?
Ansorge: Seit Ende der 80er Jahre wurden immer wieder Spuren oder Risse in der Muskauer Heide gefunden, die von einzelnen Wölfen stammen konnten. Damals begann ich mich mit der sicheren Bestimmung von Wolfsnachweisen zu beschäftigen. Die richtige Arbeit fing aber erst an, als wir am Museum mit Gesa Kluth und mehreren Studenten alle seit dem Jahr 2001 gefundenen Losungen der Lausitzer Wölfe genau auf ihre Bestandteile analysierten. Und mit dem Jahr 2004 bekam das Naturkundemuseum Görlitz die fachlich-wissenschaftliche Betreuung für Schutz und Management des Wolfes im Freistaat Sachsen vom Umweltministerium übertragen.
NABU: ...sie wollen also feststellen, was auf dem Speiseplan der Sächsischen Wölfe steht?
Ansorge: Ja. Über die Ernährungsgewohnheiten der Wölfe, die derzeit nach Mitteleuropa zurückgekehrt sind, gab es bislang noch keine fundierten Erkenntnisse. Für eine solide Öffentlichkeitsarbeit des Naturschutzes und für eine sachliche Bewertung des Konfliktfeldes Wolf/Mensch ist es aber sehr nützlich, mit handfesten und klaren Daten argumentieren zu können. So wissen wir nun, dass sich die Wölfe in der Lausitz hauptsächlich von Rehen, Rotwild und Wildschweinen ernähren. Haustiere werden nur ausnahmsweise erbeutet.
NABU: Woher wissen Sie denn, was die Wölfe und wann fressen?
Ansorge: Die Bestimmung von Mageninhalten und vor allem von Kotproben bildet die Grundlage für nahrungsökologische Untersuchungen an Großsäugern. Bei den Lausitzer Wölfen haben wir in den letzten sechs Jahren über tausend Kotproben untersucht. Darin finden sich schon mit der Lupe erkennbare Reste der Beutetiere wie zum Beispiel Haare, Knochen oder Zähne. Die Haare müssen mikroskopisch untersucht werden, um zu erfahren, welches Beutetier sich dahinter verbirgt. Zähne und Knochenreste verraten oft das Alter des gefressenen Wildes.
NABU: Gibt es auch erste Hinweise auf eine Beeinflussung der Beutetier-Populationen durch die Wölfe?
Ansorge: Die Nahrungsuntersuchungen geben verlässliche Auskunft über das Beutespektrum und die Mengenverhältnisse in der Wolfsnahrung. Eine Beeinflussung der Beutetiere lässt sich daraus kaum ableiten. Dazu waren andere Untersuchungen notwendig. Sie zeigten gleichbleibende beziehungsweise ansteigende Jagdstrecken bei den drei häufigsten Beutetieren. Lediglich das Mufflon ist aus dem Gebiet der Wölfe völlig verschwunden. Das aus dem Mittelmeerraum eingebürgerte Wildschaf war aber auch von offizieller Seite der Jagdbehörden nicht als dauerhafte Wildart in der Muskauer Heide vorgesehen.
NABU: Das Krakauer Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften hat ihrem Auftrag fast hundert Losungsproben genetisch untersucht. Welche Ergebnisse waren für Sie von besonderer Bedeutung?
Ansorge: Wenn es auch zu erwarten gewesen war, dass die Lausitzer Wölfe genetisch zu den freilebenden Wölfen Polens gehören, so ist diese Bestätigung aber gerade für die fachliche Argumentation nicht zu unterschätzen. Besonders wertvoll ist mir jedoch die Erkenntnis, dass im Laufe der Jahre mindestens fünf Wölfe aus Polen neu eingewandert sind. Die genetische Verbindung nach Polen ist unbedingt notwendig, um eine möglichen Inzucht zu vermeiden. Dies weist auch darauf hin, dass Wolfsschutz in Deutschland direkt grenzübergreifend mit dem Wolfsschutz in Polen verbunden ist. Am Naturkundemuseum Görlitz wird derzeit an einer großen Wanderausstellung gearbeitet, die sowohl in Deutschland als auch in Polen und Tschechien zum Wolf aufklären und um Akzeptanz werben soll. Die Ausstellung soll in Görlitz im Sommer 2007 eröffnet werden.