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Jetzt NABU-Mitglied werden!Rote Mauerbiene als Ersatz-Honigbiene?
Pilotversuch als Antwort auf Krise der Imkerei
Schuld an den vernichteten Bienenvölkern sind unter anderem eine spezielle Bakterieninfektion und eine "Killer"-Milbe, der selbst Gifte nichts anhaben können. Doch im Obstbau, der vor allem auf Insektenbestäubung angewiesen ist, keimt jetzt dennoch Hoffnung: In einem Pilotversuch in Rostock soll als Alternative zur anfälligen Honigbiene der Einsatz der robusteren Roten Mauerbiene - der häufigsten deutschen Wildbienenart - getestet werden. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die das Projekt mit 120.000 Euro fördert, sucht nach schnellen Alternativen zur Honigbiene. "Sonst drohen europaweit große Ertrags- und harte finanzielle Einbußen für die produzierenden Unternehmen," so DBU-Generalsekretär Dr. Fritz Brickwedde.
"Die Rote Mauerbiene (Osmia bicornis) gilt als extrem anpassungsfähig, leicht zu halten und zu vermehren und ein höchst wirkungsvoller Obstbaumbestäuber mit wesentlich größerer Leistung als die Honigbiene", so Prof. Dr. Gerd Müller-Motzfeld vom Zoologischen Institut und Museum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald (gleichzeitig Sprecher des NABU-Bundesfachausschuss Entomologie), das den Pilotversuch gemeinsam mit der Rostocker Obst GmbH durchführt. Ziel des Projektes ist es, mit der Roten Mauerbiene auf einer 230 Hektar großen Obstanbaufläche - das entspricht etwa 300 Fußballfeldern - der Rostocker Obst GmbH vor allem Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäume zu bestäuben.
Im Ausland bewährte Methoden des Großeinsatzes sollen heimischen Bedingungen angepasst werden. Die optimale Besatzdichte der Bienen und ihre Verteilung auf den Flächen sollen untersucht, Nisthilfen für Massenzuchten weiterentwickelt und getestet, Kosten von Haltung, Lagerung, Überwinterung und Parasitenbekämpfung berechnet werden. Erstmals für Deutschland wird damit eine Kosten-Nutzen-Bilanz aufgestellt.
Zum Projektende soll ein komplettes Bestäubungsmanagementprogramm als leicht verständlicher Leitfaden für die Nutzung der Roten Mauerbiene als Bestäuber in Obstplantagen und Kleingärten vorliegen. Zielgruppe sind kommerzielle und private Obstgärtner sowie Bienenzüchter. Müller-Motzfeld: "Dabei ist besonders wichtig, dass die Mauerbienen der Honigbiene in der Konkurrenz auf der Blüte ausweichen, also "unterlegen' sind. Die Honigbienen werden nicht verdrängt und können jederzeit bestäuben."
Die Bestäubungsleistung von Insekten ist einer der Schlüsselfaktoren für den Ertrag. Der Versuch stabilisiert und sichert nicht nur Erträge in Landwirtschaft und Obstbau. Er unterstützt auch die Biodiversität von Fauna und Flora durch den Einsatz einheimischer bestäubender Insekten.
Quelle: NABU-Streuobst-Rundbrief 2/2006: 5
Das Projekt ist inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Das daraus entstandene Handbuch der Mauerbienenzucht und Bestäubung für Obstbauern, Kleingärtner, Imker und Naturinteressierte ist nun kostenlos als PDF-Datei erhältlich: Handbuch der Mauerbienenzucht und Bestäubung.
