Wer war denn das?
Heimischen Wildtieren auf der Spur
Tiere beobachten macht einfach Spaß. Viele Verhaltensweisen sind aber nur zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten zu erleben. Balzende Kohlmeisen im Garten und laichende Grasfrösche am Teich gibt es eben nur im Frühling zu sehen.
Dennoch komme ich bei jedem Spaziergang auf meine Kosten, denn nicht immer muss man die Tiere selbst beobachten. Oft hinterlassen sie auch charakteristische Spuren. Mit offenen Augen entgehen einem weder die Kotkleckse des Turmfalken, noch die vom Eichhörnchen abgenagten Zapfenspindeln oder die Schwanenfeder am Ufer. Überall offenbaren sich kleine Wunder oder spannende Details aus dem Leben der Tiere – und das zu jeder Jahreszeit. Wir müssen nur aufmerksam sein und schon sehen wir die Welt mit anderen Augen.
Fährten lesen lernen
Zum Fährtenleser wird man am besten an einem Wintermorgen mit Neuschnee. Doch um wie ein Trapper Trittsiegel zu untersuchen muss es nicht unbedingt Winter sein. Fährten finden sich ganzjährig im Matsch, in feuchter Erde oder im Sand. Genau hingeschaut, lässt sich oft die Tierart herausfinden, ebenso die Anzahl sowie Wanderrichtung und Geschwindigkeit. Reiht sich wie auf einer Linie ein Pfotenabdruck an den anderen, dann „schnürte“ ein Fuchs vorbei. Deutlich erkennt man, wie jede Pfote ihre Ballen und Krallen in den Boden gestempelt hat. Füchse sind Sohlengänger, Vögel stehen auf vier Zehen, Reh und Wildschwein laufen auf den Zehenspitzen, den Hufen.
Eine Fülle an Spuren hinterlassen Tiere bei der Ernährung. Angefressene oder bearbeitete Nahrung und die Ergebnisse der Verdauung wie Kot oder Gewölle erzählen Geschichten. Wenn im Herbst Früchte und Samen reifen, wird es interessant. Unter einem Haselnussstrauch klaube ich ein paar Nüsse und entdecke Hinweise auf mehrere Tierarten. Rund genagte Öffnungen stammen von Rötel- und Haselmäusen. In zwei Schalenhälften zerbrochene Nüsse hat das Eichhörnchen gesprengt, um an den Kern zu kommen. Andere Haselnüsse haben ein kleines Loch, in ihnen wohnen Käferlarven des Haselnussbohrers. Samenstände von Disteln zerwühlen Stieglitze und andere Finkenvögel. Bleiben unter Obstbäumen Äpfel und Birnen liegen, nagen Wespen und Hornissen flache Stellen ab, während von Vögeln die Abdrücke pickender Schnäbel erkennbar sind. Hat man am Waldweg den Eindruck, er sei frisch umgepflügt, haben Wildschweine nach Nahrung gesucht.
Gut verdaut
Beim Spaziergang durchs Dorf wandert mein Blick zum Scheunengiebel. Ein Balken ist von Kotklecksen übersät. Unterhalb auf der Straße finden sich zudem grau-filzige Fetzen. Das sind Gewölle, in denen der Falke Knochen und Fell der gefressenen Mäuse auswürgt. Viele Vögel haben Ruheplätze, an denen sie verdauen und etwas fallen lassen. Trifft man im Wald auf Kotflecken über der Größe eines Zweieurostücks, stammen sie von Greifvögeln wie dem Mäusebussard. Schaut man senkrecht nach oben, weiß man, auf welchem Ast der Vogel seine Verdauungspause eingelegt hat.
Bei Weißstorch und Graureiher zeugen weiße Nestränder weithin sichtbar vom Bruterfolg, denn die Jungen koten einfach über den Nestrand. Füchse markieren ihr Revier mit auffällig platzierten Kothaufen auf Baumstümpfen. Die Kotwurst ist an einem Ende stumpf, am anderen spitz ausgezogen und verrät, ob gerade Fleisch oder Früchte auf dem Speisezettel stehen.
Im Juli und August wechseln viele Vögel die Federn. In der Mauserzeit liegen Singvogelfedern im Garten, die man leicht Blaumeise, Stieglitz oder Amsel zuordnen kann. Im Wald finden sich lange Schwungfedern von Mäusebussard, Habicht oder Waldkauz. Vielleicht ist auch eine kleine blaue Feder des Eichelhähers oder eine schwarz-weiß gepunktete des Buntspechts dabei. Auf Gewässern treiben weiße Höckerschwanfedern, Entenfedern säumen das Ufer.
Ganzjährig finden sich Rupfungen, an denen der Sperber einen kleineren Beutevogel „entkleidet“ und verspeist hat. Kleine Knicke am Federschaft zeugen von seinem Schnabel, mit dem er die Feder packte und herauszog. Mit Geduld lassen sich fast alle Schwanz- und Flügelfedern finden und in richtiger Reihenfolge zusammenpuzzeln. Aber Achtung Federfreunde: in Deutschland benötigt man zum Federnsammeln eine Genehmigung der Naturschutzbehörde.
