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Jetzt NABU-Mitglied werden!Der Sieg über die Killermasten
Ein Porträt des Naturschützers Dieter Haas
Erstmalig schreibt das im letzten Jahr verabschiedete Bundesnaturschutzgesetz in Paragraf 53 den Vogelschutz an Energiefreileitungen verpflichtend fest, indem es die Sicherung von Mittelspannungsmasten gegen Vogelschlag regelt. Was in nüchternem Juristendeutsch zu Papier gebracht wurde, ist auch ein persönlicher Erfolg des NABU-Mitstreiters Dieter Haas aus Albstadt auf der Schwäbischen Alb.
Darauf angesprochen, winkt Haas bescheiden ab und hat schon neue Probleme und Ziele im Visier: Viel wichtiger sind ihm die vom NABU mitinitiierten Resolutionen gegen den Stromtod, die auf der Vertragsstaatenkonferenz der "Konvention zum Schutz wandernder Tierarten" vergangenen September in Bonn gefasst wurden. Denn jetzt gibt es Hoffnung, dass in vielen Staaten bald das umgesetzt wird, was in Deutschland seit Jahren möglich ist: Die Entschärfung von Strommasten, an denen vor allem Greifvögel, Eulen und Störche in großer Zahl tödliche Stromschläge erleiden. "Vor allem in Osteuropa ist das noch ein großes Problem" weiß Haas aus eigener Anschauung.
Antriebsfeder Naturbegeisterung
Begeisterung für Greifvögel und ihr tragischer Stromtod beschäftigen den heute 57-jährigen Frauenarzt seit Kindesbeinen. Vom Vater hat er beide Themen quasi geerbt. Als Lehrer und Naturschutzbeauftragter kümmerte sich dieser am oberschwäbischen Federsee um Natur- und Vogelschutz und musste mit ansehen, wie immer mehr Großvögel an den Stromleitungen ums Leben kamen. Dass nach dem zweiten Weltkrieg vielerorts die Weißstorchbestände zusammenbrachen, hat seine Ursache auch in den hohen Verlusten durch Stromschlag. Noch heute spürt man bei Dieter Haas, wie nachhaltig ihn die Eindrücke von verletzten und getöteten Greifvögeln und Störchen aus der Kindheit und Jugend geprägt und motiviert haben.
Naturbegeistert war Haas schon immer. Besonders die elegant segelnden Greifvögel haben es ihm angetan: "Sie symbolisieren für mich Freiheit und Unabhängigkeit." Aufgewachsen am Federsee, lernte Dieter Hass in einer naturinteressierten Familie Tier- und Pflanzenwelt kennen. Noch heute ist ihm der Federsee ein lieb gewordener Fluchtpunkt aus der Alltagshektik. Seine Augen leuchten, wenn er von Sonnenaufgängen im Ried oder der Suche nach Rohrweihennestern erzählt. Aber auch die Ferne lockt den Hobbyornithologen und bekannten Naturfotografen. Mit 14 Jahren reiste er mit seinen Brüdern nach Marokko, als Student durchquerte er die Sahara. Über viele dieser Abenteuerreisen veröffentlichte Haas schon in jungen Jahren Berichte und hervorragende Tierfotos.
Hartnäckigkeit zahlt sich aus
Erste Aktionen gegen den Stromtod startete Haas als Student in den 70er Jahren. Amerikanische Umweltgruppen zum Vorbild nehmend, zog er alle Register der Öffentlichkeitsarbeit und Auseinandersetzung gegen den sinnlosen Tod vieler Vögel. Für gefährliche Mastentypen prägte er bewusst medienwirksame Begriffe. In scharfen Beiträgen in Tages- und Fachpresse wetterte er gegen die "Killermasten" und "elektrischen Stühle".
Von den Energieversorgungsunternehmen wurden die Naturschützer zunächst kaum ernst genommen. Unermüdlich sammelte Dieter Haas Zahlen und Fakten. Tausende Fotos von Masten und daran verletzten oder getöteten Vögeln füllen sein Archiv. In Fragen des Masten- und Leitungsbaus arbeitete sich der Mediziner derart akribisch ein, dass er den Technikern bald ein respektabler Gesprächspartner war. Vom einstigen Gegner und Kritiker wurde Haas zum Kooperationspartner für die Leitungsbauer. Sein Wissen vermittelt er ihnen bei Fortbildungen und in der Fachpresse.
