Ringelgans - Foto: Frank Derer
Kompromiss an der Küste
Das Schutzgebiet Leyhörn entstand beim Deichbau
Als Mitte der 60er Jahre, angesichts der Katastrophen in Holland und Hamburg, erstmals über zusätzlichen Hochwasserschutz vor Greetsiel diskutiert wurde, hatte der Naturschutz zunächst schlechte Karten. Das größte zusammenhängende Gebiet von Salzwiesen und Wattflächen in der Deutschen Bucht stand auf dem Spiel, denn die Leybucht sollte komplett eingedeicht werden. Damit hätte die Deichlinie auf acht Kilometer mehr als halbiert werden können. Zu den Abpolderungen der Vergangenheit wäre neues Land entstanden - Raum für touristische Infrastruktur und Wassersport.
Erst nach langen Debatten und mit wesentlicher Beteiligung des NABU kam es 1985 zum Kompromiss. Mit der Eindeichung im Watt wurde die schmale, von Wasser geprägte Halbinsel Leyhörn gebaut. Innerhalb der Deichnase entstand bis 2002 das neue Naturschutzgebiet Leyhörn, das auch der Entwässerung der Region dient. Für den Hochwasserschutz in östlicher Richtung wurde der Deich landnah entlang der Leybucht gezogen. „Mit der Einigung werden die Interessen des Naturschutzes, des Tourismus, der Landwirtschaft und der Krabbenfischerei, Ökologie und die wirtschaftlichen Grundlagen der Region berücksichtigt“, ist Insa Steffens vom NABU-Nationalpark-Haus in Greetsiel überzeugt. Ohne diese Regelung sei der Nationalpark in seiner heutigen Form undenkbar. Die innere Leybucht blieb mit rund 3000 Hektar Wasser- und Wattflächen sowie Salzwiesen erhalten. Das Naturschutzgebiet Leyhörn umfasst etwa 600 Hektar, darunter 400 Hektar neu geschaffene Biotope und Wiesen.
Paradies aus zweiter Hand
Die Leyhörn ist ein Brut- und Rastgebiet internationaler Bedeutung, beispielsweise für Nonnen- und Ringelgänse. Austernfischer sind dort ebenso zu beobachten wie die seltenen Löffler. „Seitdem die Schleusentore und Sielklappen an der nordwestlichen Ausfahrt des Gebietes erstmals geschlossen wurden, ist das Leyhörn allerdings auch ein Gebiet im Wandel, ein Paradies aus zweiter Hand“, weiß Insa Steffens. Die Zahl der Säbelschnäbler habe sich von 1000 Tieren halbiert. Dagegen hätten Singvögel wie beispielsweise die seltene Bartmeise oder das Blaukehlchen in dem Gebiet zahlenmäßig erheblich zugelegt.
„Es ist nicht mal mehr Brackwasser zu nennen“, sagt die NABU-Fachfrau zum zurückgehenden Meerwasseranteil in der Leyhörn. Auch Pflanzen wie die Strandaster hätten sich inzwischen darauf eingestellt. Ursache ist das 200 Hektar große Speicherbecken, in dem überschüssiges Oberflächenwasser aus dem Binnenland aufgenommen wird, das weitgehend unter dem Meeresspiegel liegt.
Angebote statt Reglementierung
Klare Verhältnisse zwischen Mensch und Natur sind vom NABU als Gebietsbetreuer mit der Besucherlenkung initiiert worden. Der östliche Deich ist der Entwicklung der Natur vorbehalten, im Westen erholen sich Gäste und Einheimische. "Der NABU setzt dabei auf gezielte Angebote, und nicht auf Reglementierungen", unterstreicht Insa Steffens. Zu diesen Angeboten zählen die beiden Schutzhütten, die Eduard Morawski, Tischler und Vorsitzender des NABU Altkreis Norden gemeinsam mit vielen anderen Ehrenamtlichen für die Beobachtung der Vogelwelt errichtet hat.
Die einzigartige, weil barrierefreie Hütte an der deutschen Nordseeküste steht an den Kleipütten, die bei der Entnahme des Deichbaumaterials entstanden und mit 80 Hektar ebenfalls Teil des Naturschutzgebietes sind. Die Rampe ist von Rollstuhlfahrern und Eltern mit Kinderwagen gut zu überwinden. Vor beiden Schutzhütten, die zweite steht weiter östlich im Leyhörn. Von beiden Standorten übertragen ferngesteuerte Webcams ständig Bilder vom ungestörten Leben der Vogelwelt in das Nationalpark-Haus in Greetsiel und weltweit in das Internet.
(von Ulrich Potthoff)
Nationalparkhaus Greetsiel
Das Nationalpark-Haus des NABU findet sich nur wenige Meter von der Kaianlage entfernt. Dort wartet eine fachliche und dennoch unterhaltsame Ausstellung auf die Besucher. Dazu gibt es umfangreiches Informationsmaterial über den Nationalpark und das Leyhörn.
Als Erlebnisangebote bieten Insa Steffens und ihr Team Führungen durch die Ausstellung, Wattwanderungen, Vogelbeobachtungen, Salzwiesenführungen und Hafenführungen sowie individuelle Angebote für Gruppen oder Schulklassen.
Das Nationalpark-Haus kann während der von April bis Oktober laufenden Saison Mo-Fr von 10 bis 18 Uhr, an anderen Tagen von 11 bis 17 Uhr besucht werden. Im Winterhalbjahr ist das Nationalpark-Haus durchgehend 11 bis 17 Uhr geöffnet. Heiligabend, an den Weihnachtsfeiertagen sowie Silvester und Neujahr ist die Einrichtung geschlossen.
Kontakt: Tel. 0 49 26-20 41, nationalparkhaus@greetsiel.de, http://nationalparkhaus-greetsiel.info.