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Das Welterbegebiet Oberes Mittelrheintal
Was für eine Kulisse: Über 65 Kilometer erstreckt sich das enge Mittelrheintal von Bingen bis Koblenz. Spärlich bewachsene, zerklüftete Felsen säumen den Weg, dazwischen immer wieder kleinteilige Weinberge. Wo Nebenflüsse und Bäche münden, drängen sich Städtchen mit Fachwerkhäusern und mittelalterlichen Mauern dicht an den Fluss heran. Und immer wieder Burgen rechts und links; vierzig bis fünfzig, je nach Zählweise.
Romantische Sehnsüchte
Das Mittelrheintal ist großes Landschaftskino, etwas fürs Gemüt und nicht nur fürs deutsche. Neben Brentano und Heine fanden britische Reisende und Künstler wie Lord Byron oder Malergenie William Turner hier ebenso ihre Sehnsuchtslandschaft wie der französische Schriftsteller Viktor Hugo, von dem der Ausspruch stammt, Bacharach sei eine der schönsten Städte der Welt. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde aus der europäischen Rheinromantik eine deutschnationale, der wir trutzige Monumente von der Art des Rüdesheimer Niederwalddenkmals oder des Deutschen Ecks in Koblenz verdanken.
Immerhin, die Vereinten Nationen hat diese Ansammlung überzeugt, 2002 verliehen sie dem Oberen Mittelrheintal das Prädikat Welterbestätte. Da es der "prominenteste Abschnitt" des Stromverlaufs sei, so die Begründung, werde es stellvertretend für den ganzen Rhein ausgezeichnet. Vater Rhein soll sich sehr gefreut haben.
Schiefer aus Meeresboden
Bei aller kulturellen Aufladung: Basis der Rheinromantik ist die Natur und die vielbesungene Loreley bei St. Goarshausen ist am Ende nichts anderes als ein Felsen an einer Flussbiegung - noch nicht einmal ein besonders spektakulärer. Der Fluss durchschneidet hier das Rheinische Schiefergebirge, im Süden Hunsrück genannt, im Norden Taunus und Westerwald. Dessen Gestein besteht - wie der Name schon sagt - zum Großteil aus Schiefern, entstanden vor 400 Millionen Jahren aus Meeresablagerungen. Später hob sich das Ganze beim Aufeinandertreffen zweier Erdplatten empor und wurde zusammengefaltet. An den Felsverläufen kann man das noch heute sehr schön sehen.
Kalter Wisperwind
Vor 15 bis 20 Millionen Jahren kam es zu weiteren Abhebungen und seitdem nagt der Rhein am Fels und schneidet sich dabei immer tiefer ein. Im windgeschützten Tal wirkt der Rhein als mächtiger Wärmespeicher, das Klima ist deshalb besonders angenehm und auch deutlich trockener als in der Umgebung. Dementsprechend kommen hier Tiere und Pflanzen vor, die wir sonst nur aus südlichen Regionen kennen.
Für Naturfreunde lohnte ein Besuch des Mittelrheins auch ganz ohne Burgenromantik. Direkt vor dem Eingang zum Engtal an der Binger Pforte liegt am so genannten Inselrhein das Europareservat Rheinauen, ein wichtiges Rast- und Überwinterungsgebiet, an dem der NABU ein Naturschutzzentrum betreibt. Naturkundlich interessante Lebensräume sind auch die zum Rhein hin entwässernden Bachtäler, darunter das Morgenbachtal kurz hinter Bingen, flankiert von den Burgen Rheinstein und Reichenstein. Geboten wird ein breites Spektrum von Quellfluren, feuchten Schluchtwäldern, trockenheißen Hangwäldern und bizarren Felsen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Wispertal, das auf der rechten Seite bei Lorch mündet. Hier bilden sich sogar eigene nächtliche Kaltwinde aus, die für ein ganz besonderes Klima sorgen. Direkt anschließend folgen lichte, buschartige Traubeneichenwälder an Enweger Kopf und Scheibigkopf, in denen auch der seltene Französische Ahorn gedeiht.
