Kümmern wir uns gemeinsam darum, die faszinierende Vielfalt in unseren letzten lebendigen Wäldern zu bewahren.
Jetzt Informieren!Holz bleibt am besten im Wald
Zustand der deutschen Wälder besorgniserregend
Vier von fünf Bäumen seien geschädigt, heißt es im aktuellen Waldzustandsbericht. Der Kronenzustand der Wälder sei nie so schlecht gewesen, die Zahl abgestorbener Bäume so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Kranke Wälder sind nur noch eingeschränkt leistungsfähig. Der deutsche Wald hat im Jahr 2016 rund 58 Millionen Tonnen Kohlendioxid absorbiert. Das sind etwa sieben Prozent des jährlichen Klimagas-Gesamtausstoßes. Zudem kühlt Wald die Landschaft und speichert Wasser – zwei weitere für den Menschen unentbehrliche Dienstleistungen.
„Intakte Laubwälder sind die Kühlaggregate unserer Landschaft“, so NABU-Waldexperte Mark Harthun. Wo Naturwälder schon längere Zeit ohne forstliche Bewirtschaftung sind, ist das Kronendach vollständig geschlossen. „Dort trotzen die Buchenwälder gesund und grün dem Klimawandel“ betont Harthun. Wo die Forstbetriebe in Schirmschlägen stark aufgelichtet haben, kränkeln dagegen nicht nur standortfremde Fichten, sondern auch die Buchen.
Mehr als die Summe der Bäume
Im Wald finden Specht, Fuchs und Hirsch Nahrung und Unterschlupf, im Schutz alter Baumriesen wachsen Büsche, Pilze und Flechten; der Boden ist belebt von einer Vielzahl an Kleinorganismen. Wald ist ein komplexes Ökosystem, das vom Zusammenspiel der darin agierenden Lebewesen und den daraus entstehenden Wechselwirkungen bestimmt wird. Insbesondere naturnahe Mischwälder sind Zentren der Artenvielfalt.
Deutschland ist zu rund einem Drittel mit Wald bedeckt. Je nach Region dominieren dabei oft Nadelhölzer wie Fichten und Kiefern, aber auch Laubbäume wie Buchen und Eichen kommen häufig vor. Ein Großteil des Waldes dient als Produktionsstätte für den nachwachsenden Rohstoff Holz, dessen Beliebtheit zusehends wächst. Jahr für Jahr werden rund 70 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen, für die Bauindustrie, zur Papierherstellung oder als Brennholz.
Den Wald nicht ausräumen
Schon im Dürrejahr 2018 hatten die Wälder merklich gelitten – ein Trend, der sich weiter verstärkt. Sind Bäume bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gestresst, lassen sie zunächst nur die Blätter hängen. Dann wird das Laub braun, Äste verkahlen, die Krone wird zusehends schütter und stirbt schließlich ab. Zuletzt kommen Schädlinge und Krankheiten hinzu und geben dem geschwächten Baum den Rest.
Die geschädigte Waldfläche soll wieder aufgeforstet, das Schadholz, insbesondere das mit Borkenkäferbefall, möglichst schnell aus dem Wald geräumt werden. Doch großflächiges Ausräumen verschlimmert die prekäre Lage des Waldes nur noch mehr, warnt Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. „Geräumte Flächen erwärmen sich viel schneller und trocknen stärker aus“, argumentiert der Waldökologe. In Zeiten des Klimawandels müsse das oberste Gebot jedoch lauten, die Wälder möglichst kühl zu halten. Das gelinge beispielsweise, indem Totholz liegen bleibe, erläutert Ibisch. Verrottendes Holz baue Humus auf, wodurch sich die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens und damit auch das Selbstkühlungsvermögen des Waldes erhöhe: „Jedes Grad, um das die Temperatur sinkt, bremst die Verdunstung.“
Lebensgrundlage Totholz
Wirtschaftswälder sind aufgeräumte Nutzflächen, in denen Totholz, unwegsames Dickicht oder vergreiste Baumriesen stören. Auf weniger als drei Prozent der deutschen Waldfläche wachsen Wälder, die der menschlichen Nutzung entzogen sind. Totholz, ein Sammelbegriff für abgestorbene Bäume, Sträucher und Teile davon, ist eigentlich gar nicht tot, sondern quicklebendig. Es ist Lebensgrundlage für Moose, Flechten, Pilze, Käfer, Ameisen, Wildbienen und Schmetterlinge. Viele Tier- und Pflanzenarten, die auf, im und vom Totholz leben, stehen auf der Roten Liste bedrohter Arten. Gemeinsam zersetzen sie über Jahre hinweg das Holz zu Humus, auf dem die nächste Pflanzengeneration erwächst.
Damit steht Totholz im Kreislauf des Waldes sowohl für das Ende als auch für den Neubeginn des Lebens. „Je mehr Totholz im Wald liegt, desto größer ist seine Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel“, sagt Ibisch. Gesunde Waldsysteme mit gemischter Altersstruktur, geschlossenem Kronendach und großer Artenvielfalt sind in der Lage, sich aus eigener Kraft zu regenerieren.
Bäume länger leben lassen
Ein Baum erreicht, so man ihn lässt, ein Alter von 400 bis 500 Jahren. Nicht so im Wirtschaftswald. Dort werden Bäume jung und in schneller Folge gefällt; nur wenige sind älter als 150 Jahre. Die Zahl der Buchen, die einen Stammdurchmesser von mehr als 80 Zentimetern erreichen, umfasst zum Beispiel in Hessen einen verschwindend geringen Anteil von nur 0,1 Prozent.
Wälder mit hoher Einschlagsrate haben meist ein lückenhaftes Kronendach und erwärmen sich deshalb vergleichsweise schnell. Daran ändere auch großflächige Aufforstung nichts, stellt Ibisch fest. Stattdessen empfiehlt er, den Holzeinschlag zu reduzieren und die Waldgesundheit stärker zur fördern: „Die unbequeme Botschaft lautet: Selbstregeneration kostet Holz“, sagt der Waldökologe: „Aber wir sollten endlich damit aufhören, den Wald als bloßen Holzautomaten zu begreifen.“
Hartmut Netz (Naturschutz heute 2020)
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