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Mehr Informationen zur Patenschaft!Marine Raumordnung in Nord- und Ostsee
Ein Instrument für den Meeresnaturschutz
Unsere Meere im Ausverkauf: Erklärungsvideo zur Marinen Raumordnung
Dichter Schiffsverkehr, Kies- und Sandabbau, Pipelines, Seekabel und Offshore-Windparks, Übungsgebiete der Marine: Die deutsche Nord- und Ostsee werden immer stärker industrialisiert. Der Raumordnungsplan für die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) von 2021 hat den dringend nötigen Ausgleich zwischen Schutz- und Nutzungsinteressen verfehlt, obwohl schon heute Alarmstufe Rot gilt:
Jede dritte Art in Nord- und Ostsee steht inzwischen auf der Roten Liste, Fischbestände und Vogelpopulationen brechen ein oder gehen zurück und längst sind die Folgen der Klimakrise zu beobachten. Deutschland ignoriert seine rechtlichen Verpflichtungen zum Meeresschutz. Nach EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie hätte bis 2020 ein guter Zustand der Meeresumwelt erreicht sein müssen. Die Meeresraumordnung wäre laut EU-Kommission ein entscheidendes Instrument gewesen, das umzusetzen und hat diese Chance verpasst.
Was ist die marine Raumordnung (MRO) eigentlich?
Die marine Raumordnung soll planerische Grundlagen und Rahmenbedingungen für eine langfristige und nachhaltige Nutzung der nationalen Meeresflächen schaffen. Dazu wurde auf EU-Ebene die Umsetzung eines Ökosystem-Ansatzes festgelegt. Das bedeutet: Das Ökosystem gibt vor, wie intensiv wir es nutzen können, ohne ihm zu schaden.
Für die Erstellung eines Raumordnungsplans müssen alle relevanten ökologischen Daten, etwa zu Vorkommen und Sensitivitäten von Arten, ökologische Gebietsfunktionen wie z.B. Aufzucht- oder Mausergebiete zusammengetragen und begutachtet werden. Fehlende Daten müssen zuvor erhoben werden. Auf dieser Grundlage setzen sich alle Interessensvertreter*innen an einen Tisch und diskutieren, wer wann welche Fläche wie nutzen möchte.
Dabei darf die aufsummierte Nutzungsintensität nicht zu einer Verschlechterung des Meeresumweltzustands beitragen, sondern muss die Erreichung eines guten ökologischen Zustands ermöglichen. Auch die Gesamtwirkung aller Nutzungen zusammen muss dabei berücksichtigt werden. Nur so können Nutzungen und Ökosystem-Dienstleistungen langfristig erhalten bleiben. Darauf sind wir dringend angewiesen, denn das Meer kann viel CO₂ speichern und dadurch die Klimakrise abmildern.
Verpasste Chance der marinen Raumordnung 2021: Klima- contra Naturschutz
Obwohl sie grundsätzlich dem Ökosystemansatz verpflichtet ist, orientiert sich die deutsche MRO vom September 2021 primär an Wirtschaftsinteressen. Sie bildet alle bestehenden Nutzungen ab und belegt alle übrigen Flächen mit Offshore-Windkraft. Die Vereinbarkeit von Meeresschutz und -nutzung musste so scheitern, wie eine detaillierte Bewertung (im Auftrag des NABU und BirdLife International) in englischer Sprache zeigt. Einige der wichtigsten Resultate sind:
- Offshore-Windanlagen sind in Meeresschutzgebieten möglich (im Gegensatz zum Raumordnungsplan von 2009)
- Die Auswirkungen der Klimakrise und wie eine mögliche Anpassung gelingen kann, wurden nicht berücksichtigt
- Der Ökosystemansatz wurde nicht ausreichend angewendet
- Es gibt keine Pufferzonen zwischen wirtschaftlichen Nutzungszonen und Meeresschutzgebieten
- Der Gesamteffekt menschlichen Handelns auf das Meer wird nicht zusammen betrachtet
Meere unter Druck
Welche wirtschaftlichen Interessensgruppen kämpfen in der MRO um die Flächen der Nord- und Ostsee?
