Häufig gestellte Fragen zur biologischen Vielfalt weltweit
Alles von Biopiraterie bis Zielverfehlung
Wie ist die Lage der biologischen Artenvielfalt weltweit?
Man geht von weltweit bis zu zehn Millionen Arten von Lebewesen aus, aber nur knapp zwei Millionen sind bereits beschrieben – und selbst für diese existieren oft nicht genug Daten. Dennoch muss man davon ausgehen, dass die Vielfalt von Arten und ihren Lebensräumen weltweit stark bedroht ist. Viele Arten sterben aus, bevor sie überhaupt entdeckt werden. Global stehen (Stand September 2020) über 30.000 Arten als gefährdet auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (Englisch: International Union for Conservation of Nature, IUCN).
Laut dem Bericht des Weltbiodiversitätsrates von 2019 (auch IPBES-Bericht genannt) ist innerhalb der bisher ausreichend untersuchten Tier- und Pflanzengruppen (darunter Wirbeltiere, Wirbellose und Pflanzen mit Lebensräumen an Land Land, im Süßwasser und im Meer) durchschnittlich jede vierte Art vom Aussterben bedroht. Von den Amphibienarten – dazu gehören beispielsweise Frösche, Kröten und Salamander – sind sogar über 40 Prozent vom Aussterben bedroht, außerdem beispielsweise ein Drittel aller riffbildenden Korallen, ein Drittel aller Hai-Arten, und über ein Drittel der Meeressäugetiere. Die aktuellsten Schätzungen gehen davon aus, dass rund zehn Prozent aller Insektenarten vom Aussterben bedroht sein dürften. Insgesamt schätzen die Wissenschaftler*innen, dass von rund acht Millionen Pflanzen- und Tierarten (davon sind 75 Prozent Insektenarten), rund eine Million Arten akut vom Aussterben bedroht ist.
Besorgniserregend ist, dass trotz vielfältiger Bemühungen und einzelner wichtiger Erfolge bei der Rettung von Arten die globale Rote Liste immer länger wird. Die Korallen sind dabei die Artengruppe, deren Bestände weltweit am schnellsten einbrechen.
Gleichzeitig hat nicht nur die Anzahl der Arten, sondern auch die Häufigkeit der einzelnen Tier- und Pflanzenarten dramatisch abgenommen: zwischen 1970 und 2006 weltweit um fast ein Drittel. Unsichtbar für die meisten Menschen schreitet auch die Überfischung der Meere voran: 33 Prozent der weltweiten Fischbestände gelten laut dem Weltbiodiversitätsbericht (IPBES-Bericht 2019) als überfischt. Wird dieser Raubbau nicht gestoppt, droht die Fischerei weltweit zu kollabieren und mit ihr die Existenzgrundlage von hunderten Millionen von Menschen.
Ein Hauptgrund für das Verschwinden von Arten ist die Zerstörung, Zerschneidung und Veränderung ihrer Lebensräume: In den meisten Teilen der Erde geht sowohl deren Ausdehnung als auch ihre Qualität zurück. Süßwasserlebensräume, Salzmarschen, Korallenriffe und Muschelbänke zeigen besonders starke Rückgänge. Auch der Verlust von tropischem Regenwald und Mangroven schreitet voran, obwohl er in einigen Regionen deutlich verlangsamt werden konnte. In Europa sind besonders die typischen Lebensräume der Agrarlandschaft bedroht: Nur rund 24 Prozent der von der EU besonders geschützten Lebensraumtypen sind in einem guten Erhaltungszustand. Verantwortlich hierfür ist maßgeblich die Intensivierung der Agrarlandschaft: der Umbruch von artenreichem Grünland, die Monotonisierung der Landschaft und damit einhergehende Nährstoff- und Pestizidbelastung oder der Verlust an ökologischen Rückzugsflächen schreiten weiter voran. Die gegenwärtige Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU führt dazu, dass die hohen Mengen an Steuermitteln, die vor allem als Direktinvestitionen an die Landwirt*innen fließen, für Maßnahmen ausgegeben werden, die diesen Trend weiter befördern.
