In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Schweinswale als Opfer verfehlter Meerespolitik
Können wir Deutschlands einzigen heimischen Wal retten?
Stellt man sich die gesamte Nahrungskette der Nord- oder Ostsee einmal vor, dann steht der Schweinswal ganz weit oben. Was der Löwe in der Serengeti ist, das sind Schweinswale, Seehunde und Kegelrobben vor unserer Haustür. Wie es ihnen im Ökosystem Meer geht, sagt viel über dessen Zustand aus: Der Schweinswal ist ein Barometer für Naturschutz im Meer. Ihm kommt national und international eine besondere Bedeutung zu.
Der Großteil der deutschen Meeresschutzgebiete des Natura 2000-Netzwerks wurde so geplant, dass sie die Hauptverbreitungsgebiete des Schweinswals miteinschließen. Vor Sylt gibt es sogar ein Walschutzgebiet für die dortige Kinderstube der Schweinswale. Doch gleichzeitig mangelt es an der Umsetzung dringend notwendiger Schutzmaßnahmen und der industrielle Druck auf unsere Meere wächst weiter – durch Fischerei, Schifffahrt und Rohstoffabbau.
Der Schweinswal im Faktencheck:
- Gehört zu den kleinsten Walen weltweit
- Passt mit seinen maximalen 180cm Länge fast in die durchschnittliche Badewanne
- Muss aufgrund seines hohen Energiebedarfs fast dauerhaft Nahrung zu sich nehmen, der Rekord liegt bisher bei 550 Fischen pro Tier in der Stunde
- Orientiert sich mit Biosonar, ähnlich der Echoortung der Fledermäuse, und kann so auch im trüben Wasser oder bei Nacht „sehen“
- Der einzige Wal, der sich an Deutschlands Küsten fortpflanzt
- Von oben ist er dunkelgrau, von unten hell
Neue Richtlinien: Meilenstein im Artenschutz
Aber es gibt Hoffnung: Im September 2024 wurden neue ASCOBANS-Richtlinien für eine kleinwalfreundlichere marine Raumordnung. verabschiedet (ASCOBANS steht für das Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, des Nordostatlantiks und der Irischen See). Meeresraumordnungspläne für die Ostsee, Nordsee und Teile des Nordostatlantiks sollen nun etwa Rückzugsräume und Wanderkorridore von Walen und Delfinen schützen und negative Auswirkungen reduzieren.
Bei Unterwasserlärm zum Beispiel kann dies gelingen, indem wichtige Lebensräume von Offshore Windparks und Schifffahrtsrouten freigehalten werden. Die Richtlinien nehmen zugleich das gesamte marine Ökosystem in den Blick. Davon werden also auch Seevögel und viele andere Arten in Nord- und Ostsee profitieren.
Auch Deutschland muss diese Richtlinien umsetzen.
Forderungen für einen besseren Schweinswalschutz
- Der gute Umweltzustand nach Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie muss Leitbild deutscher Meerespolitik sein
- 50 Prozent der Meeresschutzgebiete müssen als Ruhe- und Erholungsräume wirksam und frei von Fischerei, Schifffahrt und Rohstoffabbau sein
- Stellnetze sind in Meeresschutzgebieten durch alternative, umweltschonende Fanggeräte zu ersetzen
- Beifänge in Fischernetzen müssen lückenlos dokumentiert und so weit wie möglich reduziert werden
- Die Meere müssen leiser, Lärmschutzwerte national und international vereinheitlicht und verbindlich eingehalten werden
Auch in der Nordsee geht es dem Schweinswal schlecht
Es gibt drei zu unterscheidende Populationen des kleinen Schweinwals: zentrale Ostsee (Baltic population), westliche Ostsee (Belt Sea population) und Nordsee (North Sea population). Die Schweinswale in der zentralen Ostsee (östlich von Stralsund) sind mit aktuell nur noch ungefähr 500 Tieren vom Aussterben bedroht. In der westlichen Ostsee wurden jüngst die niedrigsten Bestandszahlen seit 1994 gemessen. Die durchschnittliche Populationsgröße für dieses große Gebiet beträgt wenigher als 15.000 Tiere. Ein dramatischer Rückgang, wie auch in der deutschen Nordsee: Eine neue Studie zeigt, dass zwischen 2002 und 2019 das Vorkommen der Wale in diesem Gebiet jedes Jahr um 1,8 Prozent zurückgegangen ist. Mitten in der Kinderstube des Schweinswals im Naturschutzgebiet „Sylter Außenriff“ brachen im gleichen Zeitraum die Bestände sogar um 3,8 Prozent pro Jahr zusammen.
