Havarie der „Glory Amsterdam“ vor Langeoog: Ein Hubschrauber setzt ein Team des Havariekommandos ab – Foto: NABU/Klemens Karkow
Havarie vor Langeoog – Blaues Auge fürs Weltnaturerbe Wattenmeer
Diskussion um Schiffssicherheit und Schweröl muss Ergebnisse bringen
Am 29. Oktober 2017 warf der Herbststurm „Herwart“ den über zweihundert Meter langen Frachter „Glory Amsterdam“ auf eine Sandbank vor der ostfriesischen Insel Langeoog. Erst vier Tage später war das Schiff wieder frei. Am frühen Morgen des 2. November gelang es zwei Hochseeschleppern, den Havaristen in tieferes Wasser zu ziehen, nachdem mehr als 16.000 Tonnen Ballastwasser abgepumpt wurden. Jetzt wird der Schüttgutfrachter in Wilhelmshaven auf mögliche Schäden untersucht. Tagelang stellte der mit 1.800 Tonnen Schweröl betankte Schüttgutfrachter ein erhebliches Risiko für den Nationalpark Wattenmeer dar. Tausende Ringelgänse, Eiderenten und Watvögel halten sich gerade in dem einzigartigem Naturraum auf, fressen sich Fettreserven an oder sind gekommen, um hier zu überwintern. Inzwischen läuft die Seeunfalluntersuchung und ermittelt die Wasserschutzpolizei gegen den Kapitän.
Überfälliges Schwerölverbot
Seit Jahren fordert der NABU ein Verbot von Schweröl als billigen Schiffstreibstoff. Insbesondere in sensiblen Lebensräumen wie dem Wattenmeer aber auch in der Arktis ist es unverantwortlich, mit Schweröl betankte Schiffe als tickende Zeitbomben fahren zu lassen. Als Abfallprodukt der Erdölraffinerie stellt Schweröl gleich in zweierlei Hinsicht ein Umweltrisiko dar. Neben den bei der Verbrennung im Schiffsmotor entstehenden Luftschadstoffen ist Schweröl auch im Falle einer Havarie besonders umweltschädlich. Bei niedrigen Temperaturen sinkt die mousseartige und mit Schwermetallen belastete Masse zum Meeresgrund und vergiftet die Meeresumwelt über Jahrzehnte. Leicht lösliche Teile des Schweröls treiben an der Wasseroberfläche und verunreinigen das Gefieder von Seevögeln, polyzyklische Kohlenwasserstoffe gelten als krebserregend und schädigen Atmungs- und Verdauungssysteme der Tiere. Die gute Nachricht: Noch konnten Überwachungsflugzeuge keinen Ölaustritt um die „Glory Amsterdam“ feststellen.
Wie gut sind Schiffssicherheit und das „Sicherheitskonzept Deutsche Küste“?
Die Ereignisse Ende Oktober hinterlassen ein ungutes Gefühl wie gut es um die Schiffssicherheit und das Krisenmanagement an der deutschen Nordseeküste steht. Zwar hat Deutschland ein eigenes Havariekommando in Cuxhaven, welches auch im Fall der "Glory Amsterdam" die Koordinierung übernahm. Doch scheiterten mehrere Versuche, das manövrierunfähige Schiff „auf den Haken zu nehmen“ und das Stranden im flachen Wasser der ostfriesischen Inseln zu verhindern. Zwar war der Notfallschlepper „Nordic“ schnell und innerhalb der Vorgaben des Notschleppkonzepts in weniger als zwei Stunden beim Havaristen, doch dann führten die fehlende Kooperation der Schiffsbesatzung und ineffektive Abstimmungsprozesse zur Beinahe-Katastrophe. UKW-Funker verfolgten über Stunden, wie die Schiffsführung der „Glory Amsterdam“ Hilfe ablehnte und erst aufgrund einer schiffspolizeiliche Verfügung die seit Stunden angebotene Hilfe annahm. Diese scheiterten dann an seemannschaftlichen Fehlern der chinesischen Besatzung des treibenden Schiffes und der schwierigen Kommunikation. Hier stellt sich die Frage, warum nicht sofort nach Erkennen des treibenden Schüttgutfrachters ein für die gefährliche Situation qualifizierter Lotse auf die „Glory Amsterdam“ gebracht wurde?
Was hätte also passieren können, wenn das riesige Schiff in einen Windpark getrieben wäre? Bilder zeigen wie nahe der Havarist dem Offshore-Windpark „Godewind “ kam. Ein Horroszenario:
Niedersachsen Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) kündigte jetzt eine Verschärfung der Sicherheitsvorschriften an und will sich für eine bessere Ausbildung der Schiffsbesatzungen einsetzen. Und auch Deutschland muss sich fragen, ob die eigenen Sicherheitskonzepte ausreichen, um der Verantwortung für den Lebensraum Wattenmeer, dem Schutz von Menschen und Umwelt, tatsächlich gerecht zu werden.
Konsequenzen aus der Beinahe-Katastrophe
Glücklicherweise scheint es als sei das Wattenmeer mit einem blauen Auge davon gekommen. Es ist kein Treibstoff ausgetreten und der große Schaden für die Umwelt bleib aus. Doch jetzt müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden. Schon nach dem Unglück der Pallas im Jahr 1998 - auslaufendes Öl tötete damals mehr als 16.000 Vögel – mehrten sich die Stimmen, die ein Schwerölverbot forderten. Zwar wurde daraufhin das Havariekommando aufgebaut, das bei Schiffskatastrophen alle beteiligten Behörden mit deren Personal, Schiffen und Hubschraubern koordinieren soll. Die geplanten Einsatzkonzepte und -verfahren werden aber bisher von Havariekommando und Bundesverkehrsministerium unter Verschluss gehalten.
Der internationale Seeverkehr entwickelt sich rasant weiter. Es ist an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen und die Schiffssicherheit in der vielbefahrenen deutschen Nord- und Ostsee an die heutigen Erfordernisse anzupassen. Dazu gehören:
- Drei Notschlepper für die Nordsee sind zu wenig. Die Lücke bei den nordfriesischen Inseln muss endlich geschlossen werden.
- Der Lotseneinsatz zu Beginn einer Gefahrenlage muss verbindlich werden.
- Die Einsatzkonzepte des Havariekommandos im Notfall müssen verwaltungsunabhängig überprüft und öffentlich zugänglich gemacht werden.
- Die Abstimmungsprozesse im Notfall zwischen den beteiligten Einsatzkräften (Havariekommando, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Notschleppern) müssen effizienter werden.
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