Moore speichern mehr erdgebundene Kohlenstoffe als alle Wälder der Erde zusammen. Helfen Sie mit einer Patenschaft dabei, Moore zu schützen und zu erhalten!
Jetzt informieren!Beziehungsstatus: kompliziert
Moore und Klima gehören untrennbar zusammen
Eigentlich befanden sich Moor und Klima in einer sehr stabilen Beziehung, doch mit der planmäßigen Trockenlegung der Moore durch den Menschen kam Krisenstimmung auf. Zunächst klaglos hingenommen zeigt uns das Klima heute bereits spürbar seine Unzufriedenheit. Aber nicht etwa Moore und Klima müssen zur Paarberatung, der Mensch muss erkennen, dass sein Umgang mit Mooren mindestens ebenso das Weltklima beeinflusst wie der rauchende Schornstein oder der stinkende Auspuff. Wo genau liegen die Probleme? Wie beeinflussen Moore das Klima und umgekehrt?
Wir begeben uns auf Spurensuche im westlichen Estland in der Nähe von Uexküll, nahe dem Stammsitz eines ursprünglich bremischen Adelsgeschlechts. Es ist kühl und regnerisch. „Herzlichen Glückwunsch!“, begrüßt mich Mati Ilomets, als ich ihn Mitte Juni im Moor Suursoo-Leidissoo besuche. „Heute ist bereits der dritte Tag des Jahres, an dem das Thermometer leicht über die 20-Grad-Marke klettert.“ Professor Mati Ilomets ist einer der profiliertesten Moorforscher des Baltikums und koordiniert an der Universität Tallinn den estnischen Teil des Projektes „LIFE Peat Restore“, ein EU-Klimaschutzprojekt in Estland, Lettland, Litauen, Polen und Deutschland.
Moore müssen permanent nass sein
Das ungewöhnliche Wettergeschehen war mir auch in Deutschland nicht entgangen: überdurchschnittlich niederschlagsreich und lokal oft sehr kühl. So war es auch in vielen Bereichen des Baltikums. Doch Wasser gehört reichlich in Moore, weshalb Moorschützer keineswegs unglücklich sind, wenn sie nicht nur sprichwörtlich im Regen stehen. Mati freut sich außerdem, dass die durchschnittliche klimatische Wasserbilanz nach dem viel zu trockenen Vorjahr endlich wieder ausgeglichen sei. Am globalen Trend ändern solche regionalen Wetterkapriolen indessen nichts – im Gegenteil, sie können sogar Ausdruck des Klimawandels sein.
Mati und sein siebenköpfiges Team wollen in Suursoo-Leidissoo 3.343 Hektar Moor wieder renaturieren und dazu an über 100 Stellen künstliche Entwässerungsgräben verschließen. Währenddessen sammeln sie Daten darüber, wie sich die Maßnahmen auf die Treibhausgasbilanz auswirken. Was wissen wir eigentlich über Treibhausgase und ihre Entstehung in entwässerten Mooren? In der Theorie eine ganze Menge. Zum Beispiel, dass natürliche Moore in permanent süßwassergesättigten Räumen entstehen und die pflanzliche Produktion höher ist als die Zersetzung der abgestorbenen Pflanzenreste durch Mikroorganismen unter dem Wasserspiegel. Was dabei entsteht, nennen wir Torf, und hier ist global gesehen doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert wie in allen Wäldern. Wenn Moore also ungestört wachsen dürfen, sind sie eine hervorragende Kohlenstoffsenke.
Entwässerung macht Senke zur Quelle
Wird der Torfkörper allerdings bei der Entwässerung Luft ausgesetzt, reagiert er unter anderem mit dem Luftsauerstoff und oxidiert mit der Zeit. Dabei entsteht viel CO2. Den direkten atmosphärischen Gasaustausch eines Moors kann man messen. Hierzu verwendet man eine Haube, die auf die Mooroberfläche gesetzt wird, und ermittelt die Konzentrationsänderungen darin. So kann man auch die beiden anderen klimarelevanten Gase messen: Methan und Lachgas. Und natürlich müssen Temperatur und Wasserstand ermittelt werden.
Allerdings ist der direkte Gasaustausch mit der Atmosphäre nur ein Teil der Kohlenstoffbilanz. Enorme Mengen verlassen das Moor gar nicht direkt in die Atmosphäre, sondern in Form von sogenanntem gelöstem organischem Kohlenstoff DOC durch den Entwässerungsgraben, und gelangen so in Fließgewässer, Seen und Meere. Darüber hinaus reagiert DOC mit dem im Wasser gelösten Sauerstoff und produziert so ebenfalls CO2 – allerdings nicht im Moor, sondern in den Gewässern. Durch die Sauerstoffzehrung haben viele Gewässerorganismen keine Überlebenschance, und die sprichwörtlichen „Todeszonen“ in der Ostsee, also großflächige sauerstofffreie Bereiche, verhindern zum Beispiel eine natürliche Reproduktion vieler Fischarten.
Drohneneinsatz für den Moorschutz
Der Regen hat nachgelassen. Fast geräuschlos startet eine Drohne in den Himmel. Drohnenpilot Raimo Pajula steuert das Gerät eine gute halbe Stunde über das Moor und bringt es sicher neben uns zur Landung. „Das ist der Teil der Arbeit, der am meisten Spaß macht“, sagt der Fernerkundungsspezialist des estnischen Projektteams. Zusammen mit den Vegetationskartierungen am Boden können die Daten der Drohne in viele Richtungen ausgewertet werden. Geländehöhen, Vegetationseinheiten und von der Vegetation überwachsene, aber hydrologisch noch wirksame ehemalige Entwässerungsgräben können identifiziert werden. Neben den direkten Gasmessungen dient auch das der Ermittlung der Kohlenstoffbilanz, denn bestimmte Vegetationstypen können heute Emissionen zugeordnet werden.
Um entwässerte Moore wieder zu Kohlenstoffsenken zu machen braucht es viel Engagement, Geduld und internationale Zusammenarbeit. Mit LIFE „Peat Restore“ leisten der NABU und seine Partner einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz in der Europäischen Union.
Mehr Informationen zum Projekt finden Sie unter www.life-peat-restore.eu
Tom Kirschey & Andreas Herrmann
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