Durch Beweidung wird in den Uferzonen der Bewuchs niedrig gehalten. - Foto: Sebastian Hennigs
Vogelparadies an der Havel
Zu Besuch am Gülper See
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Gülper See mit rastenden Wildgänsen - Foto: Sebastian Hennigs
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Für die Beobachtung stehen auch Unterstände zur Verfügung. - Foto: Sebastian Hennigs
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Unter die Gänse mischen sich auch mehr und mehr Silberreiher. - Foto: Sebastian Hennigs
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Kraniche über dem Gülper See - Foto: Sebastian Hennigs
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Die auffällig bunte Sumpfschrecke kommt in den Feuchtwiesen noch häufig vor. - Foto: Sebastian Hennigs
Rund anderthalb Stunden Fahrtzeit von Berlin gelegen, befindet sich mitten in der Unteren Havelniederung der 660 Hektar große Gülper See. Schon auf dem Hinweg halten wir an diesem kalten Herbstmorgen Ausschau nach Kranichen und nordischen Gänsen. Es wurden uns riesige Ansammlungen versprochen, die hier auf dem beschwerlichen Weg in den Süden rasten, um sich Energiereserven anzufressen.
Obwohl sich die Kraniche bereits frühzeitig bei Sonnenaufgang aufgemacht haben, um auf den umliegenden abgeernteten Maisfeldern nach Nahrung zu suchen, herrscht auf dem See noch reges Treiben: Blässgänse, Graugänse, Graureiher und hunderte von Kiebitzen sind zu beobachten. Einige Silberreiher – vor einigen Jahren eine große Rarität, heute aber in der Havelniederung regelmäßig zu sehen –, suchen in den seichten Uferzonen vor der Beobachtungshütte nach Nahrung.
Fingerschnippen aus der Wiese
Aus den feuchten Wiesen tönen die Gesänge der Sumpfschrecken, die sich wie ein kurzes Schnippen mit den Fingernägeln anhören. Auch wenn es nach einem sonnigen Tag mit blauen Himmel aussieht, sind nur wenige Menschen am Gülper See unterwegs – vor allem einige olivgrün gekleidete Naturfreunde, die mit ihren Ferngläsern und Spektiven das Geschehen auf dem Wasser verfolgen. Die süddeutschen Autokennzeichen der Wohnmobile lassen erahnen, welchen hervorragenden Ruf das Gebiet unter Ornithologen hat.
Um ein wenig mehr über den See und das Gebiet zu erfahren, besuchen wir Rocco Buchta, Leiter des „NABU-Projektbüros Untere Havelniederung“ im Haveldörfchen Parey. Der Gülper See entstand in Folge der letzten Eiszeit, bei der Gletscher-Schmelzwasser eine flache Mulde ausgewaschen hat. Ständige Ablagerungen durch das durchfließende Schmelzwasser führten dazu, dass der See heute nur einen bis zwei Meter tief ist.
Kampf mit dem Schlamm
Bis vor 50 Jahren war der Gülper See ein artenreicher Klarwasser-Flachsee. Nährstoffeinträge aus den umliegenden Äckern und aus dem Rhin – einem 125 Kilometer langen Nebenfluss der Havel, der bei Prietzen in den Gülper See fließt – ließen den See jedoch verschlammen und führten zu dramatischen Fischsterben. Die Proteste der Anwohner, die sich über den in heißen Sommern übel riechenden See beschwerten, und das Engagement örtlicher Naturschützer führten bereits zu DDR-Zeiten zu einer teilweisen Entschlammung des Gülper Sees.
„Heute gibt es über den Rhin kaum mehr Einträge“, freut sich Rocco Buchta, „das Wasser ist sauber“. Der Schlamm geht zurück und Sandbänke werden wieder frei. Das Leben dort kommt mit Wasserpflanzen, Muscheln und auch seltenen Fischen zurück.
Rohrdommeln und Seeschwalben
Der Gülper See hat einen großen Strukturreichtum und eine unglaubliche Vielfalt an bestandsbedrohten Tier- und Pflanzenarten. Zu den Brutvögeln gehören unter anderem Rohrweihe, Rohrdommel, Trauer- und Flussseeschwalbe. Im Herbst und Frühjahr rasten mehrere zehntausend Wasservögel, wobei sich die Frühjahrsrast je nach Dauer und Stärke der Überschwemmungen der angrenzenden Havel bis in den Frühsommer ziehen kann.
Vogel-Experten ist der Gülper See seit Jahrzehnten ein fester Begriff, handelt es sich doch um einen der wichtigsten Wasservogel-Rastplätze des mitteleuropäischen Binnenlandes. Seit 1967 sind See und Umgebung auf 1.077 Hektar als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Die Bedeutung des Gülper Sees und der angrenzenden Unteren Havelniederung für die Vogelwelt führte zudem zur Ausweisung als 8.920 Hektar großes „Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“.
Der NABU ist seit längerer Zeit am Gülper See aktiv und besitzt dort auch bereits Teilflächen. Demnächst wird die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe am Gülper See insgesamt 660 Hektar aus bisher bundeseigenen Flächen des Nationalen Naturerbes übernehmen und im Stiftungseigentum dauerhaft für die Natur bewahren.
Watvögel aller Art finden in dieser Zeit am flachen, aufgrund großer Wasserstandsschwankungen und Rinderbeweidung schilffreien Südufer ideale Nahrungsgründe. Typische Arten sind hier Kiebitz, Goldregenpfeifer, Kampfläufer und Bruchwasserläufer. Selbst Doppelschnepfe und Zwergschnepfe sind regelmäßig zu Gast. Im Winter bieten die vielen Sing- und Zwergschwäne eine imposante Geräuschkulisse. Das angrenzende extensiv bewirtschaftete Feuchtgrünland besitzt deutschlandweite Bedeutung als Brutgebiet gefährdeter Wiesenbrüter wie Bekassine, Uferschnepfe und Wachtelkönig.
Einblicke vom Deich
Die im Herbst hier rastenden Wasservögel machen einen Besuch besonders lohnenswert. Allerdings dürfen die unmittelbaren Uferbereiche nicht betreten werden. Von den Deichen nahe der Straße aus kann man das Südufer und den See ausgezeichnet überblicken und regelmäßig auch Seeadler beobachten. Ebenfalls sehenswert ist die aus dem Jahre 1784 stammende Bockwindmühle am Südostufer bei Prietzen, in der sich eine Außenstelle der Ökologischen Station Gülpe der Universität Potsdam befindet. Für Besucher gibt es darüber hinaus einen Naturlehrpfad und mehrere Beobachtungstürme. Der NABU bietet zudem regelmäßig Exkursionen an.
Britta Hennigs und Sebastian Sczepanski
Das Naturschutzgebiet Gülper See im Westhavelland ist ein überregional bedeutsames Vogelrastgebiet. Seit 2010 bewahrt die NABU-Stiftung hier rund 776 Hektar. Neben dem Gülper See selbst gehören Feuchtgrünland, Röhricht und Weidengebüsch zum NABU-Eigentum. Mehr →
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