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Gegen die Verarmung der Natur
Deshalb brauchen Wildtiere und Wildpflanzen vernetzte Lebensräume
Es muss nicht gleich die sechsspurige Autobahn sein, manchmal genügt schon ein hoher Bordstein, damit ein Lebensraum zur Falle wird. Zu kleine, zerschnittene Lebensräume bedrohen die Entfaltung und Fortpflanzung empfindlicher Arten. Während viele Vögel und Insekten Hindernisse überfliegen können, stoppen andere Arten bereits ab, wenn sich die Oberflächenbeschaffenheit ändert, wenn es zu glatt, zu rau, zu heiß, zu trocken oder zu feucht wird. Dieser Zustand bedroht die Grundlage unseres Lebens, die Biodiversität.
Lebensraumverlust ist eine der Hauptursachen der Naturkrise, die wir aktuell erleben: Wir Menschen zerstören die natürliche Vielfalt, die wir doch eigentlich zum Leben brauchen. Der Schutz und die Vernetzung von Lebensräumen ist eine der drängendsten Aufgaben unseres Landes, um den Rückgang der biologischen Vielfalt zu stoppen. Die Politik kann und muss jetzt handeln.
Warum Lebensraumvernetzung für die Mobilität von Arten und für ihren Populationserhalt so wichtig ist, und welche Lösungsansätze weiter ausgebaut werden müssen, erklären wir hier.
Inseln im Maismeer?
Tier- und Pflanzenpopulationen leiden unter
Lebensraumverlust. Offensichtlich ist dies, wenn Teillebensräume fehlen: Klar, ohne blühende Ochsenzungen hat die Ochsenzunge-Sandbiene schlechte Karten. Und natürlich brauchen verschiedene Arten sehr verschiedene Lebensräume: Wer vor Gefahren davonrennt oder -fliegt, braucht freies Sichtfeld, wer eher langsam unterwegs ist, sucht die schützende Hecke. Doch selbst scheinbar perfekt ausgestattete Flächen werden zur Falle, wenn sie zu klein oder zu isoliert sind.
Entweder sind sie körperlich nicht in der Lage, ein Hindernis zu überwinden, oder sie scheuen sich. Wer auf Gefahren mit davonrennen oder davonfliegen reagiert, will freies Sichtfeld, um rechtzeitig gewarnt zu sein. Die Nähe zu einer Hecke wird dann gemieden, denn es könnte sich ja ein Feind verstecken. Wer eher langsam unterwegs ist, meidet dagegen größere Offenflächen.
Auch die meisten Pflanzen haben unterschiedliche Ansprüche an ihre Umgebung: Wichtig sind unter anderem Feuchtigkeits- und Besonnungsgrad, Nährstoffgehalt und Wuchskonkurrenz durch andere Pflanzenarten.
Es sind also längst nicht nur Verkehrswege, die behindern. Die Barrierewirkung einer größeren Ackerfläche ist ebenso enorm. Selbst ohne Pestizideinsatz.
Unüberwindbare Hindernisse
Denn große, monoton bewirtschaftete Flächen können verhindern, dass sich zwei getrennt lebende Teilpopulationen einer Art vermischen. Sie finden einander nicht , wenn ihre Lebensräume zu weit voneinander entfernt sind. Über kurz oder lang führt das zu genetischer Verarmung und damit zu verminderter Anpassungs- und Überlebensfähigkeit. Treten Krankheiten auf, können dann kleine Vorkommen komplett verschwinden. Geschieht das an mehreren Orten, sterben Arten lokal oder regional aus. Die Wahrscheinlichkeit der Wiederbesiedlung aus anderen Regionen ist bei zunehmender Isolation gering.
Für das langfristige Überleben von Arten spielen Trittsteine und Korridore eine fundamentale Rolle. Ein Beispiel: Bei einer Studie über die Langzeitverbreitung des Schwarzspechts stellte sich heraus, dass ökologische Trittsteine die wichtigste Ursache für die Erholung dieser Waldart waren. Schon kleinste Elemente wie Gärten, kleine Parks, Gewässer oder Brachflächen (zum Beispiel verwilderte alte Bahnlinien) können als Trittsteine dienen.
