8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
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Über Umweltauswirkungen des Wintersports
Ischgl in Tirol brüstet sich, das größte klimaneutrale Skigebiet der Alpen zu sein. Die Gemeinde, weithin bekannt für ihre Après-Ski-Partys, kompensiert den Klimagas-Ausstoß des Skibetriebes, indem sie Aufforstungsprojekte in der Region und in Peru finanziert. Auch die Riesneralm schützt das Klima. Das Skigebiet in der Steiermark bezieht Energie und Wasser für seine 130 Schneekanonen aus dem nahegelegenen Donnersbach. Damit sei es, so die Betreiber, „das erste komplett energieautarke Skigebiet der Alpen“. Und in Carezza in Südtirol soll dank erneuerbarer Energien in spätestens drei Jahren klimaneutraler Ski-Urlaub möglich sein.
Mehr als ein grüner Anstrich?
Die Skigebiete in den Alpen und anderswo haben für sich und ihr Marketing die Nachhaltigkeit entdeckt. Doch geht das überhaupt, natur- und klimaschonend einen weißen Abhang hinuntergleiten? Lassen sich Naturschutz und Pistenspaß unter einen Hut bringen? Oder sind die grünen Ambitionen der Skigebiete nur der Versuch, in Zeiten von Fridays for Future durch Greenwashing ein neues, für den Klimawandel sensibilisiertes Publikum zu erschließen?
Fakt ist, dass vielen Skigebieten langsam aber sicher das Geschäftsmodell wegschmilzt. Studien zeigen, dass sich die Alpen doppelt so schnell erwärmen wie die Welt im globalen Durchschnitt. Es wird in den Alpen künftig öfter regnen und seltener schneien. Eine Studie des Schnee- und Lawinenforschungszentrums SLF in Davos rechnet bis Ende des Jahrhunderts mit 70 Prozent weniger Schnee. Der Rückgang betrifft vor allem Höhenlagen bis 1.200 Meter und damit insbesondere die bayerischen Skigebiete, von denen zwei Drittel unterhalb dieser Grenze liegen.
Beschneiung frisst Strom und Wasser
Doch wo kein Schnee, da kein Wintertourismus. Deshalb werden allerorten große Summen in künstliche Beschneiung investiert. In den Skigebieten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ist der Anblick von Schneekanonen und Schneelanzen am Pistenrand heute so alltäglich, dass man sie kaum noch wahrnimmt. Die Geräte erzeugen in ihrem Innern ein Druckluft-Wasser-Gemisch, das sich bei Austritt aus der Düse entspannt, so dass die Wassertröpfchen gefrieren können. Technisch erzeugter Schnee verlängert die Saison oder – je nach Höhenlage des Skigebietes – ermöglicht sie erst. Allerdings kostet das Energie und Wasser.
Und das nicht zu knapp: Für die Beschneiung von einem Hektar Pistenfläche mit 30 Zentimeter Schnee sind nach Rechnung des Deutschen Skiverbandes 20.000 Kilowattstunden Strom nötig. Den Wasserverbrauch dafür gibt das SLF in Davos mit 1.000 Kubikmeter an. In den Alpen werden rund 70.000 Hektar beschneit. Um diese Fläche einmalig mit 30 Zentimeter Kunstschnee zu bedecken, wären demnach insgesamt 1,4 Gigawattstunden Strom und 70 Millionen Kubikmeter Wasser nötig. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt verbraucht etwa 4.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr; der Jahreswasserverbrauch einer Großstadt wie München liegt bei 95 Millionen Kubimkmetern. Je nach Witterungsverhältnissen muss nachbeschneit werden.
Eingriffe für Speicherseen
Den immensen Wasserbedarf für die Kunstschnee-Produktion decken meist Gebirgsbäche, mit deren Wasser künstlich angelegte Seen befüllt werden. Vor allem der Bau solcher Speicherseen sei problematisch, sagt Jürgen Schmude, Tourismusforscher an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität: „Die dafür nötigen Erdbewegungen sind ein massiver Eingriff in die alpine Landschaft.“
Zudem gelangt das abgezapfte Wasser erst zeitverzögert nach der Schmelze zurück in die Natur. Der Wasserhaushalt der Alpen insgesamt werde dadurch jedoch kaum beeinträchtigt, erläutert Schmude: „In den Alpen herrscht ein Überschuss an Wasser, der es erlaubt, mit dieser Ressource großzügig umzugehen.“
Alles plattgewalzt
Kunstschnee dient in vielen Skigebieten als robuste Unterlage für den natürlichen Schneefall. Mit positiven Folgen für die Natur, wie eine Studie des SLF ergeben hat: Eine gleichmäßige Präparierung mit 20 Zentimeter Kunstschnee verhindert demnach mechanische Schäden des Bodens und der Vegetation. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn weil Kunstschnee von Haus aus kompakter ist als Naturschnee, bleibt er im Frühjahr bis zu vier Wochen länger liegen, was sensible Naturräume schädigen kann. „Die Vegetationsperiode verkürzt sich; die Blütezeit verschiebt sich nach hinten“, erläutert Tourismusforscher Schmude. Das könne zur Artenverarmung führen.
