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Naturzerstörung durch die Airbuswerft in Hamburg
Für die Erweiterung der angrenzenden Airbus-Flugzeugwerft für den Riesenvogel A380 wurde in Hamburg das größte Süßwasserwatt Europas teilweise zubetoniert. Wegen seiner herausragenden Bedeutung als Rastgebiet für zahlreiche Wasservögel, darunter vor allem die seltene Löffelente, sowie als Kinderstube der Elbfische genoss das Mühlenberger Loch den Schutz der EU-Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH).
Für ihr Vorhaben benötigten die Stadt Hamburg und der Airbus-Konzern daher eine Ausnahmegenehmigung aus Brüssel. Für eine solche Genehmigung muss etwa ein geplanter Eingriff durch geeignete Maßnahmen so rechtzeitig und vollständig ausgeglichen werden, dass im Netz der europäischen Schutzgebiete keine Lücke entsteht. EU-Umweltkommissarin Margot Wallström hielt diese Voraussetzungen nicht für gegeben. Doch ein Schreiben von Bundeskanzler Schröder an den damaligen Kommissionspräsidenten Prodi wirkte Wunder. Nur wenige Tage später setzte Wallström ihre Unterschrift unter die Genehmigung.
Den Umweltverbänden wurde die Klage verwehrt
Im Zuge einer Klage, die der NABU gegen das zerstörerische Projekt angestrengt hatte, befand das Hamburgische Verwaltungsgericht die Brüsseler Entscheidung für rechtswidrig - verweigerte den Umweltverbänden aber gleichwohl eine Klagebefugnis. Schließlich sehe das Landesnaturschutzrecht eine Verbandsklage nur gegen Eingriffe in ausgewiesene Naturschutzgebiete vor und das Mühlenberger Loch sei eben lediglich ein Landschaftsschutzgebiet. Dass es sich hier um ein europäisches Naturschutzgebiet handelt, ignorierte das Gericht. Erst viel später, im Oktober 2005, wies die Freie und Hansestadt Hamburg den noch nicht zubetonierten Rest des Mühlenberger Loches als Naturschutzgebiet aus.
Unbefriedigend, um nicht zu sagen aberwitzig, ist bis heute die Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen, für die drei teilweise weit voneinander entfernte Gebiete vorgesehen waren. Dabei sollte unter anderem die Haseldorfer Marsch, ebenfalls ein Vogelschutz- und FFH-Gebiet, so umgestaltet werden, dass die dortigen Arten und Lebensräume stark beeinträchtigt worden wären. Das Verwaltungsgericht erklärte die geplante Maßnahme daher für rechtswidrig. Die Realisierung des Ausgleichskonzeptes in der „Hörner Au“ steht völlig in den Sternen, da die Flächen bisher landwirtschaftlich genutzt werden und gar nicht zum Erwerb stehen.
Ersatzflächen vom Reißbrett, die die Natur nicht annimmt
Lediglich auf der Elbinsel Hahnhöfersand wurden rund um die Frauen-Justizvollzugsanstalt zwei getrennte Teilflächen abgebaggert und zur Elbe hin geöffnet, damit sich Watt bilden soll. Tatsächlich entsteht hier aber weitgehend ein Weidendickicht - eher ein Ersatz für die 12.000 Bäume, die für das geplante Watt gerodet worden waren. Dabei sollten sich jetzt genau 1007 Löffelenten am Hahnhöfersand tummeln. Beherbergte das Mühlenberger Loch doch rein rechnerisch 9,5 Enten je Hektar und das macht nach Planerlogik auf 106 Hektar Neufläche eben genau 1007 Stück. Dummerweise haben sich die Löffelenten daran nicht gehalten. Maximal 35 der seltenen Vögel wurden bisher am Hahnhöfersand gesichtet.
Uwe Westphal
Im Würgegriff
Buchvorstellung: „Das Mühlenberger Milliardenloch“
Am Mühlenberger Loch hat nicht nur die Natur gelitten, auch unsere Demokratie wurde beschädigt. „In Hamburg lässt sich beobachten, was internationaler Standortwettbewerb für die lokale Politik bedeutet“, kommentierte die Frankfurter Allgemeine die Vorgänge. Hier bestimmte und bestimmt ein „Global Player“ mit Hilfe aus Berlin, Paris und Brüssel die Entwicklung einer ganzen Region. Auf Natur und Umwelt, Anwohner und Bürgerrechte wird dabei keine Rücksicht genommen. 2000 Arbeitsplätze versprach Airbus und nahm damit die Politik komplett in Würgegriff. Garantien, dass die Arbeitsplätze je in dieser Zahl entstehen und dass sie von Dauer sind, gibt es nicht.
„Die Airbus-Flügel biegen sich – so viel wurde ums Mühlenberger Loch vertuscht, getäuscht und gelogen“, meinte Manfred Bissinger in der „Woche“ bereits im Jahr 2001. Was genau da alles vorging, wer wen über den Tisch zog und was der NABU und andere im „Schutzbündnis für Hamburgs Elbregion“ dagegen unternahmen, ist nachzulesen in „Das Mühlenberger Milliardenloch“ von Uwe Westphal und Renate Nimtz-Köster. Der langjährige NABU-Mitarbeiter und die Spiegel-Redakteurin liefern eine minutiöse Chronik des Politikskandals, die spannend zu lesen ist und Mahnung sein sollte. Denn heute spielt das Stück in Hamburg, morgen in einem anderen Teil der globalisierten Welt. (elg)
Uwe Westphal & Renate Nimtz-Köster: Das Mühlenberger Milliardenloch. Wie ein Flugzeug die Politik beherrscht. - Edition Nautilus 2005. 220 Seiten. 14,90 Euro. ISBN 3-89401-472-5.
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