8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Öfter mal nasse Füße
Wir brauchen konsequente Abflussreduzierung und bessere Wasserspeicherung
Unzählige Bewohner feuchter Wiesen und Moore leiden unter dem fortschreitenden Verlust ihres Lebensraumes, darunter Braunkehlchen, Brachvogel, Uferschnepfe und Bekassine. So steht es schwarz auf weiß im offiziellen „Bericht zur Lage der Natur in Deutschland“. Den traurigen Negativrekord hält in der aktuellen Auswertung der Kiebitz, sein Bestand ist seit 1980 um 93 Prozent eingebrochen.
Kein „kiewitt“ mehr?
Einst leiteten die typischen „Kiewitt“-Rufe des Kiebitzes den Frühling ein. Noch vor wenigen Jahrzehnten war der schwarz-weiße Vogel mit seiner auffälligen Federtolle und den imposanten Balzflügen weit verbreitet. Doch mehr und mehr Feuchtwiesen wurden und werden trockengelegt, die verbleibenden Wiesen immer intensiver genutzt. Dem Kiebitz setzt das schwer zu, bei der heute üblichen frühen Mahd der Wiesen werden viele Nester zerstört oder die Jungen getötet.
Sind keine Wiesen mehr da, versuchen Kiebitze auf Äcker auszuweichen. Doch durch den hohen Anteil an Winterfrüchten ist im Frühjahr der Boden oft bereits zu dicht und hoch bewachsen. Und wenn Kiebitze auf Maisflächen brüten – die bleiben immerhin lange offen –, werden ihre Nester häufig durch die Bodenbearbeitung zerstört.
Überleben auf der Insel
Dabei gibt es erprobte Möglichkeiten, den Vögeln zu helfen. Die Expert*innen des Michael-Otto-Institut im NABU (MOIN) haben dazu ein ganzes Handbuch verfasst. Am liebsten mögen Kiebitze kurzrasiges Grünland, idealerweise mit schlammigen oder sehr niedrig unter Wasser stehenden Bereichen. Solche Strukturen können etwa durch die Anlage von Blänken, die Aufweitung oder den Anstau von Gräben und das Verschließen einzelner Drainagen erzielt werden.
Es hilft aber auch bereits, kleinere nasse Senken oder Feuchtflächen auf Ackerflächen nicht zu bearbeiten. Noch besser sind „Kiebitzinseln“, etwas größere Brachflächen innerhalb eines Ackers, die von der Bearbeitung ausgenommen werden. Hier finden die Altvögel günstige Brutmöglichkeiten, die Nester sind geschützt und auch die Jungvögel haben genügend Nahrung und Deckung.
Geld umlenken
Wenn es gelänge, die Förderinstrumente und das Gebietsmanagement optimal aufeinander abzustimmen, so das MOIN, würden für den Kiebitzschutz 10 bis 20 Millionen Euro pro Jahr benötigt. Das käme natürlich noch weiteren Arten zugute. Aber schon diese gezielten Maßnahmen sind nicht aus der sprichwörtlichen Portokasse zu bezahlen. Hier ist ein deutliches Umlenken von Geldflüssen innerhalb der Agrarförderung nötig.
Naturschutz sei doch meistens Kleinkram, der Naturzerstörung dagegen könne man „eine geniale Großzügigkeit“ nicht absprechen, meinte der Schriftsteller Hermann Löns vor hundert Jahren sarkastisch. Inzwischen beginnt der Naturschutz zwar aufzuholen. Aber die Verhältnisse sind immer noch ungleich, wie der erweiterte Blick auf unsere Landschaften zeigt.
Normierte Landschaft
Vor allem in den Flussniederungen und in den eiszeitlich geprägten Moorlandschaften hat der Mensch jahrhundertelang gegen ein Übermaß an Wasser gekämpft. Wasser abzuleiten, bedeutete Urbarmachung von Land, weniger Hunger und wachsenden Wohlstand. Mit dem Einsatz von Maschinen gelang es schließlich, Böden und Landschaften immer mehr zu normieren. Und auch wenn die Flurbereinigung heute etwas freundlicher Flurneuordnung heißt, ist die Haltung in vielen Köpfen gleich geblieben. Einen „Sumpf trockenlegen“ gilt im wörtlichen wie im übertragenen Sinne als gute Sache.
