(1/5) Die Schutzzonen in der Nordsee.. - Grafik: NABU
Energiewende auf Kosten des Wattenmeers?
Ausbau von Pipelines und Kabeltrassen gefährdet UNESCO-Weltnaturerbe
Offshore-Windkraft ist ein zentrales Element der dringend benötigten Energiewende. Doch die Dimensionen sind gewaltig: In der deutschen Nordsee sollen bis 2045 Offshore-Windparks mit einer Leistung äquivalent zu mehr als 50 Atomkraftwerken gebaut werden, also von mindestens 66 Gigawatt.
Diese Energie soll in über 100 Kabeln von der Nordsee auf das Festland geleitet werden – und damit unweigerlich durch das Wattenmeer. Zusätzlich sind internationale Stromtrassen sowie Wasserstoff- und CO₂-Pipelines ab Wilhelmshaven geplant. Letztere, um unsere Restemissionen unter der Nordsee zu verpressen.
Trassen durch das Herz des Nationalparks?
Schon jetzt zerschneiden Kabeltrassen, Pipelines, Plattformen und Flüssiggas-Terminals die Nordsee und insbesondere das Wattenmeer. Die oben- und untenstehenden Grafiken zeigen die Dimensionen, und die Hotspots des geplanten Ausbaus. Bisher sollen alle Trassen für Energiekabel mitten durch das Herz des UNESCO-Weltnaturerbes und den Nationalpark Wattenmeer führen! Damit kollidieren die Pläne mit den nationalen und internationalen Naturschutzzielen wie den Nationalparkgesetzen der Küstenländer und der UNESCO-Welterbekonvention.
Besonders in Niedersachsen ist der Druck durch die Ausbauziele auf den Inseln Norderney, Baltrum und Langeoog zu hoch:
Die Zerstörung von Dünen, Muschelbänken, Watten und Sandbänken wäre massiv – wichtige und sensible Lebensräume würden zerstört werden. Besonders Seehunde sowie Brut- und Zugvögel sind betroffen. Letztere gleich doppelt, denn sie verlieren ihren Lebensraum und würden unter der vorgesehenen Ausweitung der Bauzeitenfenster auch im Frühjahr und Herbst leiden. Genau die Zeiten, zu denen über zehn Millionen Zugvögel das Wattenmeer brauchen, um Energie für ihren Weiterflug zu sammeln.
Diese massiven Umweltschäden wurden in vorherigen Prüfungen erkannt und die Routen über Baltrum und Langeoog daher verworfen. Doch mittlerweile ist der Bedarf an Flächen für den Ausbau der Energiewende so groß geworden, dass sogar eindeutig umweltschädigende Pläne wieder hervorgeholt und ohne eine raumordnerische Prüfung umgesetzt werden sollen.
UNESCO könnte Welterbestatus aberkennen
Diese Fehlentwicklungen und insbesondere den Ausbau von Kabeltrassen und Pipelines mitten im Schutzgebiet kritisiert nicht nur der NABU, sondern auch die UNESCO und die internationale Staatengemeinschaft. Sie fordert Deutschland, Dänemark und die Niederlande auf, ihre Verantwortung für das gemeinsame UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer ernst zu nehmen. Sonst droht der Entzug des Welterbe-Status!
- Keine neuen Infrastruktur-Korridore im Weltnaturerbe!
Aus Sicht des NABU müssen alternative Routen entlang der Schifffahrtsstraßen genutzt werden. Jeglicher Neubau von industrieller Infrastruktur wie Kabeltrassen und Pipelines im UNESCO-Welterbegebiet und Nationalpark ist zu vermeiden. Es wurden bereits erfolgreich Kabel und Pipelines am Rande der Schifffahrtstraßen in der Ems verlegt. Hier ist der Meeresboden durch die Vertiefung der Flüsse bereits stark geschädigt. Dieser sollte daher gezielt für den Ausbau von Kabel und Pipelines geprüft werden, anstatt im Welterbe zu bauen. Weiterhin können bestehende Infrastruktur-Korridore mit geringer Leistung „recycled“ und aufgerüstet werden, anstatt neue Flächen zu schädigen.
- Keine weitere Übernutzung des Wattenmeers!
Das Wattenmeer leidet schon heute unter vielfacher menschlicher Nutzung und den Auswirkungen der Klimakrise. Zur bodenberührenden Krabbenfischerei kommt die Vertiefung für Schifffahrt und Häfen, Schadstoffeinträge aus der Landwirtschaft und Industrie und Müll im Meer. Besonders in Niedersachsen ist der Druck auf den Nationalpark hoch. Wichtige marine Lebensräume wie Sandkorallen und Seegraswiesen sind fast verschwunden. Ein zusätzlicher Ausbau von Kabeltrassen und Pipelines im Schutzgebiet ist nicht kompatibel mit dem schlechten Umweltzustand und Schutzstatus des Wattenmeers!
Im Überblick: Was genau ist wo bereits gebaut und geplant?
Klicken Sie sich durch die Karten, um zu sehen, welche Infrastrukturprojekte wo geplant sind und welche es schon jetzt in der Nordsee gibt:
Quellen der NABU-Grafik: Amprion, BSH, BMWK, Cogea, EMODnet Human Activities, FNB Gas e.V., LKN.SH, Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, Tennet, TNO, Rijkswaterstaat Noordzee, VDZ, WWF.
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(2/5) ..ergänzt um die aktuell verlegten Datenkabel in der Nordsee.. - Grafik: NABU
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(3/5) ..und die gebauten und geplanten Energiekabel sowie Offshore-Plattformen.. - Grafik: NABU
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(4/5) ..sowie gebaute und geplante Pipelines und Öl- und Gasplattformen - Grafik: NABU
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(5/5) Auf einen Blick: Bestehende und geplante lineare Infrastruktur in Wattenmeer und Nordsee sowie LNG-Terminals - Grafik: NABU
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Zoom auf die Ausbaupläne in Niedersachsen mit Langeoog, Baltrum und Norderney im Zentrum - Grafik: NABU
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