Schifffahrt
Über 300.000 Schiffe fahren Jahr für Jahr durch die deutsche Nordsee, darunter große Tanker oder Containerschiffe, Kreuzfahrer und Behördenschiffe. Die Ostsee gehört zu den Gewässern mit der höchsten Verkehrsdichte der Welt, besonders im Fehmarnbelt mit über 50.000 Schiffspassagen pro Jahr. Problematisch für die Unterwasserwelt sind dabei der enorme Ausstoß von klima- und gesundheitsschädlichen Abgasen, die Gefahr durch Schiffsunfälle und der Lärm, der Schweinswale aus ihrem Lebensraum vertreibt. Schifffahrtsrouten in Meeresschutzgebieten gehören auf den Prüfstand.
Rohstoffabbau
Am Meeresboden von Nord- und Ostsee werden Rohstoffe abgebaut – vor allem Kies und Sand für die Baubranche, aber auch für den Küstenschutz. Allein um die Nordseeinsel Sylt zu schützen werden Jahr für Jahr Millionen Kubikmeter Sand aus der Nordsee vor die Küste gespült. Auch innerhalb der Natura-2000-Gebiete der Nord- und Ostsee wird Sand und Kies abgebaut, obwohl gerade dort der Meeresboden mit all seinen Bewohnern erhalten werden soll.
Windenergie
Stand November 2022 drehen sich über 1.500 Windräder in der deutschen Nord- und Ostsee, die etwa 8,1 Gigawatt Windenergie auf See erzeugen. Die Kapazität der Offshore-Windkraft auf See soll bis 2030 auf mindestens 30 GW und bis 2045 auf 70 GW ansteigen. Schon jetzt sind ökologische Auswirkungen gewaltig, wie das Beispiel des Windparks Butendiek zeigt. Die direkte Kollision mit den Windkraftanlagen oder ihrem sehr schnell fahrenden Serviceverkehr gefährdet Seevogelarten und Schweinswale. Zudem sorgen Meidungsreaktionen sensitiver Arten dafür, dass diese aus ihren bevorzugten Brut- und Aufzuchtgebieten, Nahrungsgründen und Wanderrouten vertrieben werden. Diese Meideeffekte ragen über 10 Kilometer weit auch in Schutzgebiete hinein. Die Standorte von Windparks müssen deshalb sehr sorgfältig gewählt werden, um diese Risiken zu vermeiden.
Klimakrise und Biodiversitätskrise gemeinsam bewältigen
Zusammen mit den Gesetzesänderungen zur Energiewende auf See, wie WindSeeG und EU-Notverordnung, spielt die MRO die Klima- und die Biodiversitätskrise gegeneinander aus. Es fehlt der nötige Raum, um den Artenschwund zu stoppen und wichtige Ökosystem-Dienstleistungen zu erhalten.
Im Jahr 2021 klagte die Europäischen Kommission mehrfach gegen Deutschland wegen Verstößen gegen die FFH-Richtlinie, da Schutzziele nicht ausreichend konkretisiert und Schutzgebiete rechtlich unzureichend geschützt wurden. Anstatt eine nachhaltige Meeresraumordnung an der Bewältigung von Klima- und Biodiversitätskrise auszurichten, werden rechtliche Konflikte weiter befeuert. Das verschleppt sowohl den Artenschutz als auch die Energiewende. Nur wenn Klimaschutz und Naturschutz Hand in Hand gehen, kann eine nachhaltige Nutzung unserer Meere erreicht werden.
NABU-Kernforderungen zur marinen Raumordnung
- Die MRO muss verbindlich an eine Strategie für das Meer gekoppelt werden, die den guten Umweltzustand umsetzt, mit mittel- und langfristigen Zielen. Der Ökosystemansatz muss das Fundament der Raumordnung darstellen.
- Ziel muss sein, den Nutzungsdruck insbesondere auf Meeresschutzgebiete zu reduzieren.
- Die MRO sollte Vorrangflächen für die Wiederherstellung von marinen Ökosystemen identifizieren, um so u. a. zur natürlichen Kohlenstoffspeicherung beizutragen.
- 50 Prozent der Natura-2000-Schutzgebietsflächen müssen als strikte Schutzgebiete ohne menschliche Nutzung ausgewiesen werden. Die MRO muss zur besseren Vernetzung dieser Schutzgebiete beitragen.
- Offshore-Windgebiete müssen außerhalb von Verbreitungsschwerpunkten sensibler Arten (z. B. Seetaucher und Schweinswale) und wichtiger Lebensraumfunktionen (z. B. Wanderkorridore, Rastgebiete, Aufzuchtgebiete) geplant werden. Ebenso müssen Pufferzonen um Schutzgebiete bestehen, um eine Entwertung der Schutzgebiete für sensible Arten zu verhindern.
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