Sorgen Sie gemeinsam mit uns dafür, dass Tiere und Lebensräume in Nord- und Ostsee eine Zukunft haben. Werden Sie jetzt Meeres-Pate oder Patin!
Mehr Informationen zur Patenschaft!Küstenschutz – aber natürlich!
Deiche und Buhnen
Wo Meer und Festland aufeinandertreffen, ist alles in Bewegung. „Natürlicherweise wandelt sich die Küstenlinie ständig. Diese Dynamik ist Teil der Lebensräume“, sagt Christian Buschbaum, Meeresökologe am Alfred-Wegener-Institut auf Sylt. Das lässt sich überall dort beobachten, wo die Natur noch etwas Platz hat. An der Ostsee beispielsweise brechen Wind und Wellen große Placken von den Steilküsten. Material wird fortgeschwemmt und lagert sich an anderer Stelle wieder an. „Die unbewachsenen Hänge sind Lebensraum für zahlreiche Insektenarten und für Uferschwalben, die hier ihre Niströhren in den Sand graben“, erklärt Ingo Ludwichowski, Geschäftsführer des NABU Schleswig-Holstein. Diese Küstenbereiche sind daher besonders schutzwürdig.
Bewegte Küste
Noch deutlicher zeigt sich der ständige Wandel im Wattenmeer, wo Priele ihren Lauf ändern, Sandbänke geformt werden und wieder verschwinden. Im Übergangsbereich zum Festland sind die Salzwiesen entstanden, krautige Flächen, die regelmäßig überschwemmt werden. Die angespülten Schwebeteilchen bilden eine Schlickschicht, die stetig anwächst. Hier leben Pflanzen, die perfekt an die Überflutungen angepasst sind, rund 50 Vogel- und fast 2000 Insektenarten. Zugvögel nutzen das Wattenmeer als Rastplatz und fressen sich Energiereserven für ihre lange Reise in die Brut- und Überwinterungsgebiete an. Bodenbrüter wie Rotschenkel oder Austernfischer ziehen hier ihren Nachwuchs auf.
Als Nationalpark und UNESCO Weltnaturerbe steht das Wattenmeer heute unter strengem Schutz. Doch über die Jahre haben Deiche und Küstenbefestigungen in der sensiblen Natur ihre Spuren hinterlassen. „Die gesamte Küstenzone an der Nordsee ist im Prinzip in ein Korsett gedrängt, das hat die natürlichen Landschaften verändert“, so Buschbaum. Bis ins 20. Jahrhundert hinein deichte man an der Nordsee neue Flächen ein und machte sie als Acker- oder Weideland urbar. Watt und Salzwiesen wurden trockengelegt, für hochspezialisierte Arten gingen Lebensräume verloren. „Auf den eingedeichten Flächen fehlen die Überschwemmungen, die etwa Landraubtiere wie den Fuchs fernhalten“, so Ludwichowski.
Wattenmeer ertrinkt
Der Interessenkonflikt zwischen dem Schutz des Hinterlandes und dem Erhalt natürlicher Lebensräume könnte sich mit dem Klimawandel noch zuspitzen. Machen wir weiter wie bisher, wird der Meeresspiegel im Jahr 2100 um 0,6 bis 1,1 Meter höher liegen als zu heute, prognostiziert der Weltklimarat. Die Küstenregionen wappnen sich bereits mit massiv verstärkten Deichen gegen Hochwasser und Sturmfluten. Der steigende Meeresspiegel könnte auch die Natur im Küstenbereich stark verändern. „Viele der Schutzgebiete vor den Deichen werden verloren gehen, insbesondere an der Ostsee“, sagt Ludwichowski. Auch für das Wattenmeer hätte ein höherer Meeresspiegel vermutlich fatale Folgen. Weite Flächen würden dauerhaft unter Wasser stehen, typische Lebensräume ersatzlos verschwinden.
Ökologen hoffen, dass die Natur sich zumindest teilweise selbst hilft, wenn man sie lässt. „Sand und Schlick, die mit jeder Flut angeschwemmt werden, könnten dazu führen, dass Wattbereiche mit dem Meeresspiegel mitwachsen“, sagt Jutta Leyrer vom Michael-Otto-Institut des NABU. „Momentan hat der technisch orientierte, starre Küstenschutz noch Vorrang“, beobachtet Leyrer. „Aber es gibt durchaus Bemühungen, naturverträglichere Ansätze mit einzubinden.“
Salzwiesen als Pufferzonen
So ist die Bedeutung der Salzwiesen längst unbestritten. Die Flächen beherbergen nicht nur viele Arten, sie schaffen auch eine natürliche Pufferzone vor dem Deich, die dem Wasser die Wucht nimmt. „Naturschutz und Küstenschutz sind sich einig, dass wachsende Salzwiesen unbedingt notwendig sind“, so Ludwichowski. Dafür sei es wichtig, die Flächen naturverträglich zu beweiden.
Künstliche Sandriffe sollen ebenfalls helfen, Inseln und Festland zu stabilisieren. An der Westküste der Insel Sylt beispielsweise werden jährlich bis zu eine Million Kubikmeter Sand auf die Strände gespült. Die Niederlande experimentieren in dem Projekt Zandmotor mit riesigen Sandvorspülungen im südlichen Küstenbereich. Hier ragt eine künstliche Halbinsel ins Meer, die Wind und Wellen im Laufe der nächsten 20 Jahren an der Küste verteilen sollen.
Bisher ist allerdings wenig darüber bekannt, wie sich solche Sandeinträge auf Tiere und Pflanzen auswirken. „Man muss sich genau anschauen, wo man die Sedimente entnimmt und wo sie später landen“, gibt Ludwichowski zu bedenken. Pilotprojekte, die wissenschaftlich begleitet werden, können wichtige Impulse geben. „Sie sollten aber in eine langfristige Strategie münden, die auch neue Lebensräume entstehen lässt“, so Ludwichowski weiter. Um die Küstenlandschaft zu erhalten, müssen viele Fachrichtungen zusammenarbeiten, von der Geologie und der Ökologie bis zu Ingenieurwesen und Deichbau.
Ann-Kathrin Marr (Artikel erschien in der Naturschutz heute 2/21)
Die vorwiegend an Deutschlands Küste liegenden Salzwiesen übernehmen eine wichtige ökologische Funktion, indem sie Kohlenstoff binden. Zudem sind sie ein unverzichtbarer Lebensraum für zahlreiche Vogel- und Insektenarten. Mehr →
Die drei Nordsee-Nationalparke Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, Niedersächsisches Wattenmeer und Hamburgisches Wattenmeer sichern diese einzigartige Landschaft seit 20 bis 30 Jahren. Seit 2009 besitzen sie als UNESCO-Weltnaturerbe die höchste Auszeichnung. Mehr →
Über eine Million Tonnen Munitionsaltlasten liegen in der deutschen Nord- und Ostsee. Sie korrodieren im Salzwasser und entlassen ihre giftigen Inhaltsstoffe in die Umwelt. Auch auf Druck des NABU beginnt nun die systematische Bergung in der Ostsee. Mehr →