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Der NABU Bodanrück zeigt, wie auch ältere Leute im Naturschutz aktiv sein können
von Sonja Wittlinger
"Ältere Menschen sind ein Schatz für die Gesellschaft", erklärte vollmundig die für Senioren zuständige Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) anlässlich des diesjährigen Deutschen Seniorentages. Doch die Wirtschaft scheint das anders zu sehen. Nach Aussagen des Ministeriums sind in Deutschland nur vier von zehn Menschen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren berufstätig. Und das, obwohl der Anteil der älteren Menschen steigt - im Jahr 2030 wird es etwa ein Drittel der Bevölkerung sein.
Solche gesellschaftlichen Entwicklungen machen auch vor dem NABU nicht halt. Die Vorsitzenden der Gruppen vor Ort werden immer älter und trotzdem bei jeder Nachwahl darum gebeten weiterzumachen - weil sich kein anderer findet. Gelingt dann doch ein Generationenwechsel, strukturieren "die Jungen" die Gruppe oftmals neu und es gelingt meist nicht, die Älteren zu integrieren. Heißt es also auch beim NABU "weg mit den über 50-Jährigen", wenn sie nicht mehr gebraucht werden?
Informationen über sonstige Aktivitäten des NABU-Bodanrück finden Sie hier:
www.nabu-bodanrueck.de
Nicht einfach "weg gehen"
Siegfried Schuster aus Radolfzell am Bodensee wollte jedenfalls nicht einfach so "weg gehen": "Bei den Biotoppflegearbeiten meiner bisherigen Gruppe können Ältere wie ich nicht mehr mithelfen." Also gründete der 70-Jährige im Jahr 2000 in Absprache mit dem Landesverband eine neue Gruppe, die Aufgaben speziell für Senioren bietet. Die inzwischen 18 Mitglieder treffen sich alle zwei bis vier Wochen auf dem Bodanrück, einer großen Halbinsel zwischen dem Bodensee-Untersee und dem Überlinger See. Nach ihr ist auch die Gruppe benannt, die aus ehemaligen Lehrern, Universitätsmitarbeitern, Malermeistern und anderen Berufsgruppen besteht.
Alle Mitglieder wollen mehr tun, als nur an Exkursionen teilnehmen. So nahm sich die Gruppe schon kurz nach der Gründung erste Projekte vor, darunter die Kartierung zahlreicher Kleinbiotope auf dem Bodanrück. Daraus entstand die Farbbroschüre "Bodanrück - Verdichtungsraum oder FFH-Gebiet?". Das Gebiet war auf Vorschlag von NABU und BUND als Natura-2000-Schutzgebiet deklariert worden, aber gleichzeitig kam das Landes-Wirtschaftsministerium auf die Idee, denselben Raum und Uferteile des Bodensees als verdichteten Siedlungsraum vorzuschlagen. Die Gruppe schickte daher ihre Broschüre an alle Abgeordneten, Bürgermeister und Gemeinderäte - und erreichte, dass das Gebiet im Landesentwicklungsplan nicht mehr als Verdichtungsraum bezeichnet wird, sondern als ein "Raum mit besonderen Aufgaben".
Klimawandel auf dem Bodanrück
Ein Erfolg, auf den die Gruppe zwar stolz ist, auf dem sie sich aber nicht ausruht. "Zurzeit widmen wir uns der Frage, wie sich der Bodanrück aufgrund des Klimawandels verändern wird", erklärt Siegfried Schuster. Ein Gespräch mit dem Gemeinderat von Allensbach, Bürgermeister Helmut Kennerknecht und dem Landtagsabgeordneten Andreas Hoffmann steht dazu an. Die Gruppe trifft sich vor dem Termin und bespricht die Gesprächsstrategie. "Keiner von uns sollte lange Monologe führen", schwört Schuster seine Mitstreiter ein. Schmunzelnd fügt er hinzu: "Auch ich nicht. Aber ich hoffe, dass meine Frau neben mir sitzt. Sie kann mich bremsen." Überhaupt wird während der Vorbereitung der Veranstaltung viel gescherzt und gelacht - von frustrierten Rentnern, die über die "heutige Jugend" schimpfen, ist nichts zu spüren.
Die anschließende Diskussion mit den Politkern im Feuerwehrhaus Kaltbrunn läuft munter, zum Teil sogar hitzig. Auf den Vorschlag der NABU-Gruppe, das Bündtlisried aufzustauen, weil die Riede mit dem Klimawandel austrocknen, reagiert ein Gemeinderat mit der Aussage: "Dann macht Ihr meinen Wald kaputt!" Und auch Ökobauer Helmut Müller ist von der Idee nicht begeistert. Doch die Gruppe lässt sich nicht erschüttern, diskutiert weiter, bringt Argumente der Landesanstalt für Umweltschutz vor, erklärt die Bedeutung der Weiher als Regenrückhaltebecken, verweist bei einem anderen Tagesordnungspunkt "Forst" darauf, dass der zuständige Forstrat keine Fichten mehr anbauen lässt, weil diese mit der Erwärmung in Allensbach nicht mehr zurechtkommen
Kleine Erfolge
Schließlich erreicht die Gruppe doch etwas bei den Gemeinderäten. Zum Beispiel finden diese die Idee gut, das Forstpflanzgut besser aus dem wärmeren Freiburg als aus dem hoch gelegenen Riedlingen zu beschaffen, da die im Tiefland gezüchteten Bäume mit dem "neuen Klima" besser zu Recht kommen. Auch über ein Tempolimit für die Raserstrecke L 220 wird nachgedacht. Und so ist Schuster zum Schluss der Veranstaltung zufrieden: "Wir wollten unsere neuen Themen Klimawandel und Vielfalt in die Köpfe bringen. Das ist gelungen."
Das Thema Klimawandel ist dem ehemaligen Lehrer besonders wichtig. Auf Initiative seines Stellvertreters Rainer Bretthauer hat die Gruppe daher drei Esel, also südliche Weidetiere, gekauft und einem Landwirt übergeben. "Die Natur verändert sich aufgrund des Klimawandels und damit auch die Zusammensetzung unserer Arten. Wir müssen aufhören, immer nur etwas bewahren zu wollen, Arten retten zu wollen, die wir nicht mehr retten können." Die Gruppe wird das Thema weiter bearbeiten und in die Köpfe bringen "auch innerhalb des NABU", da sind sich die beiden Vorsitzenden sicher.
Ob sie es gut fänden, mehr Seniorengruppen im NABU zu haben? "Selbstverständlich!" Allerdings gebe es bisher keine satzungsgemäße Form für solche Gruppen. "Da müsste sich was tun", ist Schuster überzeugt. Greenpeace hat seit einigen Jahren neben den Gruppen die "Teams 50+", die sich speziell an Ältere wenden. "So was fände ich gut", meint Schuster. Denn Senioren hätten noch "viel Power, um etwas Neues zu beginnen. Dieses Potenzial darf nicht verloren gehen."