8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
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Brauchen wir einen Natur-Knigge?
Ja, es gibt diese Leute, für die Natur bestenfalls eine austauschbare Kulisse ist. Die ihren Aktivitäten genauso gut in einem Ferienclub, auf dem Sportplatz oder in einer Halle nachgehen könnten. Oder andere Leute, die in Wald und Flur einen bloßen Selbstbedienungsladen zur freien Verfügung sehen, in dem man weder auf Tiere und Pflanzen, noch auf Mitmenschen Rücksicht nehmen muss.
Guter Wille alleine reicht nicht
Doch nicht nur solche Zeitgenossen machen Probleme. Denn da ist noch die große Zahl der Naturhungrigen, die mehr oder minder guten Willens sind, aber alleine schon durch ihr vermehrtes Auftreten die Natur vor Herausforderungen stellen. Und denen die Kenntnisse fehlen, mögliche Störwirkungen und andere Folgen ihres Tuns richtig einzuschätzen. Selbst wenn ein Vogelschwarm auffliegt oder ein Hase die Flucht ergreift, werden unbedarfte Laien das nicht unbedingt auf sich zurückführen.
Dazu kommt die enorme „Dunkelziffer“ der relevanten Störungen, die der Mensch selbst gar nicht bemerkt. Meist nehmen uns Tiere viel eher und mit großem räumlichem Abstand außerhalb unseres eigenen Blickfeldes wahr. Ähnliches gilt für direkte Schädigungen. Wie schnell ist aus Unachtsamkeit eine seltene Pflanze zertrampelt oder ein Käfer zerquetscht.
Überfüllte Natur
In Zeiten von Corona hat sich die Belastung weiter erhöht. Draußen ist eben kein Lockdown und ganzjährig geöffnet. Dass nun so viele Menschen ins Grüne drängen, ist verständlich. Gerade in Stadtnähe wurde die Natur in den Pandemiejahren geradezu überrannt und auch geschützte Bereiche wurden nicht verschont. Es ist absehbar, dass sich das wiederholen wird.
Immer mit Rücksicht: Wichtige Verhaltensregeln in Kürze
Leise statt laut. Ob Musik oder laute Stimmen: Lärm stört nicht nur andere Erholungssuchende, sondern vor allem viele Tiere, diese sind meist deutlich lärmempfindlicher als wir Menschen.
Nicht vom Weg abkommen. Wer auf den Wegen bleibt, minimiert Störungen automatisch. In fast allen Naturschutzgebieten gilt ohnehin ein strenges Wegegebot.
Abstand halten. Unbedingt ausgewiesene Betreuungs- und Ruhezonen beachten. Das gilt auch auf Flüssen und Seen.
Nichts hinterlassen. Abfall ist nicht immer zu vermeiden, ob Plastik oder Bananenschalen. In der Natur hat er aber nichts zu suchen. Bitte unbedingt wieder mit nachhause nehmen.
Maß halten. Beeren und Pilze dürfen außerhalb von Schutzgebieten für den Eigengebrauch gesammelt werden.
Nicht zündeln. Rauchen und offenes Feuer sind eine große Gefahr. Auch Grillen in Waldnähe ist tabu.
Hunde an der Leine. Hunde werden von anderen Tieren immer als Bedrohung gesehen. In vielen Bundesländern gilt daher im Sommerhalbjahr Leinenzwang. Vernünftig ist es allemal.
Nicht wildcampen. Nächtigen unterm Himmelszelt mag verlockend sein, aber wildes Campen ist verboten. Nachts soll die Natur zur Ruhe kommen.
Nutzen und betreten: Ein Blick ins Gesetz
Beim Umgang mit und in der Natur sollten wir uns vor allem von Rücksichtnahme leiten lassen. Ein Blick in die Gesetze ist trotzdem hilfreich. Obgleich Naturschutz in weiten Teilen Ländersache ist, gibt das Bundesnaturschutzgesetz den Rahmen vor.
Dort heißt es zum Beispiel: „Es ist verboten, wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten; wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten; Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören.“
Für den persönlichen Bedarf
Und mit „vernünftigem Grund“? Da ist schon einiges erlaubt: „Jeder darf wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.“ Mit „Genehmigung der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde“ ist selbst das „gewerbsmäßige Entnehmen, Be- oder Verarbeiten wild lebender Pflanzen“ möglich: „Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Bestand der betreffenden Art am Ort der Entnahme nicht gefährdet und der Naturhaushalt nicht erheblich beeinträchtigt werden. Die Entnahme hat pfleglich zu erfolgen.“
Dass Pflanzenentnahme verboten ist, wo bereits das Betreten nicht erlaubt ist, liegt in der Natur der Sache. Grundsätzlich hat Deutschland im Vergleich zu manch anderen Ländern ein recht liberales Betretungsrecht: „Das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung ist allen gestattet. Das Betreten der freien Landschaft erfolgt auf eigene Gefahr. Es besteht insbesondere keine Haftung für typische, sich aus der Natur ergebende Gefahren.“ Dabei sind unter „ungenutzten Grundflächen“ auch abgeerntete Äcker zu verstehen, diese dürfen begangen werden, etwa zum Drachensteigen.
