8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
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Zu Besuch im oberschwäbischen Federseemoor
von Kerstin Wernicke & Stefan Bosch
Schilfstängel wiegen sich im Wind, die aufgehende Sonne lässt Millionen Tautropfen auf den Blättern orangegelb glitzern und leise beginnen Teichrohrsänger, Rohrammern und Bartmeisen ihr Morgenkonzert - ein Frühsommermorgen auf dem Federseesteg ist ein unvergleichliches Naturerlebnis. Bereits 1911 zur Besucherlenkung erbaut führt der Bohlensteg den Besucher anderthalb Kilometer trockenen Fußes durchs Feuchtgebiet. So kann man hautnah den Lebensraum Schilfgürtel des Federsees erleben.
Das Federseemoor ist mit über 30 Quadratkilometern Südwestdeutschlands größtes Moor, ein international anerkanntes Vogelreservat und wertvolles Naturkapital, in dem jährlich 100.000 Kurgäste und Touristen Ruhe und Erholung suchen. 60 Kilometer nördlich des Bodensees in der hügeligen Moränenlandschaft Oberschwabens gelegen, ist es nicht nur ein wichtiges Rastgebiet für Zugvögel, sondern beherbergt landesweit bedeutende Brutvorkommen seltener Arten.
Die Feuchtwiesen und der breite Schilfgürtel rings um den Federsee sind geschützte Lebensräume, die Naturfreunde über attraktive Lehrpfade und Holzstege erkunden können, ohne zu stören. Im Schilf brütet die seltene Rohrweihe und im Winter kommen Gänsesäger, Merlin oder die Kornweihe, für die der Federsee das wichtigste Winterquartier im südlichen Mitteleuropa ist.
Dichtes Röhricht und Moorwälder
Entstanden aus einem eiszeitlichen Schmelzwasserstausee, hat der Federsee heute nur noch eine Wasserfläche von 1,4 Quadratkilometern. Unter den 16 Fischarten ist das Vorkommen des Wildkarpfens bedeutend. Die seltene Schmerlenart Schlammpeitzger hat hier ihren größten Bestand in Baden-Württemberg - dank des ökologischen Grabenpflegekonzeptes des NABU.
Im Mittel ist der Federsee nur einen Meter tief und umgeben von dichten Röhrichten, weitläufigen Streu- und Feuchtwiesen, extensiv genutztem Grünland und naturnahen Moorwäldern. Bedeutend sind die etwa 600 Hektar Streuwiesen, die traditionell noch bis in die 1960er Jahre zur Einstreugewinnung für Viehställe genutzt wurden und heute überwiegend durch Landschaftspflege ihren typischen Charakter behalten. An die Streuwiesen grenzen teilweise naturschonend bewirtschaftete großflächige Feuchtwiesen. Wegen der späten Mahd findet eine große Insektenvielfalt Nahrung, darunter 500 Nachtschmetterling- und 70 Tagfalterarten, die wiederum Nahrung für ein Dutzend Fledermausarten sind, unter ihnen die Bechsteinfledermaus.
Im Frühjahr verwandeln sich die Feuchtwiesen in eindrucksvolle Blütenteppiche. Zehn Orchideenarten und andere seltene Pflanzen wachsen hier, darunter die filigrane Prachtnelke und das Wollgras mit seinen fedrigen weißen Blütenschöpfen. Botanische Raritäten sind Pflanzen, die sich seit der letzten Eiszeit halten konnten und andernorts ausgestorben sind wie das gelbe Karlszepter, die Kriechweide, Strauch- und Moosbirke.
Wiedervernässung mit EU-Hilfe
Sechs Naturschutzgebiete mit 2350 Hektar Fläche liegen im Federseemoor. Dank 265 Vogelarten ist es Europareservat, Europäisches Vogelschutz- und FFH-Gebiet. Seit Jahrzehnten arbeiten hier der staatliche Naturschutz und der NABU eng zusammen, um der entwässerungsbedingten Austrocknung der Feuchtwiesen entgegen zu wirken. Zwischen 1997 und 2002 wurden in einem von der EU geförderten Renaturierungsprojekt große Flächen gekauft und über 250 Hektar wiedervernässt.
