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Schützen räumlich basierte Maßnahmen die Meeresvielfalt?
Unseren Meeren geht es schlecht. Um marine Lebensräume zu erhalten und Arten einen geschützten Rückzugsraum zu ermöglichen, hat Deutschland 45 Prozent seiner Meeresflächen als Natura-2000-Schutzgebiete ausgewiesen. Neben diesen rechtsverbindlichen Gebieten wird aber auch über den Beitrag anderer räumlich basierter Maßnahmen (engl. other effective area-based conservation measures, kurz OECMs) zum Schutz der Meere diskutiert. Aber welche Maßnahmen entsprechen der OECM-Definition und welche Gebiete in den deutschen Meeren kommen hierfür überhaupt in Frage?
OECMs sind räumlich abgegrenzte Bereiche, die noch nicht als Schutzgebiet ausgewiesen wurden und so verwaltet werden, dass sie einen positiven und langfristigen Beitrag zum Schutz und Erhalt der Artenvielfalt leisten können. Der Begriff OECMs entstammt den Zielen der Biodiversitäts-Konvention der Vereinten Nationen für das Jahr 2020.
Bis zum Juli 2022 wurden weltweit nur 193 OECMs auf den Meeren gemeldet, im Gegensatz zu 17.781 Schutzgebieten. Da aber OECMs sowohl in den Regionalabkommen OSPAR und HELCOM als auch auf EU-Ebene den Flächenzielen – 30 Prozent Schutzgebietsfläche bis 2030 – angerechnet werden sollen, ist es wichtig, klare Kriterien für die Identifikation potentieller OECMs zu entwickeln sowie deren Beitrag zum Schutz und Erhalt der Artenvielfalt kritisch zu hinterfragen.
Auf dem richtigen Weg?
Häufig werden Versäumnisse im Bereich des Schutzgebietsmanagements als Argumente herangezogen, um die Vorteile von OECMs hervorzuheben. Ob diese aber wirklich zum Schutz der marinen Artenvielfalt beitragen (können), ist in vielen Fällen nicht nachgewiesen. Es wird vielmehr angenommen, dass sich ein Verbot bestimmter Nutzungen, wie z. B. der Fischerei in einem Windpark, auf jeden Fall positiv auf die Artenvielfalt auswirkt, auch wenn andere Nutzungen weiterhin stattfinden. Eine wissenschaftliche Überprüfung solcher Annahmen fehlt zumeist.
Ein Vorteil von OECMs ist, dass sie im Vergleich zu Meeresschutzgebieten in einem unaufwändigen Prozess ausgewiesen werden. Sie basieren auf bereits bestehenden räumlichen Festlegungen in den Meeren und müssen ‚nur‘ identifiziert bzw. gelabelt werden. Ein auf den ersten Blick leichter Weg, um die nationalen und internationalen (Flächen-)Schutzziele zu erreichen. Aber führt er in die richtige Richtung?
Das hängt unter anderem davon ab, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Flächen als OECMs anerkannt werden. Wie lässt sich ein positiver Beitrag zum Schutz und Erhalt der marinen Artenvielfalt bemessen und bewerten – und wie kann er langfristig gesichert werden? Dabei ist die Situation in den Meeren, mit ihren komplexen Ökosystemen, weit wandernden Arten und unterschiedlichen Rechtsregimen, nicht einfach mit der Situation an Land gleichzusetzen. Vielmehr müssen eigene Kriterien für OECMs entwickelt und meeresspezifische Probleme hinsichtlich Überwachung, wissenschaftlicher Begleitung und Dauer der räumlich basierten Maßnahmen im Vorfeld gelöst werden.
Wie geht es weiter?
Nur wenn sichergestellt werden kann, dass OECMs langfristig und effektiv zum Schutz von marinen Arten und ihren Lebensräumen beitragen, sollten sie als sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden räumlichen Schutzmaßnahmen begriffen werden und zu den Flächenzielen beitragen dürfen.
Dafür braucht es zunächst klare Kriterien für die Identifikation von OECMs auf den Meeren und die Klärung einiger offener Fragen:
- Welche Rolle spielt der Standort potenzieller OECMs hinsichtlich deren Beitrag zum Schutz der marinen Artenvielfalt? Welche (naturschutzfachlichen) Ansprüche gibt es an die durch OECMs geschützten Gebiete?
- Wie kann der potenziell positive Beitrag von OECMs für die marine Artenvielfalt geprüft und sichergestellt werden?
- Wie kann eine Langfristigkeit der Maßnahme gewährleistet werden? Was bedeutet „langfristig“ im Zusammenhang mit OECMs und mariner Artenvielfalt?
- Wie gehen wir mit möglichen Konflikten zwischen dem Schutz einzelner Arten und dem Schutz der Artenvielfalt in OECMs um?
- Wer kontrolliert und überwacht OECMs und finanziert das Monitoring?
Der NABU begleitet die Diskussion um marine OECMs auf nationaler und internationaler Ebene (z.B. im Rahmen des vom BfN geförderten ALMAR-Projektes), erarbeitet Hintergrundpapiere und veranstaltet Fachgespräche – zuletzt im September 2022.
Standpunkt zum Download
NABU-Fachgespräch
„OECMs – ein Beitrag zum Schutz der marinen Biodiversität?“
Am 13. September 2022 tauschten sich im Rahmen des NABU-Fachgesprächs „OECMs – ein Beitrag zum Schutz der marinen Biodiversität?“ in Stralsund 21 Expert*innen über die Perspektiven und Risiken von OECMs im Meeresnaturschutz aus. Fünf Vorträge bildeten die Grundlage für die Diskussion offener Fragen zum Monitoring, Management und der Langfristigkeit von OECM sowie über ihren möglichen Beitrag zum Biodiversitätsschutz in den Meeren.
Was wurde diskutiert?
Zunächst wurde über das Verhältnis zwischen Schutzgebieten und OECMs gesprochen. Die Teilnehmenden stimmten weitestgehend überein, dass OECMs zusätzlich zu Schutzgebieten einen (messbaren) Mehrwert für den Biodiversitätsschutz bieten müssen. Große Zustimmung fand sich darin, dass Schutzgebiete keinesfalls durch OECMs ersetzt oder durch diese verdrängt werden sollten. Vielmehr können unter bestimmten Umständen OECMs eine ergänzende Rolle einnehmen und somit z. B. einen Beitrag zu einem ökologisch kohärenten Meeresschutzgebietsnetzwerk leisten.
Aufgrund der Tatsache, dass die deutsche Schutzgebietskulisse bereits die geforderten 30 Prozent Schutzgebietsfläche für das Jahr 2030 erfüllt hat, wurde der Mehrwert von OECMs in den deutschen Meeresgebieten kritisch hinterfragt. Es wurde deutlich, dass für die Identifikation von OECMs klare Richtlinien z. B. hinsichtlich der Langfristigkeit entwickelt werden müssen. Neben wissenschaftlichen Fragestellungen wurden auch Probleme bei der Umsetzung diskutiert und in einem Mini-Workshop Möglichkeiten und Risiken von OECMs hinsichtlich Biodiversitätsschutz, Monitoring, Management und Langfristigkeit zusammengetragen.
Der NABU bedankt sich bei allen Teilnehmenden für Ihre Beiträge und den offenen, konstruktiven Dialog. Die Vorträge der Veranstaltung sowie das Ergebnis des Mini-Workshops können hier heruntergeladen werden:
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