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Wie Naturschutztaucher*innen die Seen retten möchten
Es ist ein warmer Tag Anfang August mitten im Naturpark Märkische Schweiz östlich von Berlin, ein perfekter Tag zum Baden. Die zehn Menschen, die ich an diesem sonnigen Samstagmorgen am Schermützelsee treffen, wollen auch ins Wasser – allerdings mit Neoprenanzug und einer besonderen Mission. Denn sie sind Naturschutztaucher*innen. Im Auftrag des NABU Strausberg-Märkische Schweiz und der Naturparkverwaltung wollen sie die Qualität des Sees überprüfen. Silke Oldorff, die seit zehn Jahren ein bundesweites Netzwerk von Naturschutztaucher*innen aufbaut, hatte den See das letzte Mal vor zwei Jahren mit dem Tauchclub Buckow untersucht. Der Zustand des Sees damals: schlecht.
Einer von 400
An diesem Vormittag liegen nun überall Drucklufttanks und Flossen auf dem Wassergrundstück des örtlichen Tauchvereins Buckow verteilt. Die Taucher*innen checken noch ein letztes Mal ihre Ausrüstung, eine Taucherin zieht sich unter ihren Neoprenanzug auch noch Wollsocken an, denn im See in zehn Meter Tiefe kann es kalt werden. Bevor es ins Wasser geht, kommen die zehn Taucher*in nen aber noch in einem kleinen Kreis zusammen. Es gibt etwas zu feiern: Robin hat am vorherigen Wochenende seinen Naturschutzauchtaucherkurs bestanden und bekommt sein Brevet, das ist ein Tauchausweis, überreicht. Er ist nun einer der inzwischen 400 Naturschutztaucher*innen in Deutschland.
Letzte Vorbereitungen vor dem Tauchgang
Auf dem Weg zum Wasser gehen die Taucher*innen nochmal die häufigsten Unterwasserpflanzen durch. Unten am Steg angekommen, dann die Ernüchterung: Ein undurchsichtiges Blaugrün schimmert ihnen entgegen. Die anhaltende Hitze sei Gift für die Seen, erklärt Silke Oldorff. Auf dem Steg teilen sich die Taucher*innen dann auf: Zwei Teams werden vom Steg aus den See betauchen, die anderen steigen zu Tauchwart Dieter ins knallgelbe Elektroboot, um das Ostufer des Sees zu kartieren. Der Einstieg in das Boot in voller Montur und zusätzlichem Bleigürtel ist eine wackelige Angelegenheit. Gegenseitig helfen sich die Vier ins Boot und treffen dort die letzten Vorbereitungen – ein schweißtreibender Balanceakt, die schwere Ausrüstung auf dem kleinen Boot aufzusetzen.
Bewuchs und Wühlspuren
Kaum im Wasser, steigen schon die Luftbläschen auf und markieren die Tauchroute. Für rund 50 Minuten messen die Taucher*innen die Untere Makrophytengrenze (UMG), also die Grenze des Pflanzenwuchses in der Tiefe, bestimmen die Wasserpflanzen und ihre Häufigkeit, dokumentieren Wühlspuren von Fischen, fotografieren und sammeln auch einzelne Pflanzen für die spätere Analyse. Wie der Zustand eines Gewässers ist, zeigt sich am besten daran, welche Pflanzen vorkommen und wie häufig.
Seit 2016 ist Naturschutztauchen als Spezialkurs ein offizieller Bestandteil der Tauchausbildung in Zusammenarbeit zwischen dem Verband Deutscher Sporttaucher und dem NABU. Der NABU-Bundesfachausschuss „Lebendige Seen“ hat sich gegründet, weil es den Seen in Deutschland schlecht geht: 74 Prozent der 732 größten Seen in Deutschland, welche EU-berichtspflichtig sind, haben einen ungünstigen Erhaltungszustand. Das bundesweite Netzwerk „Tauchen für den Naturschutz“ wird vom BFA betreut.
Kontakt: info@nabu-naturschutztauchen.de, www.nabu-naturschutztauchen.de, Instagram: @naturschutztauchen.
„Das ist wie ein Urwald da unten“, berichtet Silke kurz nach dem Auftauchen. Neben dichten Beständen des Quirligen Tausendblatts konnten sie auch fünf der besonders gefährdeten Armleuchteralgen, typische Bewohner nährstoffarmer Klarwasserseen, beobachten. Doch die Taucher*innen haben auch – wie jedes Mal – Dinge gesehen und zum Teil mitgebracht, die nicht in den See gehören: Flaschen, Plastikmüll, Angelsehnen. „Der See ist keine Müllkippe – das müssen alle verstehen“, sagt Roger, seit 27 Jahren Taucher, später am Steg.
Viel problematischer als der Müll sei aber die Anreicherung von Nährstoffen und der Besatz mit Karpfen, meint Silke Oldorff. Denn den Seen in Deutschland gehe es überwiegend immer schlechter, auch und insbesondere dort wo Stoffeinträge aus Landwirtschaft und Haushalten eher eine geringe Rolle spielen. Doch vielerorts ist den Zuständigen gar nicht bewusst, wie es um die Gewässer steht und unterhalb der Wasseroberfläche aussieht.
Empfindliche Unterwassergewächse
Nach dem Tauchgang treffen sich alle wieder am Vereinshaus und legen ihre Funde aus den Netzen in wassergefüllte Schüsseln – denn außerhalb ihres Terrains sind die Unterwasserpflanzen sehr empfindlich. Zuerst bestimmen sie gemeinsam die Wasserpflanzen: „Ist das jetzt Stachelspitziges, Spiegelndes oder Schwimmendes Laichkraut?“ Die Ergebnisse werden nach der Methode vom Bundesamt für Naturschutz zur Einschätzung des Erhaltungszustandes für Klarwasserseen ausgewertet. Dabei sind unter anderem die Anzahl der lebensraumtypischen Pflanzenarten und die Häufigkeit von Pflanzen, die hohe Nährstoffkonzentrationen anzeigen, wichtige Parameter.
Gute Nachrichten für den Schermützelsee
Bei der Auswertung ist auch eine Mitarbeiterin des Naturparks Märkische Schweiz dabei und macht sich gemeinsam mit den Naturschutztaucher*innen ein Bild vor Ort. „Das gewinnt unglaublich an Wert, weil wir wissen, wie es Unterwasser aussieht“, sagt Henriette Subklew von der Nationalparkverwaltung. Die Ergebnisse wurden erstmals auf der einberufenen Seenkonferenz am 16. August 2019 in Buckow präsentiert, bei der Nutzer*innen, Anlieger*innen und Naturschützer*innen über die Schutzmaßnahmen des Schermützelsees gemeinsam berieten. Dabei belegen die Zahlen und Bilder der Naturschutztaucher*innen eine positive Nachricht: Es ist nur noch ein kleiner Schritt für den Schermützelsee zu einem wertvollen Klarwasser in gutem Zustand.
Bettina Dlubek
Gemeinsam für die Natur: Der brandenburgische NABU-Regionalverband Gransee wurde für das Projekt „Tauchen für den Naturschutz“ mit dem Deutschen Naturschutzpreis ausgezeichnet. Dabei bestimmen und zählen die Taucher Wasserpflanzen während der Tauchgänge. Mehr →