Welche Arten sind bereits ausgestorben?
Hierzu steht ein NABU-Hintergrundpapier zum Download zur Verfügung mit Beispielen von in Deutschland und weltweit ausgestorbenen Tier- und Pflanzenarten. Außerdem stellen wir einige davon mit genaueren Porträts und Abbildungen vor:
Zum Herunterladen: NABU-Hintergrundpapier
Mehr über ausgestorbene Arten
Wie ist die Lage der biologischen Vielfalt in Deutschland?
Im März 2020 legte die Bundesregierung ihren Bericht zur „Lage der Natur“ vor. Daraus geht hervor, dass auch in Deutschland die Lage der Artenvielfalt weiterhin besorgniserregend ist.
Zum Beispiel in der Vogelwelt: Seit 1980 hat der Bestand an Feldvögeln um über ein Drittel (- 34 Prozent) abgenommen. In den letzten 40 Jahren ging der Bestand der Rebhühner in Deutschland um 91 Prozent zurück, der Bestand der Kiebitze um 93 Prozent und die Feldlerche hat weniger als die Hälfte der Brutpaare von 1980. Auch die Turteltaube – Vogel des Jahres 2020 – kämpft mit schwerwiegenden Verlusten: Von einst über 150.000 Brutpaaren gibt es heute gerade mal noch gute 16.000 in Deutschland. Die Liste an Verlusten in der Vogelwelt ist lang. In der intensiv bewirtschafteten Landschaft finden zahlreiche Vogelarten kaum mehr Nahrung und geeignete Brutplätze. Die einzige gute Nachricht hier: In Siedlungen und Wäldern ist der Gesamtbestand der Vögel weitgehend stabil geblieben. Auch für andere Arten zeichnet der Bericht ein dramatisches Bild: Fast drei Viertel aller Arten sind entweder in einem unzureichenden oder schlechten Erhaltungszustand. 25 von 37 in Deutschland vorkommenden Säugetierarten, die laut EU-Naturschutzrecht besonders schützenswert sind, befinden sich in einem schlechten oder unzureichenden Erhaltungszustand. Dazu zählen beispielsweise der Feldhamster und viele Fledermausarten.
Das hängt auch mit der fortschreitenden Zerstörung der Lebensräume vieler Arten zusammen. In weiten Teilen Deutschlands sind mehr als 80 Prozent der Lebensraumtypen in einem ungünstigen Erhaltungszustand. Besonders dramatisch ist die Lage bei den Lebensraumtypen der Binnengewässer, des Grünlands und den Lebensraumtypen der deutschen Ostsee. Wichtige Lebensräume wie artenreiche Wiesen werden in Maisäcker umgewandelt, alte Eichenwälder werden zu Holzplantagen und die letzten Sanddünen im Binnenland wuchern zu, weil ihnen die traditionelle Beweidung fehlt.
In Deutschland sind insgesamt bisher etwa 48.000 Tier- und etwa 10.300 Pflanzenarten bekannt. Für einige hat Deutschland eine besondere internationale Verantwortung – wenn ein großer Teil oder gar der gesamte Weltbestand der Art nur bei uns vorkommt, rastet oder überwintert. Dies ist zum Beispiel beim Rotmilan der Fall, bei durchziehenden oder überwinternden Gänsen im Wattenmeer oder dem Breitblättrigen Knabenkraut, einer Orchideenart.
Beim genaueren Blick zeigt sich auch, dass selbst Arten, die noch überall vorzufinden sind, wie die Rotbuche oder die Eiche zwar nicht in ihrem Bestand bedroht sind, aber ganze Altersklassen fehlen: Die Nutzung durch den Menschen hat zwar die Art erhalten, aber alte Bäume über 120 Jahre und damit alle Arten die diese alten Bäume zum Leben brauchen fehlen weitestgehend. Eichen können beispielsweise über 850 Jahre alt werden.
