Müll am Strand - Foto: Julia Baer
Jährlich werden fast 400 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert und dafür sechs Prozent des globalen Erdölverbrauchs eingesetzt. Bei der Produktion und Verwitterung von Kunststoffen werden große Mengen an Treibhausgasen frei, während gleichzeitig Millionen Tiere an den Folgen unachtsam weggeworfenen Plastikmülls sterben. Der Eintrag von Kunststoffen in die Meere von Land beträgt 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen pro Jahr. Laut Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt ist für mehr als 800 marine Arten dokumentiert, dass sie sich in Plastik verfangen oder es verschlucken. Mikroplastik ist allgegenwärtig in den Meeren und längst in Fischen oder Muscheln nachgewiesen.
Die Gefahren der Meeresvermüllung sind der Politik bekannt. Eine Reihe völkerrechtlicher und gesetzlicher Instrumente sollen die Problematik eindämmen, darunter Aktionspläne der regionalen Meeresschutz-Übereinkommen, der G7 und G20 oder die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL). Die Europäische Kommission hat mit der EU-Plastikstrategie und der Einwegplastik-Richtlinie reagiert. Während die Symptome der Vermüllung heute in den Meeren offensichtlich werden, müssen die Maßnahmen aber vorrangig an Land ergriffen werden. Die Herausforderung liegt darin, den Meeresschutz mit den Feldern der Abfall-, Abwasser-, Kreislauf- und Ressourcenpolitik zu verschneiden. Das ist der Grund warum selbst großangelegte Reinigungsaktionen oder auch die NABU-Initiativen Fishing for Litter oder Gewässerretter einen wichtigen Beitrag leisten können, das Problem der vermüllten Ozeane jedoch nicht lösen.
Naturverträglichkeit, Klimaneutralität, Ressourcenschonung sowie die soziale und globale Gerechtigkeit müssen die wichtigsten Prinzipien des politischen Handelns in der Plastikkrise sein. Wir brauchen ein effektives Rahmenwerk, welches die regulatorischen und förderpolitischen Leitplanken setzt. Im Jahr 2016 wurde der Runde Tisch Meeresmüll ins Leben gerufen. Dieser soll das nationale MSRL-Maßnahmenprogramm gegen Meeresmüll koordinieren und seine Umsetzung unterstützen. Trotz der vielfältigen Lösungsoptionen befinden sich nur wenige Maßnahmen in der Umsetzung, obwohl bereits im Jahr 2020 der Gute Umweltzustand (GES) der europäischen Meere erreicht sein soll.
Plastikmüll im Meer bedroht unsere Meere und seine Bewohner. In einer interaktiven Animation verdeutlichen wir die immensen Gefahren des Müllproblems und zeigen, was der NABU dagegen tut. Begeben Sie sich mit uns auf virtuelle Entdeckungsreise! Mehr →
Der NABU hat zwölf prioritäre Forderungen erarbeitet. Sie greifen die Arbeit des Runden Tisches auf und konkretisieren diese mit Bezug auf andere Politikfelder.
Die Bundesregierung muss ihre Politik darauf ausrichten, Produktion und Konsum von Kunststoffen zu reduzieren und nicht pauschal durch andere Materialien zu substituieren. Die Auswahl von Materialien für nicht vermeidbare Einsatzzwecke sollte sich an der Umweltverträglichkeit orientieren.
Die Bundesregierung muss sich für ein völkerrechtlich verbindliches gesetzliches Rahmenwerk zum Stopp der Kunststoffeinträge in die Meere einsetzen, ohne nationale oder europäische Vorgaben und Prozesse zu verzögern.
Die Bundesregierung muss darauf einwirken, dass der Einsatz von gesundheits- und umweltgefährdenden Schadstoffen, die bei Herstellung, Gebrauch, Recycling und Zersetzung von Kunststoffen sowie Produkten und Verpackungen aus Kunststoff frei werden können, verboten werden.
Ein nachhaltiges Produktdesign, das Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparaturfähigkeit und qualitative Recyclingfähigkeit gewährleistet, muss über alle relevanten gesetzlichen Regelwerke mit klaren Vorgaben implementiert werden.
Die Bundesregierung muss Anreizsysteme für effiziente Mehrwegsysteme einführen, anstatt Einweg-Kunststoff durch biobasierte und/oder (vermeintlich) bioabbaubare Einweg-Materialien zu ersetzen. Die öffentliche Beschaffung muss auf „Mehrweg“ und Vermeidung von Einwegprodukten und -verpackungen ausgerichtet sein. Lokale Mehrweggebote müssen gesetzlich ermöglicht werden.
