Kümmern wir uns gemeinsam darum, die faszinierende Vielfalt in unseren letzten lebendigen Wäldern zu bewahren.
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Der Wald ist nicht tot, aber er leidet
Erinnern Sie sich noch? Alles schien so einfach, als vor gut 20 Jahren in Deutschland leidenschaftlich über das Waldsterben diskutiert wurde: Der Regen war sauer und der deutsche Wald starb daran. Bei jedem Waldspaziergang wurde in den Wipfeln nach dem „Lamettasyndrom“ Ausschau gehalten und im Erzgebirge konnte man sich ein Bild von den dort sterbenden Bäumen machen.
Die Schuldigen waren schnell ausgemacht: Schwefeldioxid-Abgase aus der Industrie und den Kohlekraftwerken. Mit den Stickoxiden wurde rasch auch ein zweiter Übeltäter gefunden. Sie entstammen zu mehr als der Hälfte dem Autoverkehr, dessen negative Folgen für die Umwelt damit erstmals in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wurden.
In Verbindung mit Wasser bilden die beiden Stoffe Säuren aus. Diese Säurelast geben sie an die Pflanzen und in den Boden ab. Rasch wurde das großflächige Absterben deutscher Wälder innerhalb weniger Jahre vorausgesagt. Zehn Millionen Bäume pro Jahr, so die Vorhersagen, sollte der Wald alsbald jährlich verlieren.
Waldfreies Deutschland?
Doch bis heute ist der deutsche Wald nicht gestorben. Diejenigen, die schon immer alles besser wussten, sprechen heute von falschem Alarm, wittern Lug und Trug. Grund genug, sich noch einmal genauer mit Waldsterben zu befassen:
Zunächst einmal wurde in den 80er Jahren nicht nur diskutiert, sondern gehandelt. Bereits Anfang 1980 wurden erste rechtliche Regelungen verabschiedet, die zunächst den Schwefeldioxid-Ausstoß aus Fabrikanlagen begrenzten. Auch den Autoabgasen wurde mit der Einführung des zunächst umstrittenen Katalysators zu Leibe gerückt, seit 1989 werden Neuwagen nur noch mit Kat zugelassen.
Zusätzliche Entlastung brachte auch der rasante Wandel der ostdeutschen Industrie Anfang der 90er Jahre. 1982 wurden noch 2,9 Millionen Tonnen Schwefelgase ausgestoßen, heute nur noch ein Zehntel davon. Weniger gut ist die Bilanz bei den Stickoxiden: Sie konnten gegenüber 1990 nur um gut 40 Prozent gemindert werden. Hier werden die teilweise deutlichen Reduzierungen etwa in der Industrie durch das steigende Verkehrsaufkommen konterkariert.
Doch das allein kann die Gesundung wohl nicht erklären. Nach 20 Jahren intensiver Forschung steht auch fest, dass die Bäume damals nicht nur unter dem „Sauren Regen“ litten, sondern auch durch einige überaus trockene Sommer und einen extremen Winter in Mitleidenschaft gezogen wurden. Hinzu kam die forstwirtschaftlich bedingte Umwandlung vieler Wälder in ökologisch instabilere Monokulturen mit nur einer einzigen Baumart. Weitere Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe wie das Ozon, Nährstoff-Mangelerscheinungen und Insektenbefall gaben den Bäumen den Rest.
Große Wälder, kranke Bäume
Blickt man heute auf den Gesundheitszustand des Waldes, so zeigt sich ein gespaltenes Bild. Die Waldfläche in Deutschland hat zugenommen und die Bäume wachsen rasch wie nie. Schlecht bestellt ist es allerdings immer noch um die Gesundheit des Waldes. Seit 1984 wurden noch nie so viele schwer geschädigte Bäume erfasst, wie im Jahr 2004. Nicht mehr nur Tannen und Fichten trifft es, inzwischen ist etwa jede zweite Eiche und Buche schwer geschädigt.
Immer noch ist ein Mix aus vielen Faktoren dafür verantwortlich. Mitteleuropa wurde in den letzten Jahren immer wärmer und die Verteilung des Regens veränderte sich. Die Bäume müssen sich daran anpassen und sind dabei besonders anfällig. Und jede Erholung der Bäume wird durch hohe Ozonwerte im Sommer und die Stickstoffeinträge aus der industriellen Landwirtschaft und dem Verkehrssektor erschwert oder gänzlich unterbunden.
Unser Wald ist also immer noch schwer krank. Heute wie damals ist eine Mischung aus natürlichen und menschlichen Einflüssen dafür verantwortlich. Dazu zählen die Pflanzung falscher Baumarten, die vielerorts noch vorherrschenden Monokulturen, die unverändert hohen Belastungen mit Luftschadstoffen aus Verkehr und Landwirtschaft sowie der unbestreitbare Klimawandel. Damit der Wald eine Chance hat, sich auf diese Veränderungen einzustellen und nicht wieder auf das Sterbebett zurück zu sinken, müssen wir diese Belastungen entschieden reduzieren.
Jörg-Andreas Krüger