Radfahren im Wald
Wälder gehören übrigens nicht zur „freien Landschaft“. Diesen Bereich wollte sich die Forstpartie nicht nehmen lassen und deswegen ist ein Blick ins Bundeswaldgesetz nötig: „Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, (…) das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Länder regeln die Einzelheiten.“ Die Länder können die grundsätzliche Erlaubnis aus vielerlei Gründen einschränken und sie machen davon regen Gebrauch. Wie und wo man im Wald zum Beispiel mit dem Fahrrad unterwegs sein darf, kommt ganz auf die Region an.
Eine weitere Einschränkung aus dem Bundesnaturschutzgesetz: „Es ist verboten, Höhlen, Stollen, Erdkeller oder ähnliche Räume, die als Winterquartieren Fledermäusen dienen, in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. März aufzusuchen. Dies gilt nicht zur Durchführung unaufschiebbarer und nur geringfügig störender Handlungen sowie für touristisch erschlossene oder stark genutzte Bereiche.“
Wer kennt all die Arten?
Soweit einige Grundsätze, zu denen es aber, und ab da wird es leider kompliziert, stark einschränkende Ausnahmen gibt. So sind die Regeln für „besonders geschützte“ und „streng geschützte Arten“ viel schärfer, „entnehmen und sich aneignen“ ist tabu. Es gilt ein Besitz- und Vermarktungsverbot. Die Liste ist recht lang, unter anderem gehören dazu Eisenhut, Arnika, die meisten Farne, alle Nelken und Enziane, Blaustern, Schachblumen, Schwertlilien und Küchenschellen sowie sämtliche wild wachsenden Orchideen, Krokusse, Tulpen und Narzissen. Auch viele Pilze sind besonders geschützt.
Ähnlich ist es bei Schutzgebieten: „Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, können Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.“ Die Zugänglichkeit wird meist in den einzelnen Schutzgebietsverordnungen geregelt und dort heißt es fast durchweg: Es gilt ein Wegegebot, man muss also immer auf den Wegen bleiben, egal ob per Rad oder zu Fuß.
Um also die Eingangsfrage zu beantworten: Ja, so wie im Umgang miteinander benötigen wir auch im Umgang mit der Natur Regeln. Natürlich gibt es davon bereits reichlich, zum Beispiel in den Naturschutzgesetzen. Aber wer liest und versteht schon Gesetze oder Schutzgebietsverordnungen. Regeln müssen verständlich sein, sie müssen nachvollziehbar sein, sonst fehlt die Bereitschaft, sie einzuhalten. Und sie müssen bekannt sein, deshalb finden sich heute auf jeder Nationalpark-Homepage ausführliche Benimm-Hinweise.
Verletzliche Natur
Noch wirkungsvoller ist die direkte Informationsvermittlung. In größeren Schutzgebieten kümmern sich darum auch in Deutschland immer mehr sogenannte Ranger. Deren Status und Aufgaben können zwar sehr unterschiedlich sein, Besucherbetreuung und -lenkung gehört aber immer dazu. In Berlin gibt es inzwischen in einem Pilotprojekt auch Stadtnatur-Ranger, die in allen Bezirken der Hauptstadt sowohl Umweltmonitoring wie auch Umweltbildung abdecken.
Nicht immer geht es dabei konfliktfrei zu, wie Brigitte Kornberg vom Bayerischen Rundfunk am Beispiel des Walchensees im Voralpenland berichtet: „Inzwischen sind die Ranger nur noch zu zweit unterwegs. Der Widerstand, mit dem sie es zu tun haben, ist stärker geworden, der Ton rauer. Viele Menschen haben kein Verständnis für das Anliegen der Ranger. Sie werden beschimpft und bedroht, dabei wollen sie bloß aufklären, was manches Fehlverhalten für die Natur bedeutet.“
(Wald-)Brände: Nicht zum Feuerteufel werden!
Es brennt immer öfter. Mal fackelt ein Acker ab, mal ganze Wälder. Damit es brennt, braucht es Trockenheit, Brandmaterial und einen Anzünder. Nahezu alle Brände sind menschengemacht, mal aus Unachtsamkeit, mal aus Absicht. Eine weggeworfene Zigarette, Lagerfeuerglut oder ein heißer Autokatalysator reichen. In den Worten von Feuerexperte Alexander Held: „Es gibt drei Brandursachen – Männer, Frauen und Kinder.“ Selbstentzündung kommt in Mitteleuropa höchstens bei Altmunition vor.