Gleichzeitig konnte der Naturschutz in den letzten Jahrzehnten jedoch auch einige große Erfolge erzielen. Aus der Roten Liste entlassen wurden unter anderem Arten wie Fischotter, Biber, Schwarzstorch, Seeadler, Uhu und Kormoran. Auch die Rückkehr des Wolfs ist ein großer Erfolg. Dies ist vor allem dem Rückgang von Umweltgiften, striktem Artenschutz sowie der Ausweisung von Schutzgebieten zu verdanken. Es konnte auch bewiesen werden, dass die EU-Vogelschutzrichtlinie wirkt: Arten, die von ihr besonders berücksichtigt werden, entwickeln sich besser als andere. Außerdem geht es diesen Arten im Schnitt besser als außerhalb der EU. Doch nur bei einer ausreichender Finanzierung und Umsetzung, sowie einer angepassten Landnutzungspolitik auch außerhalb von Schutzgebieten können die EU-Richtlinien ihr volles Potential entfalten.
Zusammenfassung des NABU zum Bericht zur „Lage der Natur in Deutschland“ 2020
Ist das Aussterben von Arten nicht ganz normal?
Es hat zwar schon immer ein natürliches Aussterben von Arten gegeben, vor allem in Zeiten des Klimawandels (zum Beispiel am Übergang zwischen Warm- und Eiszeiten) oder durch Meteoriteneinschläge (vermutlich Ursache des Aussterbens der Dinosaurier) und Vulkanausbrüche. Die Geschwindigkeit des Artensterbens in unserer Zeit ist aber vermutlich 100- bis 1000-fach größer als die natürliche Rate. Ein entscheidender Unterschied ist auch, dass das heutige Artensterben menschengemacht ist. Der Mensch hat es in der Hand, dies zu ändern und dadurch auch sich selbst vor einer existenziellen Krise zu bewahren.
Was sind die Ursachen des Artensterbens?
Als Ursachen für den rapiden Verlust an biologischer Vielfalt, den wir derzeit erleben, nennt die Wissenschaft die folgenden fünf Hauptfaktoren:
- Umwandlung und Zerstörung von Lebensräumen, zum Beispiel von tropischen Regenwäldern Südostasiens durch Palmölplantagen oder hierzulande von artenreichem Grünland durch Maisäcker
- Ausbeutung und Übernutzung, zum Beispiel Überfischung oder illegale Jagd auf geschützte Arten wie Elefanten, Wale oder Zugvögel
- Umweltverschmutzung, zum Beispiel durch giftige Stoffe bei der Förderung von Rohstoffen und fossilen Energieträgern oder durch Plastikmüll im Meer, der von Seevögeln verschluckt wird
- Invasive gebietsfremde Arten, zum Beispiel die Tötung von Albatrosküken durch Ratten auf Hochseeinseln oder die Verdrängung einheimischer Pflanzen- und Tierarten durch einwandernde
- Klimawandel, zum Beispiel das Absterben von Korallenriffen durch Änderungen von Temperatur und Säuregrad des Meeres oder der Lebensraumverlust für kälteliebende Arten im Gebirge und in der Arktis
Warum brauchen wir Naturschutz für den Kampf gegen den Klimawandel?
Die Natur ist unsere beste Partnerin bei der Eindämmung des Klimawandels – solange wir sie schützen. Intakte Wälder, Feuchtgebiete und Meere nehmen gigantische Mengen an Kohlendioxid (CO2) auf. Werden jedoch Wälder abgeholzt, Moore entwässert oder Grünland umgebrochen, so werden diese Treibhausgase wieder frei, was zur Erderwärmung führt. Allein die Vernichtung der Tropenwälder ist für ein Fünftel aller CO2-Emissionen weltweit verantwortlich.
Gleichzeitig schützt uns die Natur vor extremen Wetterereignissen, die sich schon jetzt als Vorboten des Klimawandels ankündigen. Mangroven und Korallenriffe mildern die Zerstörungskraft von Sturmfluten, Bergwälder schützen vor Lawinen, naturbelassene oder renaturierte Flussläufe vermindern die Hochwassergefahr für menschliche Siedlungen.
Mehr zu den NABU-Klimaschutz-Aktivitäten
Welche Ziele haben sich die Staaten für den Erhalt der biologischen Vielfalt gesetzt?