Kontakte:
Zoologisches Institut und Museum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Prof. Dr. Gerd Müller-Motzfeld
Tel. 0 38 34-86 42 72, Fax -86 42 52
kornmil@uni-greifswald.de
Rostocker Obst GmbH
Martin Czechl
Tel. 03 81-71 51 30, Fax -71 11 14
info@rostocker-obst.de
www.rostocker-obst.de
DBU-Presseteam
Franz-Georg Elpers, Katja Cherouny, Anneliese Grabara,
Tel. 05 41-96 33-520, Fax -198
presse@dbu.de
www.dbu.de
Honigbienen sind unverzichtbar
Stellungnahme eines Imkers
Aus NRW erreicht uns die Stellungnahme eines Imkers, der sich kritisch mit dem Beitrag zur Roten Mauerbiene im NABU-Streuobst-Rundbrief 2/2006 auseinandersetzt:
"Die einheimische Honigbiene ist ein Wildtier (Wildbiene!), das die letzte Eiszeit am Mittelmeer überlebt und sich von dort wieder ausgebreitet hat. Ihr Aussterben hätte große Auswirkungen auf die heimische Flora. Der Rückgang von Pflanzenarten, die durch verschiedene Bienenarten bestäubt werden, beträgt durch den massiven Rückgang von Bienen stellenweise bereits 70 Prozent. Die Honigbiene befliegt mehr als 120 Blütenpflanzenarten und ist damit ein Generalbestäuber. Da die Imker Bienenvölker mit großer Individuenzahl in der Landschaft flächendeckend aufstellen, würde ein weiterer Rückgang gerade der Honigbiene gravierende Auswirkungen auf die Bestäubung von Wildpflanzen haben; der nicht durch andere hochspezialisierte Bienenarten kompensiert werden könnte.
Das Forschungsprojekt, die Honigbiene durch die Rote Mauerbiene zu ersetzen, ist keine Antwort auf die Krise der Imkerei. Sollte dieses Ziel beabsichtigt sein, müssten die massiven Winterverluste der Honigbiene Gegenstand der Forschung sein. Irreführend ist zudem die Aussage, der Versuch stabilisiert und sichert nicht nur Erträge in Landwirtschaft und Obstbau. Er unterstützt auch die Biodiversität von Fauna und Flora durch den Einsatz einheimischer bestäubender Insekten. Die industrielle Vermehrung einer einzelnen Art ist keine adäquate Antwort auf den alarmierenden Rückgang verschiedener Bienenarten in Mitteleuropa, sondern macht im Gegenteil die Hilflosigkeit und Dummheit der Menschen umso sichtbarer."
Bis jetzt bemühen sich Imker und Naturschützer gemeinsam um weniger/keine synthetischen Spritzmittel im (Niederstamm-)Obstbau und gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. Diese Koalition würde bei Erfolg des Projektes zunehmend bedeutungslos: In hochintensiven Obstanbaubetrieben würde die Rote Mauerbiene (neben der bereits industriell angebotenen Hummel) die Bestäubung vornehmen. Anders als beim Einsatz der Honigbiene, wo Spritzmittel nur eingeschränkt zur Anwendung kommen dürfen (Rückstandsproblematik beim Honig und langjährige Völkerführung), spielt die Gesunderhaltung der eingesetzten Tiere keine große Rolle mehr. Im Folgejahr werden ja neue Tiere beim Züchter gekauft. Ex und Hopp bei der Bestäubungsleistung statt Nachhaltigkeit. Der Obstanbau kann noch stärker intensiviert werden (Spritzmittel).
Die zu 99 Prozent aus Hobbyimkern bestehende Imkerschaft verlöre weiter an Boden. Weniger Bienenvölker in der übrigen Fläche wären das Resultat. Warum eine solche dem industriellen Obstanbau gewidmete Zielrichtung nun ausgerechnet mit 120.000 Euro aus der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert wird, erschließt sich mir derzeit nicht. Das wäre ja so, als wenn wir Weißstörche durch die anpassungsfähigeren Graureiher ersetzten. Ein solches Projekt hätte wohl kaum die Chance einer DBU-Förderung. Warum ist das bei Bienen anders?"
Kontakt:: Adrian Mork, adrian.mork@kreis-unna.de