Die Folge: Lücken im Beziehungsnetz
Das Verschwinden einzelner Arten reißt Lücken in das Beziehungsnetz der Ökosysteme. Fallen zum Beispiel bestimmte Bestäuberinsekten aus, verringert sich bei Pflanzen der Samenansatz. Umgekehrt ist die Abhängigkeit vieler Insekten von bestimmten Pflanzen sogar noch größer.
Auch zwischen Räubern und Beute bestehen enge Beziehungen. Fällt die Beute aus, muss der Räuber zusehen, ob er Ersatz findet. Fällt der Räuber aus, wird sich die Beute zunächst einmal vermehren. Das kann zu unerwünschten Schädlingsplagen führen. Es können aber auch plötzlich neue Räuber auftreten, die vorher nicht zum Zuge kamen . Oder die vermehrte Beute kriegt selbst Nahrungsbeschaffungsprobleme, wird möglicherweise sogar anfälliger für Krankheiten. Es muss sich also vieles neu zurechtrütteln.
Wichtig sind Landschaftselemente zudem für Wanderungen und zur Orientierung. Selbst Arten, die für längere Strecken den Sonnenstand oder das Erdmagnetfeld nutzen, bewegen sich oft auf Sicht entlang von Strukturen und markanten Punkten.
Natur neu verbinden
Im Bundesnaturschutzgesetz ist der Auftrag für einen Biotopverbund schon länger verankert. Demnach dient dieser „der dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen“. Und: „Der Biotopverbund soll länderübergreifend erfolgen. Die Länder stimmen sich hierzu untereinander ab.“
Eine besondere Rolle kommt Gewässern zu. Sie sollen „einschließlich ihrer Randstreifen, Uferzonen und Auen als Lebensstätten und Biotope für natürlich vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Sie sind so weiterzuentwickeln, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können.“ Außerdem fordert das Gesetz, „in von der Landwirtschaft geprägten Landschaften zur Vernetzung von Biotopen erforderliche lineare und punktförmige Elemente, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope, zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, zu schaffen.“
Das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ und der Bundesnaturschutzfonds bieten erstmals eine landesweite Perspektive für die Renaturierung von Auen, Wäldern und Mooren. Flankenschutz kommt zudem aus dem Naturschutzpaket der EU im Rahmen des Green Deal. In der intensiv genutzten Landschaft mit zahlreichen konkurrierenden Nutzungsansprüchen wird die Umsetzung dennoch ein hartes Stück Arbeit.
Deshalb fordert der NABU
- die zügige Aufstellung, Umsetzung und Finanzierung eines neuen „Bundeskonzepts Grüne Infrastruktur“
- die Verpflichtung für Planungsbüros in Stadt-, Straßen- und Landbau, Wildkorridore, ökologische Trittsteine und Grünbrücken in ihre Maßnahmen mit aufzunehmen
- den Stopp der weiteren Zerschneidung von Naturräumen
- die europäischen und nationalen Wildtierkorridore raumordnerisch als Vorrangfläche für die Funktion des Biotopverbunds zu sichern und von Siedlungen und Infrastrukturtrassen frei zu halten
- dass Wildtierpopulationen nicht durch Zäune oder gezielte Abschüsse an ihren Wanderungen oder von Neuansiedlungen abgehalten werden
- die Weidetierhaltung und Wanderschäferei auch in ihrer biotopvernetzenden Wirkung (Weiterträger für Pflanzensamen und Kleintiere) zu würdigen
- Populationsmanagement (zum Beispiel Um- und Wiederansiedlungen) dort als naturschutzfachliches Mittel einzusetzen, wo ein natürlicher Individuenaustausch nicht möglich ist (etwa durch Barrieren)
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