Das weltweite Artensterben wurde durch die vorigen Ziele nicht gestoppt, weshalb im Jahr 2010, dem Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt, neue Strategien entwickelt wurden. Auf der Weltnaturschutzkonferenz in Nagoya (CBD COP 10) im Oktober 2010 beschlossen die Staaten der Welt einen Katalog von 20 ambitionierten „Unterzielen“ (die sog. „Aichi Targets“), die bis 2020 erreicht werden sollten um den Artenschwund zu stoppen und die Ökosysteme der Welt zu stabilisieren. Auf der COP 11 in Hyderabad wurde dazu eine Reihe von Indikatoren verabschiedet. Das Bundesamt für Naturschutz stellt diese Ziele vor.
Die EU-Mitgliedsstaaten wollten im Rahmen der im Jahr 2011 veröffentlichten Biodiversitätsstrategie bis zum Jahr 2020 das Artensterben nicht nur stoppen, sondern den Zustand der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme soweit wie möglich verbessern. Dieses Ziel haben sie leider verfehlt, wie die EU-Kommission selbst feststellen musste. Im Mai 2020 hat die EU-Kommission daher eine neue EU-Biodiversitätsstrategie vorgelegt, die bis 2030 laufen soll. Zusammen mit seinem Dachverband BirdLife Europe hält der NABU diese Strategie für ambitioniert. Insbesondere ein verbindliches Renaturierungsziel oder neue Vorgaben für den strengen Schutz von 10% der Fläche der EU-Mitgliedstaaten und 10% artenreiche Landschaftselemente in der Agrarkulisse könnten wichtige Hebel sein, wenn sie von den Mitgliedstaaten auch umgesetzt werden.
NABU-Analyse der EU-Biodiversitätsstrategie 2012
NABU-Analyse der EU-Biodiversitätsstrategie 2015
NABU-Analyse der EU-Biodiversitätsstrategie 2020-2030
Was haben die bisherigen Anstrengungen bewirkt und warum reichen sie nicht aus?
Spätestens seit der Verabschiedung der Konvention über die biologische Vielfalt im Jahr 1992 gibt es eine Vielzahl von weltweiten Initiativen zur Rettung der Artenvielfalt - und auch eine ganze Reihe von Erfolgen zu verzeichnen. Vor allem wurden immer mehr Schutzgebiete ausgewiesen. In Europa haben die Bestände vieler Tierarten begonnen sich zu erholen, dank effektiver EU- Naturschutzrichtlinien und des Schutzgebietsnetzes Natura 2000, das sich mittlerweile auf fast ein Fünftel der Landfläche der EU erstreckt. Eine Studie, die dies eindrucksvoll belegt, hatte der NABU im Herbst 2013 vorgestellt. Es gibt drei wesentliche Gründe für die dennoch dramatische Lage der Artenvielfalt:
- Erstens werden viele der existierenden Naturschutzinstrumente noch nicht konsequent umgesetzt, so existieren viele Schutzgebiete nur auf dem Papier. Auf den Weltmeeren müssen die meisten Gebiete sogar erst noch abgegrenzt werden. Der NABU setzt sich aktiv für den Erhalt der EU-Naturschutzrichtlinien ein, die im Rahmen des sogenannten Fitnesschecks auf den Prüfstand gestellt wurden (lesen Sie hier mehr dazu).
- Zweitens fehlt es allerorten an Geld beziehungsweise das verfügbare wird zum Schaden der Natur ausgegeben. Gerade die reichen Industriestaaten müssten den armen Ländern deutlich mehr dabei helfen, Naturschutzmaßnahmen umzusetzen. Schließlich hat der „Norden“ in den vergangenen Jahrhunderten zum großen Teil auf Kosten der Natur im „Süden“ gelebt – und tut dies zum Teil immer noch. Deutschland und andere reiche Länder geben aber trotz anderslautender Beschlüsse immer noch große Mengen an Steuergeldern für umweltschädliche Subventionen aus, z.B. im Agrar- und Fischereisektor. Dies schafft Anreize, die Ausbeutung der Natur immer weiter zu treiben. Aus diesem Grund wurde während der COP 12 in Korea ein Fahrplan verabschiedet, der vorsah, Finanzhilfen für Länder des globalen Südens bis 2015 zu verdoppeln und bis 2020 mindestens auf diesem Niveau zu halten.
