Wenn die Regenzeit ausbleibt
Nachhaltige Landwirtschaft für ein Klima im Wandel
Die sanft geschwungenen Bergketten im Biosphären- und Naturreservat Amani in den Usambara-Bergen im Norden Tansanias sind durchzogen von alten Regenwaldbeständen. Expert*innen schätzen, dass die Wälder über 30 Millionen Jahre alt sind. „Das Gebiet ist für Naturliebhaber*innen der siebte Himmel, voller endemischer Arten. Es gehört zu den weltweiten Biodiversitäts-Hotspots“, sagt Emmanuel Mgimwa, Direktor der NABU-Partnerorganisation Nature Tanzania. Eine große Bedeutung hat das Territorium auch für die hier ansässigen Menschen. Über 80 Prozent der Bewohner*innen in der Region leben von den Gewürzbäumen, die in dem Agroforstsystem mit natürlichen Wäldern koexistieren.
Aktuell ist Emmanuel Mgimwa im über 80 Quadratkilometer großen Biosphären- und Naturreservat häufig unterwegs, um sich über die Fortschritte des Projekts AfriEvolve zu informieren. Gerade besucht er gemeinsam mit Projektpartner*innen aus Kenia, Uganda, Tansania und Deutschland die Projektfläche für nachhaltigen Anbau von Gewürznelkenbäumen. Die Partner*innen wollen voneinander lernen, für einen wirksamen Naturschutz, der die Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen schützt.
Gegen die Existenznot
„Unser länderübergreifendes Projekt AfriEvolve, das der NABU ins Leben gerufen hat, hat sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam die Kapazitäten grüner NGOs in Ländern Ostafrikas und Westafrikas weiterzuentwickeln“, erklärt Mgimwa. Die sechs NGOs, zu denen auch Nature Tanzania gehört, wollen im engen Austausch bessere Organisationsstrukturen aufbauen und regionale Naturschutzprobleme effektiver angehen.
Außerdem wird in den sechs Ländern auf Pilotflächen Climate Smart Agriculture (CSA) als Technik mit lokalen Bäuerinnen und Bauern getestet. Die an den Klimawandel besser angepasste Landwirtschaft soll mit höheren Erträgen zur Ernährungssicherheit beitragen und gleichzeitig Treibhausgasemissionen reduzieren.
Trend zur Trockenheit bedroht die Lebensgrundlage
Denn die Menschen, die in dieser Region Nelken, Zimt und Pfeffer anbauen, spüren die Klimakrise tagtäglich. „Sie klagen über neuen und häufigen Befall von Krankheiten und Schädlingen“, so Mgimwa, der große Hoffnungen in den CSA-Ansatz setzt. Trocken- und Regenzeiten sind durcheinandergeraten, und manchmal bleibt die Regenzeit ganz aus. Niedrige Erträge sind die Folge. Somit ist die Situation für die Menschen hier längst existenzbedrohend und führt auch in anderen Ländern Afrikas zu Armut und Migration.
Was CSA konkret bedeuten kann, erfährt die Delegation um Emmanuel Mgimwa am Rande der Anbaufläche für Nelkenbäume, die bis zu zehn Meter hoch werden können – echte CO₂-Speicher der Zukunft. Gerade zeigen zwei Landwirt*innen, wie sie Biodünger herstellen, durch den die Ernten bereits deutlich gestiegen sind. Carol Kabilou ist beeindruckt. Sie vertritt den Projektpartner Nature Kenya. Einige erlernte Methoden plant sie, mit nach Hause zu nehmen: „Biodünger benutzen unsere Farmer*innen bisher nicht. Das Wissen möchte ich mit ihnen teilen.“
Nicht abwarten, aber Kakao trinken!
Über 4.700 Kilometer weiter westlich finden ebenfalls AfriEvolve-Austauschtreffen statt, in Burkina Faso, Ghana und der Elfenbeinküste. Eine, die das neue Wissen förmlich aufsaugt, ist Edwige Bosso. Sie arbeitet als Field Officer für CSA beim Projektpartner SOS Forêt in der Elfenbeinküste. Seit einem Praktikum lässt sie der Naturschutz nicht mehr los. Bei AfriEvolve kümmert sie sich vor allem um nachhaltigen Kakaoanbau und Bienenzucht. Die dazugehörigen Pilotflächen befinden sich in einem 100 Quadratkilometer großen Natur- und Vogelparadies an der Küste des Golfs von Guinea, dem Azagny-Nationalpark.
Die positiven Effekte, die CSA in der Region entfaltet, fasst Edwige so zusammen: „Diese nachhaltige Methode unterscheidet sich zum Beispiel dadurch, dass Landwirt*innen für den Kakaoanbau nicht mehr wie in der konventionellen Landwirtschaft den Wald abholzen, sondern den Großteil des Naturbestandes belassen. Das bedeutet nicht nur Schatten und mehr Vegetation – beides gut für den Boden –, sondern auch mehr Bäume für die Tier- und Pflanzenwelt und eine zusätzliche Obsternte. Diese können sie vermarkten und bilden eine weitere Einkommensquelle für die Landwirt*innen.“ Edwige Bosso hat eine klare Vision, was sich bis zum Ende dieses Jahrzehnts ändern soll: „Bis 2030 werden wir CSA in der gesamten Umgebung des Azagny-Nationalparks sehen!“
Emmanuel Mgimwa und Edwige Bosso wünschen sich, dass das Projekt AfriEvolve, das offiziell Ende 2023 ausläuft, fortgesetzt wird. „Denn wir bringen durch CSA unseren Bäuerinnen und Bauern bei, Landwirtschaft naturfreundlich zu betreiben, und bieten ihnen trotz Klimakrise eine langfristige Perspektive“, sagt Edwige Bosso.
Über das Projekt
Das Projekt „AfriEvolve – Kapazitätsentwicklung für grüne NGOs in Afrika“ wird unter Leitung des NABU mit sechs BirdLife-Partner*innen in Kenia, Uganda, Tansania, Burkina Faso, Ghana und der Elfenbeinküste umgesetzt. Es wird durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und den NABU finanziell gefördert.
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