Zippammern in den Weinbergen
Während in den ehemals für die Eichenlohe-Gewinnung bewirtschafteten Niederwäldern noch das Haselhuhn vorkommt, ist die Zippammer der Charaktervogel der sonnenbeschienenen Hänge und Weinberge. Viele Weinberge allerdings wurden aufgegeben, weil die Winzer meist nicht die Preise erzielen, die dem enormen Aufwand entsprächen. Es gibt aber zunehmend Initiativen, den Steillagen-Weinbau wiederzubeleben. Neuanlagen inmitten verbuschter Steilhänge, unter anderem kurz hinter dem Mäuseturm bei Bingen, zeugen davon. Kulturerbe sind eben nicht nur die Burgen, sondern auch die Lebensräume aus Menschenhand.
Ebenfalls ein gewisses Maß an Pflege benötigen die Trockenrasen im NSG "Rheinhänge von Burg Gutenfels bis zur Loreley" samt der schmetterlingsreichen Dörscheider Heide oder am Koppelstein bei Braubach kurz vor Koblenz. Smaragd- und Mauereidechse, Schlingnatter und Segelfalter danken es, wenn Naturschützer sonnige Stellen offen halten und für kleinräumige Vielfalt sorgen.
Gartenschau und Rheinbrücken
Es ist zu hoffen, das die Aufnahme in die Welterbe-Liste hilft, den Charakter des Mittelrheintals und seinen Wert für den Naturschutz dauerhaft zu bewahren. Nicht alle Vorhaben deuten in diese Richtung. Während etwa Bingen sich auf die Landesgartenschau 2008 vorbereitet und dabei an Stelle ausgedienter Gewerbe- und Hafenanlagen eine "Gartenstadt am Fluss" verspricht, gibt es gleichzeitig Pläne, sowohl in Bingen wie auch zwischen St. Goar und St. Goarshausen Rheinbrücken zu errichten und damit massiv in die Mittelrheinkulisse einzugreifen. Das Land Rheinland-Pfalz ist sogar bereit, für die Brücke St. Goar einem privaten Betreiber acht Millionen Euro vorzustrecken. Mit dem Welterbestatus wird das kaum vereinbar sein.
von Helge May
Mittelrhein erleben
Per Rad, per Schiff oder zu Fuß auf dem Rheinstieg
Die Mittelrheinlandschaft kann man vielfältig und in verschiedenen Geschwindigkeiten erfahren. Zur Freude der den Ausblick genießenden Reisenden und zum Leidwesen mancher lärmgeplagter Anwohner ist das Tal mit Straßen und Eisenbahn bestens erschlossen. Fern- und Bummelzüge verkehren zwischen Koblenz und Mainz im Stundentakt. Auf der linken Flussseite gibt es zudem einen durchgehenden Radweg; wer den Fluss queren möchte, dem stehen insgesamt sieben Fähren zur Verfügung. Aus Fluss-Perspektive lässt sich das Tal per Linienschiff und auf Teilstrecken verkehrenden Ausflugsschiffen erleben. Die Fahrt flussabwärts von Rüdesheim bis Koblenz dauert rund vier Stunden, flussaufwärts gegen sechs Stunden.
Wanderer schließlich können neuerdings zwischen zwei Routen wählen, dem bereits hundert Jahre alten Rheinhöhenweg und dem erst 2006 eingeweihten Rheinsteig. Beide führen von Mainz beziehungsweise Wiesbaden nach Bonn, mit dem Mittelrheintal als Kernstrecke. Der 320 Kilometer lange Rheinsteig - markiert mit geschwungenem weißen R auf blauen Grund -, gilt als relativ naturnah und anspruchsvoll. Eine gewisse Grundkondition sollte man also mitbringen. Die Wege sind eher schmal und gerne auch mal steil, Asphalt wird vermieden. Eine "Wanderkarte Rheinsteig" gibt es für 9,50 Euro im Buchhandel.
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