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Das Schutzprojekt Großes Torfmoor in Ostwestfalen
Von der B65 zwischen Minden und Lübbecke in Richtung Isenstedt abbiegen, und dann? Irgendwie immer am Kanal entlang. Zugegeben: Es gibt Orte, die sind leichter zu erreichen. Aber schließlich geht es um Natur, und da ist das Große Torfmoor zwischen Wiehengebirge und Mittellandkanal ein echtes Kleinod. Im wichtigsten und artenreichsten noch verbliebenen Moorgebiet in Nordrhein-Westfalen leben auf einer Fläche von rund 550 Hektar zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten.
Das Große Torfmoor ist vor allem ein Vogelparadies. 73 Arten brüten hier, darunter 28 Vertreter der Roten Liste wie Wasserralle, Feldschwirl, Rohrammer und Wachtelkönig. Pirol und Nachtigall sind hier ebenso zu finden wie der gut im Schilf versteckte Teichrohrsänger. Längst haben sich Schwarzkehlchen das Große Torfmoor erobert, im Sommer 2012 war sogar das Blaukehlchen mit mehreren Brutpaaren vertreten. Versierte Ornithologen erkennen im Frühjahr den flötenden Ruf des Brachvogels.
Doch heute steht die Bekassine im Mittelpunkt. Der Vogel des Jahres 2013 hat im Großen Torfmoor einen seiner Verbreitungsschwerpunkte in Nordrhein-Westfalen. Im vor Ort sehr trockenen Sommer 2012 wurden zwölf Brutpaare gezählt, 2011 hatte eine Zählung noch über 20 Paare ergeben. Doch mindestens ebenso wichtig ist das Große Torfmoor als Rastfläche für Durchzügler im Frühling oder auch im Herbst, wenn sich viele Bekassinen aus dem Norden und Osten auf den Weg in ihre iberischen Winterquartiere begeben. Diese Tiere, erzählt Hermann Nagel vom NABU Minden-Lübbecke, ließen sich beim Stochern gut vom Nordturm aus beobachten, der ältesten Aussichtsplattform im Schutzgebiet.
Das Moor wächst wieder
In den Randbereichen wurde über Jahrhunderte Torf gewonnen. Die Abtorfung erfolgte traditionell im bäuerlichen Handtorfstichverfahren, lokal begrenzt auch zur Badetorfgewinnung. Zwar wurde der Torfabbau in den 1960er Jahren aufgegeben, doch die starke Entwässerung durch Stichgräben in angrenzende Fließgewässer hatte zu einem massiven Rückgang bei vielen hochmoortypischen Tier- und Pflanzenarten geführt.
Um die Hochmoorflächen für den Naturschutz wieder zu entwickeln, begann das Land Nordrhein-Westfalen bereits Anfang der 1970er Jahre mit dem Flächenankauf. Damals brüteten drei Bekassinenpaare im Großen Torfmoor. Nachdem in den 1980er Jahren mehrere Dämme gebaut wurden, staute sich das Wasser in den alten Entwässerungsgräben auf und sorgte so für eine langsame Wiedervernässung auch der höher gelegenen Torfrücken.
Im Rahmen eines Life-Projektes wurden zwischen 2003 und 2008 unter Federführung des NABU Minden-Lübbecke weitere wichtige Schritte für die Entwicklung einer weiten, nahezu baumlosen Hochmoorlandschaft vollzogen. Zusätzliche Entwässerungsgräben wurden mit Holzbohlen angestaut und zahlreiche Birken, die dem Moor Wasser entziehen, gefällt. Die Beweidung durch Schafe sorgt dafür, dass sich typische Pflanzen wie die Moosbeere wieder ansiedeln.
Gut getarnt im braunen Moor
Die Maßnahmen waren erfolgreich, wie ein Blick über die großen Freiwasserflächen zeigt. Eine große Schar Kiebitze sammelt Kraft für den langen Weg nach Süden, wenige Schwarzhalstaucher mischen sich unter die zahlreicher vertretenen Zwergtaucher. Bis in den September hinein lassen sich Baumfalken über der Wasseroberfläche bei ihren akrobatischen Jagdflügen beobachten.
Auch Störche profitieren von den extensiv genutzten Feuchtwiesen im Umfeld des Großen Torfmoores. Anfang Juni 2012 brüteten im Kreis Minden-Lübbecke 39 Paare. Auf der Suche nach Teichfröschen besuchen die Störche mitunter auch das Hochmoor, wo der Moorfrosch seine vermutlich größte Population in Westfalen hat.
Und wo sind jetzt die Bekassinen? Mit ihrer grau-braunen Färbung sind sie vor der braunen Moorkulisse ohnehin der Alptraum von Naturfotografen und vogelbeobachtenden Laien. Vielleicht dort drüben, weit rechts vom Nordturm, dieser stochernde Vogel, der plötzlich seinen Kopf hebt, ruhig verharrt und dann gravitätischen Schrittes durch das Flachwasser stakst. Natürlich ist das eine Bekassine – das Gegenteil kann mir in der grauen Einsamkeit dieses Herbsttages ohnehin niemand nachweisen.
Erfolge und Herausforderungen
Der NABU Minden-Lübbecke hat mit seinen rund 1.500 Mitgliedern in den vergangenen Jahren viel für das Ökosystem Großes Torfmoor erreicht. Und er hat noch viel mehr vor, erzählt Hermann Nagel: „Wir wollen weitere Dämme aufschütten und den Außenbereich besser abdichten, damit mehr Feuchtigkeit auf den Moorflächen verbleibt.“ Dadurch werden weitere kleine Tümpel entstehen, der bevorzugte Aufenthaltsort von Bekassinen. Viel verspricht sich Nagel dabei von der Kooperation mit der Biostation Minden.
Eine weitere Aufgabe geht über die Grenzen des Moores hinaus. So hätte das Wasser im Moor je nach Menge der jahreszeitlichen Niederschläge über das bestehende Entwässerungssystem noch immer eine Verbindung zur Bastau, einem naturfern ausgebauten Fließgewässer mit teilweise dichtem Fischbesatz, erzählt Nagel: „Eine Renaturierung der Bastau von der Quelle bis an den Stadtrand von Minden ist aus ökologischen und aus Hochwasserschutzgründen zwingend notwendig.“
Das aktuelle Großprojekt des NABU Minden-Lübbecke ist der Bau des Erlebniszentrums Moorhus. In dem komplett mit Erdwärme geheizten Gebäude, das im Frühjahr 2013 eröffnet werden soll, wird eine umfangreiche Ausstellung zum Thema Moor die Besucher in die Welt der Bekassine entführen.
von Bernd Pieper
Das Große Torfmoor gehört zu den herausragenden Moorlandschaften Nordrhein-Westfalens. Zwar konnte der NABU durch jahrelanges Engagement viel zum Erhalt und zur Revitalisierung dieses Moores erreichen, doch gibt es weiterhin viel zu tun. Mehr →