Der NABU engagiert sich seit fast 100 Jahren am Federsee. Bereits 1911 erwarb NABU-Gründerin Lina Hähnle erste Naturschutzflächen nördlich von Bad Buchau, auf denen künftig jede Nutzung unterblieb. Inzwischen hat sich dort ein vielfältiger Moorurwald entwickelt. 1987 gründete der NABU das Naturschutzzentrum, das vom Land mit der Betreuung des Gebietes beauftragt ist und über den Sommer 400 Exkursionen, Projekte und Vorträge anbietet. Ein Schwerpunkt sind Schülerprojekte: über zwei Drittel der jährlich rund 17.000 Teilnehmer sind jünger als 18 Jahre.
Seerosen-Sommer und Staren-Herbst
Ganzjährig sind am Federsee kleine Kostbarkeiten zu entdecken: Im Frühling und Sommer brüten Rohrsänger, Braunkehlchen, Bekassine und Großer Brachvogel, die Rohrweihe vollführt akrobatische Balzflüge. Der elegante Sturzflug der Flussseeschwalben lässt sich beobachten, denn dank mehrerer Nistflöße brüten über 20 Paare am See. Im Sommer beherrschen ausgedehnte Blütenteppiche der See- und Teichrosen das Bild und Libellen schwirren durch die Luft. Im Herbst beeindrucken Flugformationen von Starenschwärmen mit 70.000 Vögeln und im Winter suchen 15 Wasservogelarten das Gebiet auf, dazu Raubwürger, Merlin und Bergpieper. Zu jeder Jahreszeit kann man auf dem Steg den Schilfgürtel durchqueren, auf der Aussichtsterrasse im See stimmungsvolle Sonnenuntergänge erleben oder vom Aussichtsturm das Gebiet bis zu den Alpen überblicken. Ein Geheimtipp für Naturfreunde ist der Juni, dann ist sowohl von der Vogelbalz als auch von den Blütenpflanzen einiges geboten.
Wege mit attraktiven Infotafeln und Erlebnispfade führen Spaziergänger und Radfahrer zu den schönsten Stellen. Um den See führen ein 16 Kilometer langer Rad- und Wanderweg und ein archäologischer Moorlehrpfad. Und im Wackelwald kann man Naturtrampolin springen, denn dort wackeln tatsächlich die Bäume, wenn man in den Knien federt. Warum das so ist, erklären Infotafeln auf dem Naturerlebnispfad. Familien, die den Wackelwald auf eigene Faust erkunden, können im NABU-Zentrum Naturerkundungsrucksäcke ausleihen.
Kurzinfo Federsee
NABU-Naturschutzzentrum Federsee, Federseeweg 6, 88422 Bad Buchau, Tel. 0 75 82-15 66, info@nabu-federsee.de, www.nabu-federsee.de.
Öffnungszeiten: April bis Mitte September Di-Fr 13-17 Uhr, Sa, So, Feiertag 11-12 und 13-17 Uhr; im Winterhalbjahr Do 13-17 Uhr. Eintritt frei
Ausstellung Natur am Federsee, Multimedia-Infopunkt, Naturshop, Wildbienenhaus, Aquarium mit Federseefischen, im Frühjahr Kamera-Nistkasten.
Seit 100 Jahren wird am Federsee die Natur geschützt. Der im Jahr 1911 gebaute Federseesteg verbindet seither nachhaltigen Tourismus mit dem Schutz der Moorlandschaft. Ebenfalls vor 100 Jahren begannen die Flächenkäufe zur Sicherung der Federseelandschaft für den Naturschutz. Mehr →