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Eine Zwischenbilanz zur Vogelgrippe
Die gute Nachricht zuerst: Unsere Weißstörche sind nicht mit Vogelgrippe infiziert. Das staatliche Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hatte in den letzten Wochen mehr als 100 Kotproben untersucht, alle mit negativem Befund. Aktive der NABU-Arbeitsgruppe Weißstorch, der Beringungszentrale Hiddensee und des Storchenhofes Loburg hatten die Proben in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt eingesammelt.
Ende April waren in Letschin im Kreis Märkisch-Oderland innerhalb einer Woche ein Storch und dann sein Partner an der Vogelgrippe gestorben. "Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die beiden infizierten Weißstörche Einzelfälle waren und diese Vogelart bis jetzt keine Rolle bei der Verbreitung der Geflügelpest spielt", erläutert Dr. Franz Conraths, Epidemiologe am FLI. Die Probenentnahme im Rahmen der Vogelgrippe-Vorsorge wird dennoch auch beim NABU-Wappenvogel fortgesetzt. Zu viele offene Fragen gibt es noch hinsichtlich Ansteckungs- und Verbreitungswegen.
Anders als in den meisten Ländern mit Vogelgrippe-Ausbrüchen des Typs "H5N1 Asia" sind in Deutschland bisher überwiegend Wildvögel betroffen. Die einzige Infektion in einem Nutzgeflügelbestand ereignete sich Anfang April im sächsischen Mutzchen. Insgesamt erkrankten 1400 Puten, von denen mehr als die Hälfte in kürzester Zeit starben. Alle 14.300 Puten, Gänse und Hühner des Bestandes wurden vorsorglich getötet.
H5N1 hatte Deutschland bereits zwei Monate zuvor erreicht. Vier am 8. Februar auf Rügen tot aufgefundene Schwäne waren die ersten bekannten Opfer. Seitdem wurden republikweit 343 Wildvögel, drei Hauskatzen und ein Steinmarder positiv getestet. Untersucht wurden auch Füchse, Dachse, Wildschweine, Nerze, Hunde und Waschbären - alle ohne H5N1-Nachweis.
Jüngstes Opfer Gänsesäger
Rund die Hälfte aller Vogelgrippeopfer fand man auf Rügen, außerdem waren weite Teile der Ostseeküste betroffen. Ein zweiter Schwerpunkt war der Bodensee mit 19 toten Vögeln. Breit gestreut über ganz Bayern wurden 73 Vogelgrippe-Opfer registriert, weitere vereinzelte außerdem in Berlin, Brandenburg mit Schwerpunkt Untere Oder, Sachsen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Der letzte gemeldete Fall betraf am 12. Mai einen Gänsesäger im Kreis Landsberg am Lech.
Seit die Vogelgrippe vor einem Jahr Europa näher und näher kam, hat sich der NABU immer wieder an die Medien und die Öffentlichkeit gewandt, um vor Panikmache und vorschnellen Schuldzuweisen in Richtung Zugvögel zu warnen. Zwar steht fest, dass auch Wildvögel Vogelgrippe übertragen und über kürzere Distanzen weiterverbreiten können. Doch nach wie vor sind viele Vogelgrippe-Ausbrüche zeitlich und räumlich überhaupt nicht mit dem Vogelzug in Übereinstimmung zu bringen.
Weltweiter Geflügelhandel
Dagegen gibt es starke Hinweise, dass sich die Vogelgrippe zumindest in Asien und in Afrika bisher ausschließlich über Nutzgeflügel ausbreitet. Der Handel mit Geflügel und Geflügelprodukten ist ein globales Geschäft, bei denen Eier, Küken und selbst Geflügelabfälle und -kot als Tiernahrung und Fischfutter zwischen den entlegendsten Orten weltweit ausgetauscht werden. Der mit Abstand häufigste Zugvogel, so heißt es in einem Report des NABU-Dachverbands BirdLife International, ist heutzutage das Hühnerküken.
Die Vogelgrippe wird uns zunächst weiter erhalten bleiben. Mit Sorge muss man zum Beispiel nach Rumänien blicken, wo es ständig neue Ausbrüche gibt. "Das Infektionsgeschehen ist dort offenbar außer Kontrolle", heißt es lapidar im aktuellen Risikobericht des Friedrich-Loeffler-Instituts. Beredtes Zeichen dafür: Zum 25. Mai haben die rumänischen Behörden alle Vogelgrippe-Altfälle kurzerhand für "erloschen" erklärt, damit wenigstens die Statistik im internationalen Vergleich wieder etwas hermacht. Rumänien ist von der EU nach wie vor mit einem kompletten Geflügel-Handelsverbot belegt.
Stallpflicht bis Februar
In Deutschland gilt als einzigem EU-Land weiterhin die Stallpflicht. Der Bundesrat hat sie gerade noch einmal bis Ende Februar verlängert. Zwar können Hühner- und Entenhalter Freilandhaltung beantragen, doch nur dort, wo keine Geflügel-Großbetriebe oder wasservogelreiche Feuchtgebiete in der Nähe sind. Für viele Bio-Bauern kann das das Aus bedeuten.
Wer Enten oder Gänse frei laufend halten möchte, muss diese zudem jeden Monat vom Tierarzt auf Vogelgrippe untersuchen lassen. Vor allem kleinere Halter können sich das kaum leisten. Alternativ gibt es noch die Möglichkeit, unter den Enten und Gänsen quasi als Versuchstiere Hühner zu halten. Diese erkranken schneller an der Vogelgrippe und zeigen so den Befall an.
Helge May, Juni 2006
- Vogelgrippe – wie sollten wir damit umgehen?
- NABU-Position zu den Gefahren und Risiken der Vogelgrippe
Alles klar?
"Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, bleiben die Geflügelpest-Verordnung, die Wildvogel-Geflügelpestschutzverordnung und die Nutzgeflügel-Geflügelpestschutzverordnung unberührt."
Paragraf 7 der "Verordnung zur Aufstallung des Geflügels zum Schutz vor der Klassischen Geflügelpest (Geflügel-Aufstallungsverordnung)" vom 9. Mai 2006.
Betroffene Arten
Die 343 bisher in Deutschland an der Vogelgrippe gestorbenen Wildvögel waren ausschließlich Wasservögel oder Fleisch- beziehungsweise Aasfresser. Folgende 19 Arten wurden registriert - soweit die Behördenangaben eindeutig waren, denn häufig hieß es einfach nur "Schwan" oder "Wildente":
Höckerschwan, Singschwan, Graugans, Kanadagans, Tafelente, Stockente, Bergente, Reiherente, Blesshuhn, Gänsesäger, Haubentaucher und Kormoran, Mäusebussard, Turmfalke, Wanderfalke, Habicht und Kornweihe sowie Graureiher und Weißstorch; außerdem unbestimmte Möwen, unbestimmte Eulen und ein unbestimmter Rabenvogel.
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