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Jetzt spenden!Sommervergnügen auf eigene Gefahr
Flussbaden wird immer beliebter
Vor wenigen Jahrzehnten war ein Bad im Fluss ein völlig unvorstellbares weil gefährliches Unterfangen. Denn außer einer Abkühlung waren neben Hautausschlag schwere Magen- und Darmerkrankungen durch Bakterien zu befürchten, ganz zu schweigen von möglichen Langzeitschäden durch Schwermetalle und andere toxische Stoffe. Ursachen der Schmutzfracht deutscher Ströme waren fehlende oder schlecht funktionierende Kläranlagen sowie nicht oder ungenügend gereinigte Industrieabwässer.
Hygiene-Untersuchungen
Glücklicherweise haben jahrelange Proteste von Umweltschützern und die daraus folgenden Grenzwerte und Vorgaben die Situation deutlich verbessert. Reicht aber die Wasserqualität aus, um Flüsse als Freizeitobjekt zu nutzen? Sollten Kinder darin planschen? Um es vorweg zu nehmen: In der Regel besser nicht.
Die 2006 erneuerte EU-Badegewässerrichtlinie bestimmt über Qualität und Überwachung von Badegewässern sowie die Information der Öffentlichkeit. Untersucht wird ausschließlich der hygienische Zustand, das heißt, ob es eine Einleitung von Fäkalien und damit möglicherweise von gesundheitsgefährdenden Bakterien gegeben hat. Dafür werden die Konzentrationen von zwei sogenannten Indikatorbakterien bestimmt: Escherichia coli und Enterokokken. Beide kommen in Fäkalien vor. Diese mikrobiologische Untersuchung führen die jeweils zuständigen lokalen Gesundheits- oder Umweltämter durch. Sie melden dann die Messwerte über das Umweltbundesamt an die EU, welche daraus den Badegewässeratlas erstellt.
Starke Schwankungen
Stehende Gewässer, also Badeseen, weisen meist eine relativ konstante Wasserqualität auf. Flüsse und Bäche dagegen unterliegen aufgrund äußerer Einflüsse viel stärkeren Schwankungen. Ein Grund dafür sind die Abflüsse von Kläranlagen. Zwar ist das gereinigte Abwasser heutzutage verhältnismäßig sauber, beinhaltet aber unter anderem noch einiges an Bakterien und hat meist keine Badewasserqualität. Bei starkem Regen kann es bei Mischkanalisation zum „Überlaufen“ von Kläranlagen kommen. Das Abwasser gelangt dabei ungereinigt in den Fluss.
Weiter wird mit heftigem Niederschlag Oberflächenwasser in den Fluss geschwemmt, zum Beispiel von Wiesen und Äckern, die vielleicht mit Gülle bearbeitet wurden. Auch Sickerwasser kann verunreinigt sein. Mancherorts wird Regenwasser und damit auch der Straßenabfluss gar nicht in die Kläranlage geleitet, sondern nur in einem Absetzbecken von groben Inhaltsstoffen befreit – den Rest schluckt der nächste Strom. Schließlich wird bei starker Strömung nach Regenfällen das Sediment im Fluss stärker aufgewirbelt. In diesem kann sich einiges an chemischen Schmutzstoffen und Bakterien lange halten.
Schifffahrt und Strömungen
Nun ist für das Kriterium „Badefluss“ nicht nur die biologische Qualität ausschlaggebend. Auch technische Gefahren wie die Schifffahrt oder starke Strömungen müssen berücksichtigt werden. Regional kann man Glück haben – entweder mit der Qualität des Flusswassers oder wenigstens mit Messwerten. So begannen ehrgeizige Politiker, Behörden und Betreiber vor rund 15 Jahren das Projekt „Baden in der Isar“ und reduzierten die Zahl der Keime entlang von Münchens Isarstränden deutlich. Erreicht wurde dies, indem man Klärwerke mit UV-Desinfektionsanlagen versah und Sickeranlagen für Niederschlagswasser sowie Regenrückhaltebecken im Stadtgebiet baute. Diese Maßnahmen sind jedoch noch nicht abgeschlossen, und bislang beteiligen sich nicht alle Gemeinden aufwärts der Isar. So kann das Prädikat „Badegewässer nach der EU-Richtlinie“ noch nicht vergeben werden.
Auf kommunaler Ebene werden stellenweise Quellen und Flüsse entlang von Wanderwegen untersucht. Ein Beispiel aus der Karlsruher Region zeigt, dass schon an Quellen wegen zu hoher Keimzahl nicht das Prädikat „Trinkwasser“ vergeben werden konnte. Es lohnt sich also nachzufragen. Zuständig sind zunächst immer die örtlichen Gesundheitsämter.
Wie also lautet der Beschluss, wenn man unbedingt in den nächsten Fluss springen will?
- Erstens: Auf eigene Gefahr.
- Zweitens: Nicht nach starkem Regen.
- Drittens: Nicht dort, wo starke Strömung herrscht.
- Viertens: Erkundigen, ob sich flussaufwärts ein Klärwerk befindet.
- Fünftens: Im Internet oder beim örtlichen Gesundheits- oder Umweltamt informieren, ob es Messwerte gibt.
Natürlich trinkt man normalerweise nicht den Tagesbedarf an Wasser, während man schwimmt, sondern schluckt durchschnittlich 50 Milliliter. Planschende Kinder allerdings können ungewollt deutlich mehr in den Bauch bekommen – und sind empfindlicher, was Bakterien betrifft. Man sollte sich also gut überlegen, ob ein laut Badegewässeratlas sauberer See den Wunsch nach unbeschwertem Badespaß nicht eher erfüllt.
Beate Schuricht
Wer sich an die Zustände in den 80er Jahren erinnern möchte, findet hier eindrucksvolles Lesefutter:
- Die bitteren Leiden des süßes Wassers. 15 Flüsse- und Seenportraits. – 150 Seiten. Reihe „natur im dtv“. Deutscher Taschenbuch-Verlag 985. ISBN 3-423104864.
- Hans Schmit & Midas Dekkers: Schmutzige Wasser. Unsere Flüsse und Seen klagen an. – 173 Seiten. Rowohlt 1984. ISBN 3-498-06167-4.