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Mehr Informationen zur Patenschaft!Tödliches Erbe: Munition im Meer
Endlich beginnt die Räumung in der Lübecker Bucht
Rund 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition (Spreng- und Brandbomben) und bis zu 300.000 Tonnen chemischer Munition (Senfgas und Tabun) liegen größtenteils verborgen am Grund von Nord- und Ostsee. Das Zeitfenster für eine naturverträgliche Räumung der Spreng- und Brandbomben droht, sich zu schließen. Die stählernen Munitionskörper korrodieren im Salzwasser, es werden krebserregendes und erbgutschädigendes TNT, hochentzündlicher Phosphor und auch Schwermetalle wie Quecksilber freigesetzt.
Das gefährdet Mensch und Umwelt. Gleichzeitig verzögern und verteuern Granaten oder Torpedos immer wieder den Bau von Offshore-Projekten wie Windparks oder Pipelines, wenn Munitionsreste gesprengt werden müssen.
Licht am Horizont: Die Bergung beginnt
Nach über 15 Jahren zahlt sich auch der Einsatz des NABU für eine naturverträgliche Bergung der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee aus! Nachdem sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag zu einem Sofortprogramm Munition im Meer verpflichtet hatte, sicherte der Haushaltsausschuss im November 2022 nach intensiver Debatte 100 Millionen Euro in dieser Legislatur zu. Damit wurde eine der NABU-Kernforderungen zur Bundestagswahl umgesetzt. Doch es dauerte weitere 18 Monate, bis die Räumungsarbeiten im Juli 2024 in der Ostsee begannen.
Im Sommer 2024 startet nun ein Pilotprojekt:
In drei Gebieten in der Lübecker Bucht sollen die systematische und automatische Detektion und Bergung unterschiedlicher Munitionstypen erprobt und weiterentwickelt werden.
Gleichzeitig soll die Planung und der Bau einer schwimmenden Industrieanlage auf See vergeben werden, um zukünftig konventionelle Munitionsaltlasten im großen Stil umweltverträglich, sicher und direkt vor Ort unschädlich machen zu können. Das passiert in der Regel durch spezielle Verbrennungsöfen.
Die ausgewählten Verklappungsstellen befinden sich in der Lübecker und Mecklenburger Bucht. Das ist ein Meilenstein für den Ostseeschutz, und gleichzeitig nur der Anfang. Angesichts der riesigen Munitionsmengen wird es Jahrzehnte und mehr Räumungskapazitäten brauchen, um das Problem zu lösen. Und es wird teuer. Die Munition in Nord- und Ostsee ist eine Generationenaufgabe.
Gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern
Nur gemeinsam können Bund und Länder – alle, nicht nur die an der Küste – ein Konzept für die strategische Räumung erarbeiten und finanzieren. Nach dem Sofortprogramm muss es also weitergehen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie, von Politiker*innen aller demokratischen Fraktionen, von unterschiedlichen Ministerien, Behörden und Zivilgesellschaft muss fortgesetzt werden. Auch die deutsche Industrie und Wissenschaft sind in der Pflicht, die heutige Vorreiterrolle ermöglicht Chancen für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland.
Was jetzt passieren muss:
- Mit Beginn der Räumungsarbeiten müssen Bund und Länder eine nationale Strategie zur systematischen Bergung von Kriegsaltlasten erarbeiten. Dazu gehört der Aufbau eines Kompetenz- und Koordinationszentrums
- Voraussetzung dafür ist der Aufbau eines Bund-Länderfonds zur Finanzierung der Weiterentwicklung und Skalierung der ersten schwimmenden Industrieanlage („Räumungs- und Entsorgungs-Plattform“) und deren Betrieb für die kommenden Jahre
- Neben der Bereitstellung und dem Ausbau vorhandener Verbrennungskapazitäten für Munitionsreste in den Küstenländern sollte auch die Zusammenarbeit mit den Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee und der EU ausgebaut werden. So könnten eine gemeinsame Infrastruktur der Munitionsräumung und ihre Finanzierung sichergestellt werden
Ein langer Weg bis zur Räumung
Seit 2007 drängte der NABU auf eine verantwortungsvolle, naturverträgliche Lösung, berichtete über gefährliche Strandfunde, organisierte Konferenzen und Fachgespräche. Der Wissensstand verbesserte sich stark, Forschungsprojekte beschäftigten sich mit den ökologischen Folgen der Munition im Meer, Bergungstechniken wurden weiterentwickelt und Räumungssysteme skizziert.
Die EU-geförderte Projekte UDEMM und DAIMON wiesen nach, dass sich TNT-Derivate in Muscheln anreichern und Fische, die sich in munitionsbelasteten Gebieten aufhalten, eine erhöhte Zahl von Lebertumoren aufweisen, die sich auf Sprengstoff zurückführen lassen. Eine Gefahr also auch für den Menschen, der Fische und Meeresfrüchte verzehrt. Ein anderes Projekt namens RoBEMM beschäftigte sich mit der Roboter-gestützten Bergung von Munition und der Technik der umweltverträglichen Vernichtung.
