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Salzwiesen sind ein extremer Lebensraum
Salzwiesen sind krautige Pflanzenlandschaften und eine in vielen Jahren gewachsene natürliche Barriere zwischen Meer und Deich. Sie entstehen, weil mit jeder Flut Schwebeteilchen ins ufernahe Watt geschwemmt werden. Dabei sinkt feines Material ab und bildet mit der Zeit eine Schlickschicht. Die wächst rund einen Zentimeter pro Jahr. Wenn der Schlick nicht mehr von jedem Hochwasser überflutet wird, siedelt sich der – übrigens essbare – Queller an, eine sogenannte Pionierpflanze, der schon bald weitere Pflanzen folgen.
Im Verhältnis zur mittleren Hochwasserlinie bilden sich unterschiedliche, ineinander übergehende Vegetationsflächen. In der bis zu 700-mal pro Jahr überschwemmten Pionierzone gedeihen beinahe ausschließlich Queller und Schlickgras. Für die untere Salzwiese, die jährlich bis zu 300-mal unter Wasser steht, sind Andelgras, Stranddreizack und Englisches Löffelkraut typisch. In der höchstens 70-mal pro Jahr überschwemmten oberen Salzwiese wachsen unter anderem Rotschwingel, Strandwegerich und Tausendgüldenkraut.
Spezialisten
Salzwiesen sind ein extremer Lebensraum. Da Salz in großen Mengen die Aufnahme von ausreichend Flüssigkeit erschwert, haben die Pflanzen Strategien zur Regulierung ihres Wasserhaushalts entwickelt. Der Queller etwa verdünnt das aufgenommene Salz in seinen Zellen mit Süßwasser, was zum namensgebenden Aufquellen der Pflanze führt. Da die Pflanzen der Salzwiesen für ihren jeweiligen „Entsalzungsmechanismus“ viel Energie verbrauchen, wachsen sie recht langsam. Dafür müssen sie in ihrer sehr speziellen Umgebung kaum Konkurrenz fürchten.
Für rund 50 Vogelarten, darunter Löffler, Ringelgans und Rotschenkel, sind Salzwiesen ein unverzichtbarer Rast- und Brutplatz. Auch rund 1.650 Spinnen und Insekten sollen sich hier tummeln. So ganz genau vermag das noch niemand zu sagen. Darunter finden sich echte Experten wie der Prächtige Salzkäfer, der sich im oberen Bereich seiner Wohnröhre einen kleinen Algenvorrat für schlechte Zeiten anlegt. Oder die Gelbe Wiesenameise, die von den Ausscheidungen der Wurzellaus lebt und sich daher im eigenen Nest eine Läusezucht hält.
Nicht nur an der Küste
Tritt im Binnenland salzhaltiges Grundwasser an die Oberfläche, können dort ebenfalls Salzwiesen entstehen. Solche Flächen, wie etwa Marstall- und Luchwiesen bei Storkow (Brandenburg), kommen europaweit allerdings nur sehr selten vor, in Deutschland vor allem in der Mitte und im Norden. In Hessen gibt es rund 25 Hektar Salzwiesen, vor allem in der Wetterau, wo bis ins 19. Jahrhundert noch Salz aus Solequellen gewonnen wurde.
Weltweit einzigartig
In Niedersachsen gibt es rund 8.400 Hektar Salzwiesen. Auf Salzwiesen-Erlebnispfaden wie in Neßmersiel oder Sehestedt lässt sich dieser Lebensraum auf eigene Faust oder besser noch auf Exkursionen entdecken. An der schleswig-holsteinischen Westküste bilden Salzwiesen ein Saumbiotop von rund 13.410 Hektar und gelten aufgrund ihrer Zusammensetzung und Ausdehnung als weltweit einzigartig. Eine besonders große zusammenhängende Salzwiese befindet sich im Naturschutzgebiet „Vorland-Sönke-Nissen-Koog und Hamburger Hallig“, das seit vielen Jahren vom NABU betreut wird.
