Kümmern wir uns gemeinsam darum, die faszinierende Vielfalt in unseren letzten lebendigen Wäldern zu bewahren.
Jetzt Informieren!Klima-Opfer und Klima-Retter
Wälder und Forste im Zeichen der Klimakrise
„Die Entwicklung, die unsere Wälder gerade nehmen, ist besorgniserregend“, beschreibt Heinz Kowalski, waldpolitischer Sprecher des NABU, die Situation. „Die Hitze macht den Klimawandel spürbar und dass viele Fichtenbestände durch Dürre und Borkenkäfer abgestorbenen und braun gewordenen sind, macht ihn für die Menschen sichtbar.“
Stärker im Fokus der Politik
Dass das von der Bundesregierung selbst gesetzte Naturschutzziel von fünf Prozent Waldwildnis bis 2020 nicht erreicht werden wird, zeigt, welchen geringen Stellenwert dem Wald von der Politik bisher eingeräumt wurde.
Vordergründig hat sich das 2019 geändert. Ende September lud die damalige Landwirtschafts- und Forstministerin Julia Klöckner sogar zu einem „Waldgipfel“ ein. Dort wurde vor allem darüber diskutiert, wie mit den Waldschäden umgegangen werden soll und wie eine mögliche Wiederaufforstung aussehen kann. Klöckner sicherte hierfür 547 Millionen Euro zu, die die Länder auf 800 Millionen aufstocken sollen.
Die Forderungen des NABU und der anderen Umweltverbände hin zu einer ökologischen Waldwende wurden nur am Rande gehört. Es dominierte die Forstpartie und der Fokus lag auf den sogenannten Schadflächen. Diese machen immerhin 180.000 Hektar aus, das sind aber nur anderthalb Prozent der Gesamtwaldfläche – und damit nur ein Teil des Problems.
Aufs falsche Pferd gesetzt
Weitgehend ignoriert wird, dass der Klimawandel nicht alleine schuld ist und waldbauliche Fehler die Schäden massiv begünstigen. Die Wälder leiden unter Artenarmut bis hin zu Monokulturen, durchschnittlich viel zu geringem Lebensalter der Bäume, maschineller Bodenverdichtung, Entwässerung und mehr.
„So zu tun, als hätten die letzten zwei Dürrejahre die Katastrophe allein verursacht, ist zu billig. Sie ist auch Folge einer seit Jahrzehnten auf Nadelholz fixierten Forstwirtschaft – in einem Land, das einst von Natur aus flächendeckend von Laubmischwäldern dominiert wurde“, betonen Waldexpert*innen in einem offenen Brief an Julia Klöckner. „Man gibt nicht gerne zu, dass man über 200 Jahre lang auf die falsche Nutzbaumart (Fichte) gesetzt und zudem künstliche, ökologisch hoch instabile und damit hoch risikoreiche Forst-Ökosysteme geschaffen hat. Ein ganzer Erwerbszweig hat sich vom Nadelholz abhängig gemacht.“
Weniger Holz einschlagen
„Aufforsten soll es lösen, während auf der großen Restfläche die Fehler der Vergangenheit fortgesetzt werden“, kritisiert auch Mark Harthun vom NABU Hessen. Eine wichtige Gegenmaßnahme wäre die Verringerung des Holzeinschlags. Dass nicht nur standortfremde Fichten und Kiefern kriseln, sondern mancherorts auch Buchen und Eichen, liegt mit an der Auflichtung durch zu viel Holzeinschlag. Die verbleibenden Altbäume sind Sonne, Wind und Witterung schutzlos ausgesetzt.
Für den Anbau von Fichten, Kiefern oder schnellwachsenden Forstgehölzen anderer Kontinente wie Douglasie, Küstentanne oder Roteiche darf aus NABU-Sicht kein Steuergeld fließen. Die Förderung sollte primär für Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserhaushaltes, die Unterstützung der Naturverjüngung auf Schadflächen und die Totholzmehrung verwendet werden.
Auch unter die Erde schauen
„Das Kapital des Waldes liegt nicht nur im Holz, sondern gerade auch im Boden mit seinen Wasservorräten, Pilzen und Mikroorganismen“, betont Harthun. „Wenn wir die Wälder nicht stabilisieren, werden wir mit dem Reparieren eines Tages nicht mehr hinterherkommen. Weniger wäre mehr: weniger räumen, weniger pflanzen, weniger pflegen, weniger fällen.“
Klimapositiv bis ins hohe Alter
Viele Waldbesitzer argumentieren, der vom Naturschutz geforderte Nutzungsverzicht auf einem Teil der Waldfläche zum Schutz der biologischen Vielfalt sei klimaschädlich. Dahinter steckt die weit verbreitete Annahme, dass in Naturwäldern nach einer kurzen Phase des Vorratsaufbaus der Zuwachs stagniere und sich eine natürliche Balance zwischen Kohlendioxid-Aufnahme (Wachstum) und -Abgabe (Verrottung) einstelle.
Obwohl Studien immer wieder belegen, dass diese althergebrachte Annahme auf einer fehlerhaften Ausgangsbehauptung zur Dynamik von Naturwäldern beruht, hat sie sich in den Köpfen von Forstleuten und Politikern festgesetzt. Tatsächlich reichern ungenutzte Wälder über Jahrhunderte hinweg weiteren Kohlenstoff an und erfüllen dabei zahlreiche weitere Funktionen, sowohl für die Gesellschaft, als auch für die Natur.
Naturnahe Wälder und ihre Böden sind starke Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise. Bäume, die hundert und mehr Jahre alt werden, bieten die Chance, atmosphärischen Kohlenstoff langfristig zu binden. Wälder sind also tatsächlich nicht nur Klima-Opfer, sie können auch Klima-Retter sein. Eine spektakuläre, 2019 vorgelegte Studie der ETH Zürich behauptete sogar, dass ein riesiges weltweites Bewaldungsprogramm zwei Drittel des bisherigen Kohlendioxid-Ausstoßes binden könnte.
Die Berechnungen ließen allerdings einige natürliche Prozesse außer Acht, die dafür sorgen, dass die Netto-Aufnahme durch Bäume deutlich geringer ist. In der praktischen Umsetzung kommt erschwerend dazu, dass gigantische Anstrengungen und ein einiges Handeln der Weltgemeinschaft nötig wären. Beides ist wenig wahrscheinlich.
Langsame Wälder, rascher Handlungsbedarf
Und dann wäre da noch der Faktor Zeit. Auch wenn manche Wälder wie Holzäcker behandelt werden, sie wachsen nicht so schnell wie Rüben oder Getreide. Der Neuaufbau von nennenswerten Kohlenstoffvorräten dauert Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Das ist aber genau die Zeit, die uns fehlt. Nachdem die Politik lange zu wenig getan hat, muss nun umso rascher gehandelt werden, um den Klimawandel in erträglichen Grenzen zu halten.
Was in der Diskussion der Züricher Studie fast unterging: Sie zeigt, welche enormen Mengen Kohlendioxid Wälder schon heute binden. Deshalb gilt es, bestehende, vor allem alte und naturnahe Wälder zu bewahren. Ihre Zerstörung würde den Klimawandel weiter beschleunigen.
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