2011: Expert*innen schlagen Alarm
Im Jahr 2011 wurde der erste Bericht des sogenannten Expertenkreises „Munition im Meer“ veröffentlicht. Auch auf Druck des NABU hatten einige wenige Expert*innen das vorhandene Wissen um die Belastung der Nord- und Ostsee zusammengetragen, das Ausmaß und die Stellen mit Munitionsaltlasten wurden skizziert und erste Empfehlungen auf den Weg gebracht. Trotz jährlicher Aktualisierungen mangelte es lange an einer gemeinsamen politischen Strategie. Die Küstenländer waren überfordert, die Bundesregierung entzog sich ihrer Verantwortung. Der Grund: Eine naturverträgliche Räumung der Altlasten wäre eine Generationenaufgabe, die sehr viel Geld verschlingen würde.
November 2019: NATO-Manöver und Umweltminister*innenkonferenz
Im November 2019 einigten sich die Minister*innen von Bund und Ländern auf ihrer jährlichen Umweltministerkonferenz auf Initiative der Küstenländer darauf, ein Konzept zur Räumung von Munitionsaltlasten und dessen Finanzierungsoptionen zu erarbeiten. Wie dringlich ein gemeinsames Verständnis und gemeinsame Verantwortung ist, zeigte ein Einsatz der Bundesmarine während eines NATO-Manövers im Fehmarnbelt im August 2019.
Insgesamt 42 Seeminen wurden inmitten des Meeresschutzgebiets „Fehmarnbelt“ gesprengt, ohne die verantwortlichen Naturschutzbehörden einzubinden und ohne technischen Schallschutz für Schweinswale, die sich im Sommer zur Fortpflanzung in den Ostseegewässern um Fehmarn aufhalten. Für den NABU ein klarer Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz, der auch zu einer Kleinen Anfrage im Bundestag durch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen führte. Die Sprengungen rissen fünf Meter breite und 1,5 Meter tiefe Krater in artenreiche Riffe und zerstörten alles Leben im Umkreis von bis zu 30 Metern.
Januar 2020: Aktualisierung Minensprengungen
Nachdem die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mithilfe einer Kleinen Anfrage das Ausmaß der Sprengungen in die Öffentlichkeit brachte, gab es im Januar 2020 eine naturschutzrechtliche Einordung des Vorfalls durch den wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags.
Dieser bestätigte die Auffassung des NABU, dass die Minensprengungen im Fehmarnbelt einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz darstellen. Es wurde deutlich: Das Bundesamt für Naturschutz hätte als verantwortliche Fachbehörde eingebunden und eine Verträglichkeitsprüfung mit Anordnung von Schutzmaßnahmen für die streng geschützten Schweinswale vornehmen müssen. Eine eigene Rechtseinschätzung des NABU sieht darüber hinaus einen eklatanten Verstoß gegen geltendes Habitatschutzrecht.
Oktober 2020: Verheerende Auswirkungen der Minensprengungen
Nach mehr als einem Jahr veröffentlichten das Bundesumwelt- und das Bundesverteidigungsministerium ihren Untersuchungsbericht zu den Minensprengungen im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt. Die Fakten waren niederschmetternd:
- Mindestens acht Schweinswale wurden durch Schalltraumata getötet, die Schockwelle zerriss Gewebe, führte zu Organ- und Gehörschäden.
- Die Explosionen von jeweils über 300 Kilogramm Sprengstoff führten noch in mehreren Kilometern Entfernung zu tödlichen Verletzungen.
- Noch in über 20 Kilometern Entfernung wurde der Grenzwert von 160 Dezibel zum Schutz von Schweinswalen überschritten.
- 39 der Explosionen zerstörten geschützte Riffe in einem Radius von bis zu 30 Metern.
Nach Auffassung des NABU zeigte der Bericht das Totalversagen der Bundeswehr beim Schutz mariner Säugetiere.
September 2021: Politischer Konsens über Munitionsbergung
Zwei Jahre nach Einigung der Umweltminister*innen gab es Fortschritte auf politischer Ebene. Im Februar reichten Bündnis 90/Die Grünen und FDP einen Bundesantrag ein, im Mai folgte ein Antrag der Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD. Beide zeigen große Überschneidung und so viel politischen Konsens wie selten zuvor.
Dieser zeigte sich ebenso in der Umweltausschusssitzung am 17. Mai, zu der auch Dr. Kim Detloff vom NABU als Sachverständiger geladen war: Munition im Meer ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Die technischen Möglichkeiten waren und sind da, um einen Praxisversuch zu starten und in die strategische, naturverträgliche Bergung einzusteigen.
Auf der virtuellen Podiumsdiskussion des NABU am 3. September waren sich Vertreter*innen von CDU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ebenfalls parteiübergreifend einig, dass die zukünftige Bundesregierung unabhängig ihrer Konstellation den nächsten Schritt zur Lösung des Munitionsproblems in Nord- und Ostsee machen muss.
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Im August 2019 sprengte die Bundesmarine bei einem NATO-Manöver 42 Grundminen in der deutschen Ostsee, davon 39 im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt. Eine Kleine Anfrage im Bundestag offenbart nun die drastischen Auswirkungen. Mehr →
Seit vielen Jahren drängt der NABU auf die Bergung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee. Der Sondermüll stellt nicht nur eine Gefährdung für den Schiffsverkehr und die Fischerei dar. Zudem setzen sich Giftstoffe frei. Mehr →
Urlauber finden nicht nur Muscheln und Fossilien am Strand. Immer häufiger kommt es an den Küsten zu Unfällen mit Munition, etwa wenn vermeintlicher Bernstein aufgesammelt wird. Ob Phosphorstücke, Sprengstoffreste oder Senfgasbrocken - in einem neu erschienenen Buch klären Experten auf. Mehr →