8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Berg und Tal
Hessische Naturparadiese im Rheingau
von Bernd Pieper
Der Hesse Matthias Beltz, viel zu früh verstorbener Philosoph unter den Kabarettisten, hat des öfteren unschöne Sätze über Heimat und Landsleute geschrieben. Hessen sei Transitland, umzingelt von Deutschen, ohne Zugang zu den Alpen oder dem Meer und damit ohne direkten Kontakt zur Freiheit. Alle Völker der Welt seien durch Hessen getrampelt, ohne bleiben zu wollen, was man verstehen könne - doch spätestens jetzt verwandelt sich das zustimmende Nicken in ein energisches "Einspruch!" gegenüber dem examinierten Juristen Beltz. Es gibt sehr wohl Orte in Hessen, die zum Verweilen einladen.
Zum Beispiel im Rheingau. Mit edlem Riesling, alten Bauwerken und einer lieblich-herben Kulturlandschaft bereits überreich gesegnet, protzt die Region auch noch mit Naturparadiesen. So etwa am Rheinabschnitt bei Eltville, Herzstück des "Important Bird Area" zwischen Mainz und Assmannshausen, Brutgebiet für den Schwarzmilan und Rastplatz für Zwergtaucher, Schellente und Fischadler. Am Hattenheimer Nordufer des Rheins, in unmittelbarer Nähe der Insel Mariannenaue, hat der NABU Hessen rund 21 Hektar Rheinufergrundstücke erworben, alte Weinanbauflächen, die ehemals von der Deutschen Bahn als Ausgleichsflächen für den Bau der ICE-Trasse Frankfurt-Köln gekauft worden waren.
Wer heute an einem warmen Spätsommertag durch die "Grünaue" streift, mag sich an ein Kindheitsparadies erinnert fühlen. Der Verkehrslärm der angrenzenden Bundesstraße 42 wird schon bald vom Gesang der Heuschrecken übertönt. Schmale Pfade führen durch dichtes Brombeergestrüpp, das den direkten Zugang zu den reichlich Früchte tragenden Birnbäumen erschwert. Weißdorn und Wildrosen haben hier ebenso einen Lebensraum wie majestätische alte Eichen, Walnuss-Bäume und Platanen, in deren Höhlen sich eine kleine Dohlenkolonie niedergelassen hat.
Von der Aue zum Auwald
Das ist malerisch, aber insgesamt noch recht artenarm, und deshalb gibt es viel zu tun. "Ein naturnaher Auwald", präzisiert der hessische NABU-Geschäftsführer Hartmut Mai die Perspektive für die "Grünaue". Die Standortbedingungen lassen die Entwicklung einer seltener überfluteten Hartholzaue erwarten, mit Stiel-Eiche, Esche und Bergahorn. Nach der natürlichen Ansiedlung zahlreicher Gehölzarten wurde in Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde die Fläche für Neuanpflanzungen reduziert. Die NABU-Aktiven wollen darüber hinaus dafür sorgen, dass durch ausgehobene Geländevertiefungen das Rhein-Hochwasser künftig länger auf dem Gelände verbleiben kann.
Dann wird auch irgendwann das Blaukehlchen in der "Grünaue" brüten, ein Vogel, der Altwasser und versumpfte Schilf- und Rohrglanzgrasröhrichte liebt - Zielart einer dynamischen Entwicklung, deren Verlauf man unbedingt verfolgen sollte.
Wein und Natur
Auch ein paar Rheinkilometer flussabwärts, in den steilen Hängen oberhalb von Assmannshausen, profitiert die Natur von der Flächenreduzierung im Weinanbau. Ein längst aufgegebener Quarzit-Steinbruch, ein alter Eichen-Niederwald sowie brachliegende, von Trockenmauern durchzogene Weinterrassen prägen das rund sechs Hektar große Gebiet, das der NABU Hessen von einem heimischen Winzer gekauft hat.
Man kann sich dem neuen NABU-Naturparadies vom Assmannshausener Bahnhof aus auf direktem Wege durch die Weinberge in Richtung Frankental nähern. Deutlich interessanter allerdings ist der Weg über das Jagdschloss Niederwald bis zum Niederwalddenkmal, eine Etappe des "Rheinsteiges". Der Aufstieg zum Jagdschloss ist einigermaßen schweißtreibend, als Alternative bietet sich eine Fahrt im Sessellift an. Oben angekommen lässt man den - nur am Wochenende auftretenden - Trubel um Schloss und angrenzenden Wildpark rasch hinter sich und wandert durch knorrigen, von Heidelbeersträuchern durchzogenen Mischwald bis zum Aussichtspunkt "Rittersaal". Dort eröffnet sich eine prächtige Aussicht nicht nur auf das NABU-Schutzgebiet, sondern auf einen der schönsten Mittelrheinabschnitte überhaupt. Nach einer angemessenen Staun- und Schweigeperiode laden schmale Pfade zu - bitte vorsichtig absolvierten! - Entdeckungsreisen ein.
Vielversprechende Perspektiven
Bereits heute finden sich im NABU-Schutzgebiet seltene Arten wie Zippammer, Schlingnatter oder die Blauflügelige Ödlandschrecke. Die offenen, mitunter moosbewachsenen Haldenflächen sollen ebenso wie die alten Weinterrassen und die felsigen Steilwände als Lebensraum wärmeliebender Arten erhalten bleiben. "Auch Uhu oder Wanderfalke werden hier in einigen Jahren brüten", freut sich Hartmut Mai über die vielversprechenden Perspektiven des Naturparadieses.
Die bewaldeten Bereiche des Schutzgebietes will der NABU Hessen sich selbst überlassen, als Keimzelle für die Entwicklung eines kleinen Urwaldes. Die zahlreichen Naturfreunde, die in den kommenden Jahren durch das EU-Vogelschutzgebiet wandern werden, können davon nur profitieren. Auch Matthias Beltz muss das gewusst haben, als er für das "Transitland im Mittelpunkt" ungewohnt milde konstatierte: "Hessen hat schöne Täler und Höhen, Flüsse und Auen". Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Besonderheiten
- Zippammer, Zaun- und Mauereidechse, Wanderfalke
- herrlicher Blick ins Rheintal vom "Rittersaal" und vom Wanderweg Rheinsteig
- Jagdschloss mit Wildpark
Kontakt
NABU Hessen
Friedenstraße 26
35578 Wetzlar
Tel.: 06441. 679 04 - 0
www.NABU-Hessen.de
So kommt man hin
ÖPNV
Bis Bahnhof Assmannshausen oder Rüdesheim (Rhein)
Grünaue: Am östlichen Ortsausgang von Hattenheim am Campingplatz vorbei (öffentlicher Parkplatz) in Richtung Eltville/Rhein.
Rheinhänge Assmannhausen: Vom Bahnhof Assmannhausen durch die Weinberge über den Bohrenweg in Richtung Frankental. Oder zu Fuß/per Sessellift zum Jagdschloss Niederwald und von dort über den Rheinsteig in Richtung Niederwalddenkmal.