In Europa erhalten Landwirt*innen und Waldbesitzer*innen, die sich gezielt um bedrohte Arten kümmern wollen, dagegen immer noch zu wenig staatliche Unterstützung. Drittens ist es bisher nicht gelungen, die Belange der für den Menschen lebensnotwendigen Artenvielfalt (und einer gesunden Umwelt überhaupt) in unser Wirtschaftssystem zu integrieren. Noch immer geht das von allen Regierungen angestrebte Wirtschaftswachstum meist zu Lasten der scheinbar kostenlos und unbegrenzt zur Verfügung stehenden Naturressourcen und des Klimas – eine Hypothek für die kommenden Generationen, die öffentlichen Kassen, aber auch die Zukunft der Wirtschaft selbst.
Kommen Deutschland und die EU ihren internationalen Verpflichtungen im Naturschutz nach?
Mit Unterzeichnung der CBD hat sich Deutschland, ebenso wie alle anderen EU-Mitgliedsstaaten dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt sowie dem gerechten Vorteilsausgleich verpflichtet. Seit 2007 besitzt Deutschland eine ambitionierte Nationale Strategie zu Biologischen Vielfalt, die EU hat wenig später, im Jahr 2011, ebenfalls eine Strategie mit Zielen bis 2020 beschlossen. Da die Ziele bis dahin nicht erreicht wurden, folgte im Mai 2020 eine neue EU-Biodiversitätsstrategie, die bis 2030 laufen soll.
Gemeinsam mit den anderen Umwelt- und Naturschutz-NGOs im BirdLife-Netzwerk bewertet der NABU regelmäßig die Fortschritte bei der Umsetzung der EU-Strategie. Eine erste Analyse für die Periode 2010-2012 wurde 2012, eine zweite Analyse im Rahmen des Zwischenberichts der EU-Kommission 2015 veröffentlicht. Kurz vor Ende der bis 2020 laufenden EU-Biodiversitätsstrategie ließ BirdLife Europe erneut untersuchen, inwieweit welche Ziele erreicht oder verfehlt wurden (Fortschrittsbericht 2012-2018 verfügbar auf Englisch, veröffentlich Mai 2019). Die Analysen zeigen in erster Linie, dass der Schutz von Arten und Lebensräumen nur dort funktioniert, wo die EU-Naturschutzrichtlinien auch konsequent umgesetzt werden. Daneben drohen alle messbaren Fortschritte im Artenschutz durch die Blockade der EU-Boden-Rahmenrichtlinie einiger EU-Mitgliedsstaaten und durch den fortschreitenden Verlust von artenreichem Grün- und Ackerland zunichte gemacht zu werden.
Neben der Verpflichtung, dass Deutschland und Europa „ihre Hausaufgaben“ beim Schutz der eigenen biologischen Vielfalt machen müssen, verlangt die CBD, dass wir aufhören durch verschwenderische Produktions- und Konsummuster die natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Natur in anderen Teilen der Welt zu gefährden. Daher muss der Verringerung des Ressourcen- und Energieverbrauchs von der Politik eine viel höhere Priorität eingeräumt werden als dies bisher der Fall ist. Unsere Importe von Futtermitteln für die Massentierhaltung, von Palmöl oder fossilen Energieträgern sind große Bedrohungen für Natur und Klima weltweit.
Schließlich muss Deutschland als wirtschaftsstärkste Nation in einer der wohlhabendsten Regionen der Welt auch besondere Leistungen bei der Unterstützung von Entwicklungsländern im Naturschutz erbringen. Wie auf der COP 9 in Bonn angekündigt, stellt die Bundesregierung hierfür jährlich 500 Millionen Euro zur Verfügung und steht damit mit Norwegen bei den internationalen Geldgebern ganz vorne – dies ist ein wichtiger Beitrag, zusätzliches Engagement aller Industrieländer sowie der aufstrebenden Staaten wie China und Brasilien wird aber notwendig sein.
