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Orchideen am Tor des Schreckens
Natur pur im NABU-Zentrum Katinger Watt
Der Kaffee in den Thermoskannen dampft mit den nassen, grünen Weiden um die Wette. Auf dem alten Deich in der Eidermündung, direkt am NABU-Naturzentrum Katinger Watt, dem "Lina-Hähnle-Haus", hat sich eine kleine Gruppe eingefunden, um früh am Morgen den Frühling im Norden Schleswig-Holsteins zu erleben. Jetzt Ende April ist der Meereswind noch spürbar frisch - er lässt die Nasen tropfen.
Kurz vor Sonnenaufgang wird die harmonische Stille durch den jähen Aufbruch von etwa 15.000 Nonnengänsen für kurze Zeit unterbrochen. Die Gänse haben die Nacht auf den nahen Nordseewatten verbracht und fliegen jetzt lautstark rufend zur Nahrungssuche auf die Wiesen und Weiden des Katinger Watts und Eiderstedts. Ein kleiner Technik-Freak macht seinem Erstaunen Luft: "Wären das Flugzeuge, dann gäbe es jede Menge Zusammenstöße!"...
Für Küsten- und Vogelliebhaber
Der NABU betreibt an der Eidermündung seit 1991 das "Lina-Hähnle-Haus". Es liegt an einer Schnittstelle von Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und der Mündung des Flusses Eider - einem Treffpunkt für Küsten- und Vogelliebhaber. Das Naturerleben ist entsprechend einer der Arbeitsschwerpunkte des Naturzentrums. Regelmäßig werden Wattwanderungen, ornithologische Führungen, Radtouren durch den Wald, Fledermaus-Exkursionen und Erlebnisschifffahrten auf der Eider angeboten; ergänzt durch mehrstündige Exkursionen wie "Vogelstimmen mit Frühstück" oder "Tanz der Schmetterlinge mit Abendwanderung". Die NaturErlebnisTage mit einer Fernoptikmesse im Mai und der Westküsten-Vogelkiek Anfang Oktober zur Hauptzugzeit der Vögel sind Höhepunkte des Jahres.
Das kleine Naturzentrum schmiegt sich eng in eine windgeschützte Ecke hinter den alte Deich am nordfriesischen Flussufer. Als erstes fällt dem Besucher der blumenreiche Garten mit kleinen Teichen auf. Beete mit "Duftpflanzen" oder Heilkräutern laden zum Schnuppern ein, Kinderspiele finden sich verstreut im Garten, kleine Aquarien mit Kaulquappen oder Stichlingen, ein Terrarium mit Raupen - kleine Welten zum Staunen. Hier ein Lehrbeet über Salzpflanzen, dort ein Fühlpfad und verstreut hängen Gedichte von Heinz Erhard in den Pflanzen. Seele baumeln lassen!
Kleine Forscher auf Entdeckungsreise
Um das Zentrum herum finden viele Veranstaltungen für Kinder statt: "Bist Du noch von Sinnen?", "Kleine Forscher auf Entdeckungsreise" oder "Warum muss der Seestern seine Zähne nicht putzen?". In kleinen Gruppen geht es zum Muscheln- und Strandgutsammeln, zum "Tümpeln" in die Teiche oder auf Abenteuerreise in den nahen Katinger Wald. Ob individuell gestaltete Touren für Schulklassen oder monatliche Erlebnisnachmittage für Kindergruppen der näheren Umgebung - Spiele und Erlebnistouren sollen schon "den Lütten" helfen, die Natur zu verstehen und zu lieben.
Darüber hinaus bietet das Zentrum für Besucher eine Dauerausstellung, in der die letzten 600 Jahre der Eidermündung dargestellt werden. Mit der Fertigstellung des Eidersperrwerks 1973 wurde die Flussmündung zum eingedeichten Koog. Menschen versuchten so die einst wilde Flusslandschaft zu zähmen. Gerade über die Flussmündung drang früher das Meer bei Sturmfluten weit ins Land und gefährdete die Siedler: "Egidora", heute "Eider" genannt, heißt frei übersetzt: "das Tor des Schreckens" und verdankt seinen Namen dem fürchterlichen Meeresriesen Aegir aus alter Zeit. Die Ausstellung zeigt den Verlauf des Flusses und stellt Lebewesen von Meer und Süßwasser in zwei Aquarien gegenüber. Zwei raumgreifende Dioramen geben einen Eindruck von den nachhaltigen Veränderungen der Landschaft nach der Eindeichung wieder. Wer die Ausstellung besucht und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zentrums "schnackt", wird draußen in den Schutzgebieten mehr sehen und erleben.
Ferngläser einfach ausleihen
Aufwärmen kann der Besucher sich zudem im Naturzentrum, wo eine kleine Bibliothek mit Bücher- und Bilderverkauf zum Schmökern, wo Mikroskope und "Grabbelkisten" für die Kleinen zum Stöbern einladen. Hier können sich Gäste hochwertige Ferngläser und Spektive des Sponsors Leica ausleihen, um auf eigene Faust die Natur zu entdecken. Nicht wenige der Besucher des Naturzentrums sind Stammgäste, die in ihrem Urlaub regelmäßig die Angebote wahrnehmen, im Garten eine Erholungspause einlegen oder über das Kombiticket "Drei in Einem" den Besuch im Katinger Watt mit Ausflügen zum Nationalparkzentrum Multimar-Wattforum in Tönning und zur Seehundstation Friedrichskoog verbinden.
...aber kommen wir zurück zur unserer kleinen Gruppe von Naturneugierigen: Ein Teil der Gänse landet nur wenige hundert Meter entfernt im Naturinformationsareal nahe den Beobachtungshütten. Dort in den Flachgewässern finden sich gerade im Frühjahr eine Vielzahl von Enten und Watvögeln ein. Im Hintergrund lärmt eine Lachmöwenkolonie, über den nahen Nistplätzen kreisen zwei Rohrweihen-Paare und aus dem Schilf dröhnt der Ruf der Rohrdommel. Wer Zeit und Geduld mitbringt, wird nicht weit entfernt sicher zehn Entenarten sehen, von denen die Männchen jetzt Ende April im bunten Prachtkleid ein mitreißendes Farbspiel zeigen. Direkt vor den Hütten brüten Säbelschnäbler, Austernfischer, Kiebitze - und wer etwas Glück hat wird auch Löffler oder Zwerggänse bei einem Zwischenstopp auf ihren Wanderungen beobachten können.
Liebeswerben der Löffelenten
Unsere Gruppe hat heute vor allem Glück mit den Löffelenten, von denen mehrere Erpel sich mit heftigen Kopfbewegungen mächtig ins Zeug legen, um ein Weibchen zu umwerben - nur etwa 15 Meter von den Hütten entfernt. Schnell werden die Beobachtungen noch in das Hüttentagebuch eingetragen, dann geht es zurück, um im Naturzentrum das mitgebrachten Frühstück zu plündern. Anschließend steht noch der 16 Meter hohe Beobachtungsturm auf dem Programm. Hier weiden Angus-Rinder und Shetland-Ponys (fast) frei auf großen Feuchtwiesen, hier gibt es große Blumenwiesen mit Orchideen und dem Klappertopf - aber das ist eine andere Geschichte...
NABU-Naturzentrum Katinger Watt - Lina-Hähnle-Haus, Katingsiel 14, 25832 Tönning, Tel. 0 48 62-80 04, katinger.watt@nabu-sh.de. Öffnungszeiten: April bis Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr.
von Holger A. Bruns