Einst nahmen die Salzwiesen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste sehr viel mehr Raum ein. Das änderte sich, als der Mensch höher gelegene Bereiche eindeichte und das Land vor dem Deich durch Schafe beweiden ließ. In den 1980er-Jahren wurden rund 90 Prozent der schleswig-holsteinischen Salzwiesen intensiv beweidet, was vielerorts zu massiven Überweidungs- und Trittschäden führte. Die Folge waren nicht nur ökologische Probleme, sondern auch eine massive Einschränkung der ursprünglichen Küstenschutzfunktion. Diese Einsicht führte zu einer Rücknahme der Beweidung und 1995 zur Entwicklung eines „Vorlandmanagementkonzepts“, mit dem die verbliebenen Salzwiesen geschützt und neue hinzugewonnen werden sollten. Heute werden knapp 40 Prozent aller Salzwiesen in Schleswig-Holstein nicht mehr genutzt, rund 20 Prozent werden extensiv beweidet.
Im Dienst der Wissenschaft
An der Universität Hamburg wird eifrig zu Salzwiesen geforscht. Unter anderem hat ein Team um die Biologin Stefanie Nolte im Sönke-Nissen-Koog in Nordfriesland und dem Dieksanderkoog in Dithmarschen 280 Teebeutel vergraben und nach drei Monaten wieder ausgebuddelt. Mit dem Experiment wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfinden, wie schnell bzw. langsam sich das pflanzliche Substrat von Grünem und Rooibos-Tee zersetzt. Je länger das in den kalten und feuchten Böden dauert, desto länger bleibt auch das in den Pflanzen gespeicherte Kohlenstoffdioxid gebunden. Mit dem Projekt Interface (Interaktion von Fischen, Pflanzen, Kohlenstoff und Sediment) soll vor allem ermittelt werden, ob von dem gebundenen Kohlenstoff auch die Fische in den Salzwasserprielen profitieren. Doch auch in Sachen Klimaschutz haben die noch nicht vollständig ausgewerteten Daten Relevanz, schließlich gilt das Marschland an der Küste als ein wichtiger Kohlenstoffspeicher – effektiver als der tropische Regenwald, sagt Antonia Anner, Biologin am Institut für Angewandte Pflanzenökologie der Uni Hamburg: „Durch das Absterben der Pflanzen und die Überflutungen wird dieser Kohlenstoff Teil des marinen Nahrungsnetzes.“
In einem anderen, langfristig angelegten Experiment untersuchen die Hamburger Biologinnen und Biologen, wie sich der globale Temperaturanstieg auf Salzwiesen auswirkt. Dafür überspannten sie 27 Testflächen mit Kunststofffolie und werden dort bis zum Jahr 2022 jeweils von März bis September beobachten, welchen Einfluss die Erwärmung auf die Entwicklung der Artenzusammensetzung in verschiedenen Vegetationszonen, auf die Produktion und den Abbau von Biomasse und die Kohlenstoffspeicherung im Boden hat. Zusätzlich erwärmen Kabel im Boden drei Flächen um anderthalb Grad Celsius und drei weitere um drei Grad Celsius. Ende 2018 werden erste Ergebnisse erwartet.
Bernd Pieper
Weiterführende Informationen
In Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer hat der NABU 2017 die Broschüre „Pflanzen der Salzwiese“ herausgegeben. Darin werden die wichtigsten 28 Pflanzen der Salzwiesen knapp und präzise beschrieben. Die Broschüre gibt es unter anderem im NABU-Naturzentrum Katinger Watt und über die NABU-Landesgeschäftsstelle in Neumünster (2,50 Euro plus Versandkosten).
Ebenfalls 2017 ist im Kieler Wachholtz-Verlag das Buch „Küstenpflanzen an Nord- und Ostsee“ von Rainer Borcherding und Martin Stock erschienen. Hier werden die „Überlebenskünstler“ und ihre Lebensräume auf 160 Seiten und mit zahlreichen Fotos ausführlich vorgestellt.
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