Deutschland wird zum Musterland
Fast entschuldigend kommentiert er sein hartnäckiges Auftreten bei Verhandlungen mit den Stromunternehmen: "Eigentlich bin ich ein friedliebender Mensch". Aber bei den Diskussionen stritt er massiv und hörte nicht auf, bis erreicht war, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Schritt um Schritt wurde das Stromtod-Problem gelöst. Kontinuierlich begleitete Haas das Thema, um immer wieder mit Ausstellungen, Veröffentlichungen, Lobbygesprächen, politischem Taktieren, in langwierigen Verhandlungen und schließlich im Dialog mit den Konstrukteuren flächendeckend Verbesserungen zu erzielen. Mittlerweile habe man in Deutschland die weltweit besten Konstruktionsvorschriften, urteilt Haas und ein zufriedenes Lächeln wandert über sein Gesicht: "Es ist schon eine Freude, wenn man durchs Land fährt und es ist killermastenfrei."
Einzelschicksale verletzter Vögel ließen Haas nie unberührt. Schon im Elternhaus betrieb man eine Pflegestation und noch heute sind Vogelpfleglinge obligater Bestandteil der Familie. Als ausgebildeter Operateur wendet er seine Fachkenntnisse mit Erfolg auf Großvögel an. Tausende Strommastenopfer hat Haas gesehen und vielen hat er mit einer Therapie wieder zur Flugfähigkeit verholfen. Seine Behandlung gebrochener Vogelknochen, die der Gynäkologe mit befreundeten Orthopäden entwickelte, fand auf internationalen Tierärzte-Kongressen Anerkennung.
Kein Naturschutz ohne Frust
Des öfteren drohten gefiederte Patienten seine Praxis lahm zu legen und in der weithin bekannten Pflegestation musste Haas lange Zeit Praktikanten und Zivildienstleistende beschäftigen - mit Familienanschluss natürlich. Über die Vogelpflege kam Haas zu einem weiteren Umweltthema, das ihn stark beschäftigt: Bleischrot. Viele verletzte Vögel sind Schussopfer der Jagd, wie Haas anhand von Röntgenbildern nachweisen konnte. 1500 Tonnen Bleischrot jährlich, auch in Naturschutzgebieten verschossen, sind für ihn unverantwortlich, denn Blei hat erwiesene Nachteile für Gesundheit, Grundwasser und Fruchtbarkeit von Mensch und Tier.
Bei vielen Erfolgen im Naturschutz ist der Weg dorthin mühsam und enttäuschend. Auch Dieter Haas hat Phasen des Frustes und unnötiger Reibungsverluste zur Genüge erleben müssen. Nicht selten litt auch die Familie unter dem aufreibenden Engagement des Vogelpflegers und Leiters der NABU-Bundesarbeitsgruppe Stromtod. Nachdenklich hat Haas ein schwerer Verkehrsunfall auf einer Forschungsreise 2001 in Osteuropa werden lassen. Mit Freunden recherchierte er dort über Strommasten. Seitdem dosiert er seine Aktivitäten bewusster.
Experte ohne Honorar
Immer noch betreut er einzelne Pfleglinge, sitzt als freiwilliger "Experte ohne Honorar" viele Abende am PC und versucht vor allem für Osteuropa seine Stromtod-Erfahrungen einfließen zu lassen. Aber Dieter Haas gönnt sich mehr Auszeit in der Natur und auf Reisen, aus denen er Kraft schöpft. Als aufmerksamer Naturbeobachter und kritischer Ornithologe bearbeitet er viele Themen und vertritt pointierte, mitunter kontrovers diskutierte Auffassungen etwa zur Jagd, zur Landschaftspflege oder Einbürgerung fremdländischer Wasservögel. Seine größte Leidenschaft gilt aber den Vögeln. Mit leuchtenden Augen berichtet er von seinen Pfleglingen oder vom Comeback der Schwarzstörche und Fischadler. Die Freude am Wildtier ist es, die Dieter Haas umtreibt - eine Triebfeder für ein ganzes Menschenleben.
Stefan Bosch
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