Hersteller und Inverkehrbringer müssen gesetzlich in die Pflicht genommen werden, Verantwortung über die gesamte Produktlebensdauer zu übernehmen: Die Verantwortung darf nicht an der Ladentheke aufhören, sondern muss sich über die gesamte Lieferkette inklusive Entsorgung und Übernahme von Reinigungskosten erstrecken. Diese „Erweiterte Herstellerverantwortung“ muss kontrolliert und sanktioniert werden.
Die Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene für ein Verbot von absichtlich hinzugefügtem Mikroplastik einsetzen, das direkt in die Umwelt emittiert wird. Das meint zum Beispiel Mikroplastik in Kunstrasenplätzen im Außenbereich oder Mikroplastik in Kosmetik und Reinigungsmitteln. Auch müssen zukünftig weitere persistente Polymere, die gelöst, flüssig oder gelartig emittiert werden, über das EU-Chemikalienrecht strikt reguliert werden
Die Emission von Mikroplastik durch Nutzung, Gebrauch und Verwitterung von Kunststoffen muss verhindert werden. Die Bundesregierung muss mit wesentlich strengeren gesetzlichen Grenzwerten Kunststoff-Einträge in Böden über Klärschlämme, Gärreste und Kompost unterbinden.
Es müssen auf allen Ebenen Maßnahmen getroffen werden, welche das „Littering“ verhindern. Neben der Herstellerverantwortung müssen lokal Entsorgungsmöglichkeiten und Reinigung verbessert werden. Flächenverantwortliche, beispielsweise bei öffentlichen Grünanlagen, müssen stärker in die Pflicht genommen werden. Dafür muss die Kontrolle und Sanktionierung durch zuständige Behörden sicher gestellt werden.
Die Bundesregierung muss über die Kreislaufgesetzgebung ein hochwertigeres Kunststoff-Recycling forcieren, die Verbrennung von Kunststoffen reduzieren und den Markt für Sekundärprodukte stärken. Dafür bedarf es spezifischer Recyclingquoten für Kunststoffe verschiedener Abfallfraktionen, Rezyklat-Einsatzquoten, eine Förderung werkstofflicher Recyclingtechnologien und den Ausbau der Sortier- und Verwertungsinfrastruktur.
Bei der Abfallverwertung muss das Näheprinzip gestärkt werden, um Abfälle möglichst auf kurzen Strecken zwischen den Verwertungsanlagen zu transportieren. Kunststoffmüllexporte in Länder mit unzureichender Verwertungs-, Recycling- und Kontrollinfrastruktur müssen unterbunden werden. Verstärkte Kontrollen in der Abfallwirtschaft sind unabdingbar.
Der Eintrag von Kunststoffen aus der Schifffahrt und Fischerei muss durch eine verbindliche Umsetzung des „Zero Discharge“-Prinzips im Rahmen des MARPOL-Übereinkommens vorgegeben und strikt kontrolliert werden. Der Verlust von Fischereiausrüstung muss durch Pfandsysteme sowie technische Maßnahmen zur Kennzeichnung und Ortung verlorengegangenen Fanggeräts reduziert werden. Der Einsatz von „Dolly Ropes“ in der bodenberührenden Fischerei ist zu verbieten.
Die Aufregung um die Plastik-Partikel an den Ufern der Schlei verdeckt in der Öffentlichkeit bis heute den Skandal um das gleichzeitige Ausbringen mit Plastik kontaminierten Klärschlamms auf den Feldern der Region. Eine Praxis, die jedoch weit verbreitet ist. Mehr →
Einweggeschirr und To-go-Verpackungen tragen inzwischen erheblich zum Abfallaufkommen in Deutschland bei. To-go- und Picknick-Abfälle sind immer häufiger an Stränden und Flussufern zu finden. Der NABU fordert eine ambitionierte Förderung von alternativen Mehrweglösungen. Mehr →
Gemeinsam mit Fischern hat der NABU dem Müll im Meer den Kampf angesagt. Denn auch die deutschen Küstenfischer an Nord- und Ostsee finden in ihren Netzen immer mehr Abfall. Auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen beteiligen sich an dem Projekt. Mehr →
![](/imperia/md/nabu/images/sonstiges/grafik/210429_nabu-wo_kommt_der_muell_ins_meer-rgb.jpeg "Infografik "Wo kommt der Müll ins Meer" - Grafik: B.B. Stöß")
![](/imperia/md/nabu/images/sonstiges/grafik/210429_nabu-wie_kommt_der_muell_ins_meer-rgb.jpeg "Infografik "Wie kommt der Müll ins Meer" - Grafik: B.B. Stöß")