Was ist ABS? Was regelt das Nagoya-Protokoll?
In der CBD haben die Vertragsstaaten das Ziel vereinbart, die Vorteile gerecht aufzuteilen, die sich aus der Nutzung der biologischen Vielfalt ergeben. Hier geht es insbesondere um Grundstoffe für Medikamente, Kosmetika und andere Produkte für die hohe Preise erzielt werden. Das sogenannte „Access and Benefit Sharing“ (ABS) regelt den Zugang und den gerechten Vorteilsausgleich für die Nutzung genetischer Ressourcen. Im Kern der seit 2002 tobenden erbitterten Debatte geht es um ein sehr ungleiches Machtverhältnis: Große Konzerne aus dem reichen Norden sichern sich Patente an Pflanzen und das Wissen, wie sie anzuwenden sind, aus den meist sehr viel ärmeren Entwicklungsländern, die den Hauptanteil der biologischen Vielfalt beheimaten. Dies geschieht oft, ohne sie vorher um Erlaubnis zu fragen und ohne sie an den Profiten zu beteiligen. Diese „Biopiraterie“ geschieht, obwohl die CBD dies seit 1992 im Prinzip verbietet.
Nach zähen Verhandlungen, die mehrmals kurz vor dem Scheitern standen, wurde auf der COP 10 in Nagoya im Oktober 2010 das rechtlich verbindliche „Nagoya-Protokoll“ verabschiedet. Das Protokoll trat am 12. Oktober 2014 in Kraft, nachdem es von 51 Staaten ratifiziert worden war. Mittlerweile wurde das Protokoll von 127 Staaten ratifiziert, darunter auch von Deutschland und der EU (diese hält als Staatengemeinschaft aber eine völkerrechtliche Sonderposition inne).
Das erste Treffen der Vertragsstaaten (MOP, „Meeting of the Parties“) fand während der CBD COP 12 in Südkorea statt. Durch die Umsetzung erhofft man sich nicht nur ein Ende der staatlich geduldeten Biopiraterie, sondern auch entscheidende Anreize für die armen Länder ihre Natur zu schützen – denn die Artenvielfalt beherbergt noch viele unentdeckte Stoffe von großem ökonomischen Wert.
Aktueller Stand der Ratifizierungen des Nagoya-Protokolls
Was ist ein Beispiel für Biopiraterie?
Biopiraterie ist ein politischer Begriff, mit dem die Patentierung von Tieren oder Pflanzen durch Konzerne kritisiert wird. Wird mit der Nutzung dieser Arten Profit erzielt, geht dieser an die Patenteigentümer. Die Herkunftsländer der Tiere oder Pflanzen gehen leer aus. Durch die Ratifizierung des oben genannten Nagoya-Protokolls sollen auch die Möglichkeiten zur Biopiraterie eingedämmt werden. Bekanntes Beispiel ist der Neem-Baum, dessen Rinde, Blätter, Früchte und Blüten zur Herstellung von Heilmitteln und Bioziden verwendet werden. Die medizinischen Eigenschaften sind seit über 2.000 Jahren bekannt. Weltweit wurden jedoch seit 1985 von amerikanischen, japanischen und europäischen Firmen etwa 90 Patente auf Bestandteile des Neem-Baumes eingereicht. Die Preise für die Früchte und das Öl des Neem-Baums sind für das einfache indische Volk unbezahlbar geworden. Damit haben sie ein Heilmittel und Brennstoff (Öl) verloren, das ihnen vorher kostenlos zur Verfügung stand.
Laut dem Biodiversitäts-Bericht (GBO5) wurde keines der beschlossenen Biodiversitäts-Ziele vollständig erreicht. Der NABU sieht ein Grundproblem im falschen Einsatz von Steuergeldern durch die Regierungen. Mehr →
Um dem anhaltenden Verlust der biologischen Vielfalt und der Zerstörung von Lebensräumen wirksamer entgegen zu treten, gründete die Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2012 einen internationalen Wissenschaftsrat für Biodiversitätsfragen, die Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES). Mehr →