Geburtshelferkrötenpaar - Foto: NABU Hessen/Dominik Heinz
In der Grube tobt das Leben
Erfolgreiches Artenschutzprojekt in Wetzlar
Es ist einiges los in der Grube Malapertus, einem stillgelegten Steinbruch bei Wetzlar. In insgesamt drei Gruben wurde hier bis 2008 Kalkstein abgebaut, jetzt liefert Lkw nach Lkw Bauschutt und Erde an, um sie zu verfüllen. Das ist der erste Schritt der vor langer Zeit geplanten Rekultivierung für die fast 100 Hektar große Fläche. Am Ende des Prozesses sollte sie für Menschen wieder forst- und landwirtschaftlich nutzbar sein. Doch nun kommt es anders.
Ideale Lebensräume
„Eine komplette Wiederverfüllung wäre ein enormer Verlust für den Artenschutz gewesen. Allein die Zählung rufender Kreuz- und Geburtshelferkröten im Steinbruch, also Männchen beim Balzen zur Abendzeit, ergab hier eines der größten Vorkommen dieser Arten in ganz Hessen“, erzählt Dominik Heinz, Referent für Amphibienschutz und Projektleiter Steinbruchkooperation beim NABU Hessen. Sie fühlen sich besonders wohl in flachen Gewässern wie Tümpeln oder alten Fahrrinnen. Aber auch andere Amphibien und Vögel finden in Steinbrüchen dynamische Lebensräume, die in dieser Form fast gar nicht mehr natürlich vorkommen. Sie sind abgeschieden, weitgehend sich selbst überlassen und vielfältig: Abbruchkanten mit Rohboden, Gewässer unterschiedlicher Tiefe, Gehölz, Gebüsch, Magerstandorte und Nischen im Kalkstein bieten ein Mosaik an Lebensräumen für viele verschiedene Tiere und Pflanzen.
Dass auf Teilen des Areals auch Natur- und Artenschutz eine Chance bekommen, ist Resultat einer engen Zusammenarbeit zwischen dem NABU Hessen und der Heidelberger Sand und Kies GmbH (HSK). Im Jahr 2016 einigte man sich auf einen Kooperationsvertrag über zehn Jahre: Ein Drittel der Fläche, die Grube Herrmannstein, ist für den Natur- und Artenschutz reserviert. Dort setzt der NABU Hessen gemeinsam mit dem Unternehmen Pflegemaßnahmen für die vorkommenden Arten um. Versucht wird zudem, auf dem gesamten Areal Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Beispielsweise werden Brutplätze markiert, um zu verhindern, dass versehentlich Fahrzeuge darüberfahren.
Artenschutz ist Handarbeit
Die vom NABU bearbeitete Fläche, die nach Ende der Arbeiten in den Besitz der NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe übergehen soll, erfordert viel Pflege. Wo früher Abbauarbeiten für sich wandelnde und neu entstehende Lebensräume sorgten, versuchen die Haupt- und Ehrenamtlichen nun, diese zu erhalten und neu anzulegen. Die Magerstandorte werden während des Winters von aufwachsenden Gehölzen befreit, um die Offenlandvegetation zu erhalten – ideal beispielsweise für die Golddistel. Felswände und Abbruchkanten, sofern sie kein Sicherheitsrisiko darstellen, sollen möglichst bestehen bleiben. Ihre klüftige, löchrige Struktur bietet perfekten Wohnraum für mittlerweile zwei Uhubrutpaare, Uferschwalben, Wildbienen und Co. In der Hoffnung auf das nötige Regenwasser von oben werden neue Kleingewässer angelegt sowie bestehende entschlammt. Sie sind das Zuhause einer Vielzahl von Libellen- und Amphibienarten.
Zwei der prominentesten Arten im Steinbruch sind die Kreuzkröte und Geburtshelferkröte. Sie wurden und werden in Arbeitseinsätzen aus den Verfüllbereichen in die Ersatzgewässer umgesiedelt. Dafür werden zunächst künstliche Versteckmöglichkeiten wie Gummimatten ausgelegt und im Anschluss die darunter versteckten Tiere abgesammelt sowie rufende Tiere in Nachtbegehungen ausfindig gemacht.
Die nächtlichen Suchaktionen stellten sich als die effektivste – und gleichzeitig aufwändigste – Umsetzmethode heraus. „Bis heute konnten wir ungefähr 33.000 Amphibien umsetzen. Die Populationen sind stabil, auch wenn es immer mal wieder trockenheitsbedingte Schwankungen gibt“, so Heinz. Ein besonderer Erfolg, da es bisher landesweit das einzige Schutzprojekt dieser Art ist, das im aktiven Verfüllprozess stattfindet.
Wohnraum für alle
Auch andere Arten wie Zwergtaucher, Schwalbenschwanz, Schlingnatter, Zauneidechse, Feuersalamander, Blässhuhn und noch viele mehr profitieren von der Naturschutzfläche. Sogar Rehe und Hasen sind Stammgäste im Steinbruch. Sie lassen sich von der Lautstärke der Maschinen viel weniger stören als von Menschen. „Im Sommer ist hier alles voll. Libellen schwirren umher, Frösche und Singvögel geben stimmlich ihr Bestes, es ist immer wieder beeindruckend“, schwärmt Heinz und blickt zuversichtlich auf die kommenden Jahre.
HSK und NABU Hessen wollen weiter zusammenarbeiten, bis die Verfüllarbeiten abgeschlossen sind. Geplant wurde mit 35 Jahren, erfahrungsgemäß gehe es aber meist schneller, besonders wenn große Baustellen im Umland Verfüllmaterial liefern. Die renaturierte Fläche soll danach durch Schafe und Ziegen beweidet werden. Sogar für die am Ende geplanten Forst- und Landwirtschaftsflächen im rekultivierten Bereich gibt es positive Signale seitens der Betreiber und Behörden, diese in das Naturschutzkonzept miteinzubeziehen. Eine touristische Erschließung des Steinbruchs ist vom Tisch, die Errichtung eines Naturwaldes und die extensive Grünlandnutzung dagegen sind ein neues Ziel. Es sieht so aus, als könne die Grube Malapertus noch lange ein Rückzugsraum für eine Vielzahl bedrohter Arten bleiben.
Lisa Gebhard (Artikel aus „Naturschutz heute“ 4/21)
Sie ist oben braun und unten gelb, hüpft in alten Steinbrüchen herum und liebt matschige Pfützen – die Gelbbauchunke. Mit einem sechsjährigen Artenschutz-Projekt will der NABU den Rückgang der selten gewordenen und gefährdeten Amphibie in Hessen stoppen. Mehr →
Ihr Rücken ist braun und gut getarnt, der Bauch ein gelb-schwarzer Fleckenteppich. War die Gelbbauchunke früher noch in naturnahen Fluss- und Bachauen heimisch, findet man ihre Restvorkommen heutzutage vor allem in menschlich genutzten Gebieten. Mehr →