Auf Spurensuche im Regenwald
Zum Schutz bedrohter Sumatra-Tiger, Nashornvögel und Co.: So funktioniert Monitoring in Indonesien
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Sumatra-Tiger im Regenwald - Foto: Thomas Herzog
Unter unseren Gummistiefeln raschelt das Laub, über uns geben die Vögel, Insekten und Gibbons ihr Morgenkonzert zum Besten. Es ist 6 Uhr in der Früh und wir sind unterwegs im Regenwald Hutan Harapan. Schon jetzt ist es schwül-heiß und wir sind schweißgebadet. Wir folgen unseren indonesischen Naturschutzkollegen durch das Waldgebiet im Herzen der Insel Sumatra.
Mit guten Ohren forscht sich’s besser
Wer im indonesischen Regenwald forschen will, braucht neben Geduld und Artenkenntnis vor allem eins: ein gutes Gehör. Überall zwitschert und raschelt es im dichten Blätterdach und doch bekommt man nur selten Tiere zu Gesicht. Fadlurrahman, kurz Aman, ist Teil des Forschungsteams im Waldschutzprojekt Hutan Harapan und weiß das nur zu gut. „90 Prozent Hören, 10 Prozent Sehen“ erklärt er, während wir so leise wie möglich durch den Wald schleichen. Er und sein Team erforschen die Artenvielfalt des Gebiets, um daraus die Gesundheit des Waldes abzuleiten – und dessen Entwicklung über die Zeit.
„Das war ein Hornvogel. Und das ein Bülbül“, pfeift uns Aman vor. Der Biologe erkennt die meisten Vögel der Region am Gesang. „Wenn wir Vogelarten identifizieren, tragen wir sie über das Tablet für diesen GPS-Standort ein. So gehen wir regelmäßig durch den Wald, nehmen Vogelgesänge für spätere Analysen auf und sammeln Daten darüber, wo sich welche Arten aufhalten.“
Die Fülle an Arten im Wald zeigt sich oft erst auf den zweiten Blick. Aman führt uns zu einem Baumstamm voller Kratzer: „Diese Bäume beklettern Malaienbären am liebsten, weil sich in ihren Kronen gerne Bienen ansiedeln.“ Unterwegs kreuzen wir Ameisenstraßen und die Schlammgruben von Wildschweinen. Als wir den Wald verlassen und ein Stück auf dem anliegenden rot-staubigen Weg laufen, bekommen wir große Augen. Aman deutet auf eine Folge runder Spuren: „Hier war gestern Nacht ein Elefant unterwegs.“
Arten und Lebensräume unter Druck von allen Seiten
Auch die Gefahren für den Regenwald hinterlassen ihre Spuren. Auf dem Weg zurück ins Camp halten wir spontan an einer abgebrannten Fläche. Erst gestern haben Aman und seine Kollegen hier einen Waldbrand gelöscht. „Dieses Feuer wurde sehr wahrscheinlich von Wilderern gelegt, die sich den Zugang zum Wald erleichtern wollten“, erzählt er und zeigt auf einen angrenzenden Trampelpfad ins Dickicht. „Von hier aus dringen sie vermutlich in den Wald ein.“ Auch das ist Teil seiner Arbeit: Waldbrände möglichst frühzeitig erkennen und löschen und Wilderei entgegenwirken. Beides keine ungefährlichen Unterfangen.
Deshalb hütet das Forschungsteam seine Daten auch besonders sorgfältig. „Wir müssen mit der Veröffentlichung der Ergebnisse sehr vorsichtig sein“, sagt Aman. „Informationen darüber, wo sich seltene Arten im Wald aufhalten, sollten nicht in falsche Hände geraten.“ Besonders gefährdete Arten wie Nashornvögel und Sumatra-Tiger könnten sonst zum Ziel für Wilderer werden.
Während des Mittagessens nehmen wir eine weitere Bedrohung wahr: Neben den Geckos, Spechten und Languren hören wir auch die Arbeiten in den Palmölplantagen. Das Camp mit den Büros und Unterkünften liegt am Rand von Hutan Harapan. Nur eine holprige Feldstraße trennt den Wald von den umliegenden Plantagen. Wie eine grüne Insel liegt das Schutzgebiet in einem Meer aus Monokulturen, an deren Stelle einst artenreiche Regenwälder standen. 98 Prozent seiner Tieflandregenwälder hat Sumatra bereits durch Abholzung verloren, getrieben durch die weltweite Nachfrage nach Ressourcen wie Palmöl, Holzfasern und Industriemetallen, auch aus Deutschland.
Wissen für den Schutz der grünen Insel
Am Nachmittag schauen wir auf Karten des Waldes. Das Projektgebiet ist fast 100.000 Hektar groß und sehr weitläufig. „Der tiefe Urwald im Inneren ist viel dichter und viel schwerer zu erreichen als die Waldgebiete am Rand“, erzählt meine Kollegin Hyeun-Ji Lee. Sie ist beim NABU für das Biodiversitätsmonitoring im Projekt zuständig und arbeitet eng mit dem indonesischen Forschungsteam zusammen. Seit 2007 unterstützt der NABU den Schutz von Hutan Harapan, um einen der letzten Tieflandregenwälder Sumatras vor der Abholzung zu bewahren.
Die schwere Erreichbarkeit der inneren Waldgebiete ist ein Segen für die Tiere und Pflanzen, da sie so sicherer vor äußeren Einflüssen wie Wilderei und illegaler Abholzung sind. Gleichzeitig erschwert das auch die Forschungsarbeit. Deshalb kommen in diesen Bereichen Kamerafallen zum Einsatz. Sie erlauben die Beobachtung von Arten, ohne selbst vor Ort zu sein. „Um eine Kamerafalle anzubringen oder auszulesen, ist das Team einen ganzen Tag unterwegs. Doch die Mühe lohnt sich“, sagt Hyeun-Ji. „Dank der Kamerafallen konnte zum Beispiel Tapir-Nachwuchs im Wald nachgewiesen werden.“
Den Abend lassen wir an einem See im Camp ausklingen. Während wir Gleithörnchen am Waldrand beobachten, frage ich Hyeun-Ji, warum Artenforschung eigentlich so wichtig für den Schutz von Hutan Harapan ist. „Nur Wissen macht Naturschutz möglich“, erwidert die promovierte Biologin. „Die Daten zu Vorkommen, Populationsdichte und Verbreitung helfen uns dabei, die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen wie Anti-Wilderei-Arbeit oder die Reduzierung von Mensch-Wildtier-Konflikten zu beurteilen und zu entwickeln.“ Mit Einbruch der Dunkelheit heißt es für uns wieder „ab in die Gummistiefel“. Dieses Mal folgen wir dem Abendkonzert der Frösche in den Wald.
Anna Wenzel (aus Naturschutz heute 4/24)
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