Unterirdisch: Lebensraum Grundwasser
Nicht nur Flüsse, Sümpfe, Wiesen oder Wälder werden vom Wasser geprägt. Unter unseren Füßen gibt es einen verborgenen, ganz eigenen Wasserlebensraum.
Durch die räumliche Enge im Lückensystem der Grundwasserleiter besiedeln nur winzige Organismen die Grundwasserlebensräume. Relativ konstante physikalisch-chemische Bedingungen, wie permanente Dunkelheit, niedrige, etwa gleich bleibende Temperaturen und geringe Nähr- und Sauerstoffkonzentrationen prägen diese Welt.
Die diesen Verhältnissen angepasste Lebensgemeinschaft umfasst neben den Grundwassertierchen Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Einzeller, die den Hauptteil der Biomasse ausmachen. Grundwasser ist ein belebtes Ökosystem mit einer großen biologischen Vielfalt. Eine der wichtigsten Funktionen dieser Organismen ist es, das Grundwasser reinzuhalten. Voraussetzung dafür ist ein guter ökologischer Zustand.
Nicht zu feucht und nicht zu trocken, strukturarm und nährstoffreich: Für die Artenvielfalt sind die Normlandschaften verheerend. Nun kommt der Klimawandel als neuer großer Störfaktor. Dessen Auswirkungen sind so groß, dass darin gleichzeitig eine Chance zum Umdenken liegt.
Vor der Revolution?
Im seenreichen, aber sandigen Brandenburg haben sich die letzten Trockenjahre besonders bemerkbar gemacht. „In 1,80 Meter Tiefe, wo die meisten Bäume wurzeln, ist der Boden inzwischen knochentrocken. Wir haben nicht nur abgängige Einzelbäume, sondern ganze abgängige Waldstücke“, schildert Landesumweltminister Axel Vogel gegenüber dem rbb.
„Wir merken, dass wir uns nicht nur kleinräumig bewegen können, wir müssen das gesamte Land betrachten. Ich glaube, es haben inzwischen alle begriffen, dass sich etwas ändern muss. Wir stehen in einer vorrevolutionären Situation.“
Amphibien auf dem Trockenen
Brandenburgs Stillgewässer sind fast alle grundwassergespeist. Sinkt das Grundwasser, folgt Trockenheit. „Ohnmächtig sehen wir zu, wie die Amphibien in unserer Region aussterben – und nicht nur die, beispielsweise fehlen auch den Kranichen die Brutplätze“, beklagt Thorsten Schönbrodt vom NABU Müncheberg im Kreis Märkisch Oderland. Besserung ist nicht in Sicht. Bei Begehungen waren bereits Ende März von 446 Söllen und anderen Kleingewässern 317 ausgetrocknet.
„Im Vergleich zu Brandenburg haben wir an der Elbe zwar den Vorteil, dass der Fluss auch mal Niederschläge von woanders mitbringt und zumindest die auennahen Gewässer wieder auffüllt“, bilanziert Amphibienexperte Christian Fischer für das nordöstliche Niedersachsen. „Dies passiert aber auch nur unregelmäßig und in den letzten Jahren eher zu schwach. Es hat wohl fast alle Amphibienarten hart getroffen, ganz besonders die Gras- und Moorfrösche.“
Halten statt loswerden
„Brandenburg weist seit Jahren eine negative Bilanz bei der Grundwasserneubildung auf“, betont der NABU-Landesvorsitzende Friedhelm Schmitz-Jersch. Es wird immer wichtiger, Wasserüberschüsse gezielt zurückzuhalten, um einerseits Hochwasserspitzen zu puffern und andererseits die Wasserversorgung in sicherzustellen.
Hauptaufgabe bleibt die konsequente Abflussreduzierung und bessere Wasserspeicherung. Dazu fordert der NABU Brandenburg unter anderem ein Moratorium bei der Genehmigung neuer Beregnungsanlagen, Förderprogramme zur Wiedervernässung und vollständigen hydrologischen Wiederherstellung von Moorflächen sowie den Rückbau von Gräben insbesondere in Wäldern.
Auf dem Weg der Besserung?