Unschuldig sind dagegen Glasflaschen oder Glasscherben. Die haben in der Natur nichts verloren, aber Brände verursachen sie keine. Sie können Sonnenlicht nicht so stark bündeln, dass sich Gras oder Papier entzünden würde. Auch Sommerhitze löst bei weitem keine Brände aus. Dass es im Winter vergleichsweise wenig brennt, begründet Meteorologe Jörg Kachelmann so: „Im Sommer sind draußen einfach mehr Deppen unterwegs“.
Das ist knifflig, aber am Ende bleibt doch immer wieder nur Aufklärung, um so zu Einsicht zu gelangen. Wer verbietet oder einschränkt, muss dies begründen können. Dass zum Beispiel viele Vögel eine Kameradrohne als Gefahr betrachten. Übrigens große Vögel eher als kleine, und vor allem, wenn sich die Drohne senkrecht nähert, wie Schweizer Untersuchungen zeigen. Oder dass Zigarettenstummel Gift wie Arsen und Blei enthalten.
Anschauen erlaubt
Selbst erfahrenen Naturfreund*innen erschließt sich nicht jede Bestimmung auf den ersten Blick. Warum darf man eine ausgefallene Feder zwar anschauen und anfassen, braucht aber streng genommen eine Ausnahmegenehmigung, um sie mit nach Hause zu nehmen? Nicht weil übellaunige Bürokraten die Freunde an der Natur verderben wollen. Grund sind Sammeleifer und Gier mancher Mitmenschen. Es gibt eine regelrechte Sammlerszene und einen Schwarzmarkt vor allem für seltene Federn. Und da Jeder behaupten kann, die Feder stamme aus dem Wald oder von einem Totfund, ist das Sammeln generell verboten.
Im Trend: Low-Carbon Birding und Run-Birding
Ja gibt es denn dafür keine deutschen Begriffe? Nein, eben nicht. Und wenn wir es übersetzen wollten, klänge es längst nicht mehr so knackig. Beide Trends kommen, wie sollte es anders sein, ursprünglich aus den USA.
Beim „Run-Birding“ geht es nicht darum, einfach Vögeln hinterherzurennen; jedenfalls nicht in erster Linie. Hier werden sportliche Betätigung und Vogelbeobachtung kombiniert. Wenn ich ohnehin fast jeden Morgen eine längere Runde jogge, kann ich das auch zur Beobachtung nutzen und dabei meine Sichtungen natürlich unterwegs per App festhalten. Die Joggingstrecke wird so zum Monitoring-Transekt. Oder ich richte meine Laufstrecke danach aus, wo es möglichst viele Vögel zu sehen gibt.
„Low-Carbon Birding“ wiederum ist Vogelbeobachtung mit möglichst kleinem Klimafußabdruck, was bei den großen Distanzen im autoabhängigen Amerika vor allem heißt, dass man sich auch mal per Fahrrad nach draußen begibt oder in den Ballungsräumen den Beobachtungsort per S-Bahn ansteuert. Und überhaupt die Natur vor der Haustür wieder schätzen lernt und auf (Flug-)Fernreisen verzichtet. Auch in Großbritannien hat Low-Carbon Birding immer mehr Anhänger*innen.
Mehr: www.lowcarbonbirding.net, Twitter: @BirdingClimate
Buchtipp: Wandern mit Rücksicht
Wandern gehört zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten, auch weil ein Ausflug in die Natur ermöglicht, den Leistungsdruck hinter sich zu lassen und den Alltag zu vergessen. Wer jedoch mehr als seine wohlbekannte Runde drehen möchte, sollte ein paar grundlegende Dinge wissen, damit unterwegs nichts schief läuft. Von der Tourenplanung, Ausrüstung und Orientierung über Karten- und Schilderlesen bis hin zum Verhalten in der Natur – das Wanderlexikon von NABU-Mitglied Ingo Seifert-Rösing liefert Antworten.
Ingo Seifert-Rösing: Wander-Lexikon. – 288 Seiten. 19,95 Euro. Pietsch 2020. ISBN 978-3-613-50908-5.
Naturschützer*innen sollten stets mit gutem Beispiel vorangehen und sich penibel an die Benimmregeln halten. Sie haben keine Sonderrechte. Und wo sie der Natur doch näher rücken wollen als üblich, etwa für die Artenerfassung oder für Pflegemaßnahmen, geht es nicht ohne Absprachen mit Flächeneigentümern und staatlichen Stellen. Auch wenn das manchmal in aufwändigen Papierkrieg ausarten kann.
Helge May
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