Skipisten werden mithilfe sogenannter Pistenbullys gepflegt. Die hochspezialisierten Raupenfahrzeuge sind von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen damit beschäftigt, die vom Skifahren aufgewühlten Pisten wieder in glatte, perfekt gewalzte Rennstrecken zu verwandeln. Angetrieben werden die tonnenschweren Maschinen von 300 PS starken Dieselmotoren mit entsprechendem Spritverbrauch und Abgasausstoß – auch dies eine Belastung für die alpine Flora und Fauna.
Störung der Winterruhe
Doch der ökologische Fußabdruck des Skibetriebs ist nur die eine Seite der Medaille. Wie natur- und klimaschonend der Winterurlaub insgesamt ausfällt, liegt zu großen Teilen in der persönlichen Verantwortung jedes einzelnen Urlaubers. Beispielweise die Art und Weise, wie man sich durch das sensible Ökosystem Gebirge bewegt. Im vergangenen Jahr, als Corona den Liftbetrieb lahmlegte, hat sich der Trend zum Tourengehen potenziert. Für den Aufstieg schnallt man sich einfach ein paar Felle unter die Skier; die Abfahrt ins Tal führt durch unberührtes Gelände. Ähnliches gilt für Snowboard und Schneeschuhe, zwei Sportgeräte, die ebenfalls Winterspaß abseits der Pisten garantieren.
Das Problem: „Tourengeher dringen in Bereiche vor, in denen Wildtiere ihre Winterruhe halten“, erläutert Michael Schödl, Alpen-Referent beim bayerischen NABU-Partner Landesbund für Vogelschutz (LBV). „Im Winter fahren sie ihren Stoffwechsel herunter und leben auf Sparflamme“, führt Schödl aus. Jedes Aufschrecken aus der Winterruhe koste wertvolle Energiereserven: „Im schlimmsten Fall sterben die Tiere den Erschöpfungstod oder werden in der Schneehöhle überfahren.“ Besonders empfindlich seien Birk- und Schneehuhn, aber auch Gams und Hirsch würden gestört.
Das Auto zuhause lassen
Auch die Wahl der Unterkunft ist ein gewichtiger Posten in der persönlichen Umweltbilanz. Luxushotels, die ihre Gäste mit Dampfbad, Saunalandschaft und beheiztem Außenschwimmbecken verwöhnen, schlucken weit mehr Energie als einfach eingerichtete Herbergen. Im Fünf-Sterne-Hotel werden laut Hotel- und Gaststättenverband Dehoga pro Gast und Nacht 47,6 Kilogramm energiebedingte Kohlendioxid-Emissionen frei; im Zwei-Sterne-Betrieb sind es mit 24,7 Kilo nur etwa halb so viel. Zertifizierte Biohotels bleiben sogar deutlich unter zehn Kilo pro Gast und Nacht.
Noch weit stärker als die Unterkunft schlagen jedoch An- und Abreise mit dem eigenen Auto zu Buche. Lauf einer SLF-Studie verursacht der skisport-bedingte Verkehr während der Saison etwa drei Viertel der Kohlendioxid-Belastung in den Alpen.
Wettlauf mit dem Klimawandel
Die Alpine Pearls, ein Zusammenschluss von 19 Orten aus fünf Alpenländern, die sich dem sanften Tourismus verschrieben haben, wollen das ändern. Sie garantieren ihren Gästen, dass diese auch ohne eigenes Auto überall hinkommen: zum Skilift, zum Wanderparkplatz, in die nächste Einkaufsstadt. Auch der Transfer vom Bahnhof ins Hotel gehört zum Service. Möglicherweise der Weg in eine grünere Ski-Zukunft. Wenn der Klimawandel mitspielt: In den Alpen haben in den vergangenen 15 Jahren rund 60 Skigebiete aufgegeben.
Hartmut Netz
Externe Links: Nachhaltige Alternativen
- www.bergsteigerdoerfer.org: Nachhaltiger Tourismus unter Verzicht auf technische Erschließungsmaßnahmen.
- www.alpine-pearls.com: 19 Dörfer aus fünf Ländern garantieren klimafreundlichen Urlaub ohne eigenes Auto.
- www.biohotels.de: Unterkünfte mit geringem ökologischem Fußabdruck in fünf europäischen Ländern.
- www.viabono.de: Unterkünfte, die mit natürlichen Ressourcen besonders sparsam umgehen.
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