Das Verständnis für die Probleme wächst, vielerorts geloben Politik und Verwaltung Besserung. Bis zur Umsetzung ist es ein beschwerlicher Weg. Das zeigt beispielhaft eine Analyse der bereits 2013 verabschiedeten Biodiversitätsstrategie des Landes Hessen. Daraus folgend wurde das Programm „100 wilde Bäche“ gestartet, bei dem Kommunen vom Land stark unterstützt werden. Auch wurde den Kommunen im Wassergesetz ein Vorkaufsrecht für Uferflächen eingeräumt. Ein Förderprogramm finanziert Flächenkäufe und Renaturierungen mit bis zu 95 Prozent.
NABU-Kompass 2030: Etwas tun für Flüsse, Bäche und Auen
„Gesunde Fließgewässer mit ihren Auen und den sie begleitenden Grundwasserkörpern halten das Wasser besser in der Landschaft und speichern dieses bei Starkregen. In Trockenzeiten wird das gespeicherte Wasser über einen längeren Zeitraum wieder an die Umgebung abgegeben. Dies gewährleistet die Wasserversorgung für angrenzende Wälder und landwirtschaftliche Flächen. Darüber hinaus bilden diese Fließgewässer die zentralen Achsen eines landesweiten Netzes von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen.
Seit vielen Jahrzehnten befinden sich die hiesigen Flüsse und Bäche in einem schlechten ökologischen Gesamtzustand. Auen sind in ihrem Flächenausmaß dramatisch zurückgegangen. Die Belastung mit Siedlungs- und Industrieabwässern sank zwar dank funktionierender Klärtechnik, aber die Nährstoff- und Pestizideinträge aus der Landwirtschaft nahmen zu. Mit Mikroplastik und weiteren synthetischen Polymeren sind neue Störungen hinzugekommen. Begradigungen und befestigte Böschungen taten ein Übriges und haben aus vielen hochdynamischen Lebensräumen reine Entwässerungskanäle werden lassen. Querbauwerke wie Wehre oder Staustufen unterbrechen die Durchgängigkeit für Wasserlebewesen.
Rund 90 Prozent der Oberflächengewässer Deutschlands befinden sich nach wie vor nicht im angestrebten ‚guten ökologischen Zustand‘. Die spürbaren Klimaveränderungen, die mal zu Dürren, mal zu sintflutartigem Starkregen führen, erhöhen den dringlichen Handlungs- und Veränderungsbedarf zusätzlich.
Ziel des NABU ist, dass der ‚gute ökologische Zustand‘ keine Utopie bleibt, sondern im nächsten Jahrzehnt spürbare Realität wird. Dazu müssen Fließgewässer über Gewässerentwicklungsstreifen den Raum für mehr Dynamik erhalten. Der NABU treibt die Renaturierung von Fließgewässern voran.“
Es liegt in der Hand von uns Menschen, wie wir mit der Erde umgehen. In seinem „Kompass 2030“ zeigt der NABU auf, wie sich der Verband den Weg in eine Zukunft vorstellt, in der die Klimakrise und der rasante Verlust an Biodiversität gestoppt sein werden. Der NABU-Kompass 2030 beschreibt die Richtung und gibt Orientierung. Zugleich ist er ein lebendiges Diskussionspapier.
Dennoch gibt es weiter große Defizite. Die chemische Verschmutzung der Gewässer hat sogar eher zu- als abgenommen, stellt der NABU Hessen fest, und das Grundwasser wird immer stärker belastet. Bei nur elf Prozent der Fließgewässer ist ein „guter ökologischer Zustand“ erreicht, 65 Prozent sind in ihrer Struktur stark bis vollständig verändert.
In der Pflicht
Einen Grund sieht der NABU im verbreiteten Freiwilligkeitsprinzip, obwohl es unter anderem gilt, europarechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In den Worten der EU-Kommission: „Nahezu alle Bewirtschaftungspläne sehen ein Minimum von Maßnahmen vor, die jedoch oft zu allgemein sind, keine Schwerpunkte setzen und in keinerlei direktem Zusammenhang zu den bestehenden Belastungen oder erwarteten Auswirkungen stehen.“ Das ist deutlich.
Helge May