Blick frei
Fallen im Herbst die Blätter, geben sie den Blick frei auf bislang unentdeckte Vogelnester von Amseln, Buchfinken oder Rabenkrähen. Mancher Herbststurm rüttelt Nester herunter, vom massiven Elsternnest über den innen mit Lehm ausgestrichenen Nestnapf der Singdrossel bis zum spinnweben-verzierten Buchfinkennest. Türmen sich auf dem Waldboden Holzschnipsel, war der Zimmermann des Waldes aktiv und am Stamm gilt es den Einflug der Spechthöhle zu finden. In Nistkästen errichten manchmal Hornissen einen beeindruckenden Wabenbau, der oft an der Außenfassade weitergebaut wird.
Als Binnenländler ist für mich ein Strandspaziergang an der Küste ein besonderes Erlebnis, denn am schmalen Spülsaum konzentrieren sich viele Spuren von Tieren, die tief im Sand oder weit draußen auf dem Meer leben: Gehäuse unterschiedlichster Muscheln und Schnecken, Federn von Möwen und anderen Seevögeln, die Schulpe der Tintenfische, gestrandete Quallen, Tangfetzen und Trittspuren der großfüßigen Möwen oder der rasch dahin trippelnden Sanderlinge. Stundenlang kann man gehen, über die Formen, Farben und Muster der Muscheln staunen und seiner Sammelleidenschaft frönen.
Der Einstieg ins Spurenlesen ist einfach. Außer einem neugierigen Blick ist ein Bestimmungsbuch hilfreich, damit man „wissenden Auges“ als Naturdetektiv seine Umgebung erforschen, besser verstehen und einfach noch mehr Natur erleben kann. Es gibt immer etwas zu entdecken!
Stefan Bosch
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Gehören Sie zu den Naturfreunden, die nach einem Ausflug ins Grüne mit Notizzetteln nach Hause kommen, um dann später ihre Naturbeobachtungen zu dokumentieren? Melden Sie jetzt bequem online und erhalten Sie Zugriff auf Tier- und Pflanzendaten aus aller Welt. Mehr →
Vom Trittsiegel bis zur Rupfung
Büchertipps zum Thema Tierspuren
Einen ersten Überblick über verschiedene Tierspuren verschaffen allgemeine Tierspuren-Bestimmungsbücher. Für manche Fragen wird das nicht ausreichen, die Auswahl der dargestellten Arten und Spuren ist natürlich begrenzt. Dann sind spezielle, themenbezogene Bücher notwendig. So gibt es geografisch orientierte Literatur etwa zur Strandgutbestimmung für die Küsten an Nord- und Ostsee oder am Mittelmeer, genauso tierartenspezifische Literatur über Vögel (Vogelfedern, Nester, Eier) und Amphibien. Trittsiegel von Säugetieren finden sich in fast jedem Säugetier-Bestimmungsbuch.
Erfreulicherweise gibt es inzwischen viele dieser Bestimmungsbücher im Taschenbuch- oder Pocketformat, die man gut mitnehmen kann und dem Einsteiger – zumindest vorerst – den Kauf dicker Fachbücher ersparen. Hier eine Auswahl:
- Hans-Heiner Bergmann & Siegfried Klaus: Spuren und Zeichen der Vögel Mitteleuropas: Entdecken – Lesen – Zuordnen. 288 Seiten. 24,95 Euro. Aula-Verlag 2016. ISBN 978-3-89104-791-0
- Klaus Richarz & Alfred Limbrunner: Welche Tierspur ist das? – 125 Seiten. 4,95 Euro. Kosmos 2009. ISBN 978-3-440-11807-8.
- Angelika Lang: Spuren und Fährten unserer Tiere. – 127 Seiten. 9,95 Euro. BLV 2008. ISBN 978-3-835403567.
- Frank Hecker: Welche Tierspur ist das? – 139 Seiten. 12,95 Euro. Kosmos 2006. ISBN 978-3-440-10446-0.
- Preben Bang & Preben Dahlström: Tierspuren: Fährten, Fraßspuren, Losungen, Gewölle und andere. – 264 Seiten. 19,95 Euro. BLV 2009. ISBN 978-3-835406100.
- Andreas David: Fährten - und Spurenkunde. – 128 Seiten. 16,95 Euro. Kosmos 2007. 978-3-440-11109-3
- Einhard Bezzel: Vogelfedern. – 128 Seiten. 12,95 Euro. BLV 2008. ISBN 978-3-835404564.
- Hans-Heiner Bergmann: Vogelfedern an Nord- und Ostsee finden und bestimmen. – 128 Seiten. 14,95 Euro. Quelle & Meyer 2010. ISBN 978-3-494-01492-0.
- Wolf-Dieter Busching: Einführung in die Gefieder- und Rupfungskunde. – 408 Seiten. 34,80 Euro. Aula 2005. ISBN 978-3-89104-695-1.
- Brown/Ferguson/Lawrence/Lees: Federn, Spuren und Zeichen der Vögel Europas. – 336 Seiten. 34,80 Euro. Aula 2005. ISBN -978-3-89104-689-0.
- Colin Harrison & Peter Castell: Jungvögel, Eier und Nester der Vögel Europas, Nordafrikas und des Mittleren Osten. – 473 Seiten. 34,80 Euro. Aula 2004. ISBN 978-3-89104-685-2.
- Klaus Janke: Schnecken, Muschen & Tintenfische an Nord- und Ostsee finden und bestimmen. – 176 Seiten. 14,95 Euro. Quelle & Meyer 2010. ISBN 978-3-494-01456-2.
- Heiko Bellmann: Geheimnisvolle Pflanzengallen. – 300 Seiten. 24,95 Euro. Quelle & Meyer 2010. ISBN 978-3-494-01482-1.