Aufgrund dieser Trends wird der Schweinswal seit 2020 als „stark gefährdet“ auf der deutschen Roten Liste geführt. Für 2022 wurde der Schweinswal zum „Tier des Jahres“ gewählt, um auf diese Situation aufmerksam zu machen.
Diese Zahlen gehen einher mit den zahlreichen Hiobsbotschaften zum Zustand der Meere: Ein Drittel der Arten stehen auf der Roten Liste. Das Ziel des guten Umweltzustands nach EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie wurde 2020 krachend verfehlt und die Berichte zur Lage der Natur könnten nicht deutlicher sein. Aber warum schaffen wir es nicht, den Schweinswal besser zu schützen? Zumal er als „streng geschützt“ nach Bundesnaturschutzgesetz den höchsten Schutzstatus bei uns genießt.
Was sind die Ursachen?
Es gibt viele Bedrohungen für Schweinswale: Der ungewollte Beifang in Fischernetzen, Schadstoffe und zunehmender Unterwasserlärm im Meer sind die Hauptfaktoren. Neueste Daten lassen vermuten, dass Lärm im Meer eine weitaus größere Rolle spielt als bisher angenommen. Wenn erst einmal das Innenohr des Schweinswals durch starken Lärm irreparabel geschädigt ist, dann funktioniert sein Echoortung nicht mehr. Er kann die fast unsichtbaren Stellnetze der Fischerei schlechter wahrnehmen und verfängt sich darin. Auch bei der Kommunikation mit Artgenossen über Nahrungsaufnahme bis hin zur Mutter-Kalb-Bindung ist das intakte Gehör des Schweinswals überlebenswichtig.
Bei Unterwassersprengungen ohne technische Schutzmaßnahmen, seismischen Untersuchungen des Meeresbodens oder Rammungen von Offshore-Windparks, kann Unterwasserschall sogar zum direkten Tod von Walen und anderen Meeressäugetieren führen.
Aber auch die aktuelle Schadstoffbelastung macht den Zahnwalen zu schaffen, besonders in der Ostsee mit relativ hohen Werten von Schwermetallen, langlebigen organischen Schadstoffen und weiteren für Wale schädlichen Substanzen. Neue Studien machen deutlich, dass Schweinswale in der Ostsee deshalb besonders empfänglich für Infektionskrankheiten wie Lungenentzündungen sind. Dies erklärt auch warum, Weibchen in der Ostsee im Durchschnitt nur vier Jahre alt werden – obwohl Schweinswale ein Alter von 20 Jahren und mehr erreichen können. Das Dramatische ist, dass viele dieser Weibchen sterben, bevor sie sich das erste Mal im Alter von zwei bis fünf Jahren fortpflanzen. Dies verstärkt die Abwärtsspirale des Schweinswal-Bestands in der Ostsee besonders stark. Leider sieht es auch in der Nordsee nicht viel besser aus: Hier liegt die durchschnittliche Lebenserwartung für Weibchen bei sechs Jahren.
Meeresschutzgebiete, die schützen
Das Meer ist ein interaktives Ökosystem. Einzelne Belastungen wie Unterwasserschall und Stellnetzfischerei verstärken sich gegenseitig und werden zur Gefahr für die Meeresbewohner. Helfen können hier Meeresschutzgebiete, in denen Schweinswale Rückzugsgebiete und gute nahrungsreiche Lebensbedingungen vorfinden. Doch Schutzgebiete sind nur so effektiv wie ihr Management – und das ist heute nicht gut. Noch mangelt es insbesondere an Regulierungen der Fischerei und der Schifffahrt, um Schutzgebiete endlich zu den Erholungsgebieten zu machen, die Schweinswale brauchen.
Internationaler Schweinswalschutz: ASCOBANS
Der Schutz der Schweinswale darf nicht an nationalen Grenzen Halt machen – und so ist die internationale Zusammenarbeit besonders wichtig. Nicht nur auf EU-Ebene ist der Schweinswal durch die Anhänge II und IV der Habitats Richtlinie geschützt, sondern auch durch die Bonner Konvention (CMS) und das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES). Seit 2024 ist der Ostsee-Schweinswal auf Anhang I der Bonner Konvention gelistet, und hat dadurch den höchsten Schutzstatus unter CMS erreicht.
Durch die Listung auf Anhang II der Bonner Konvention im Jahr 1989 wurde ein eigenes UN-Abkommen für Kleinwale im paneuropäischen Raum ins Leben gerufen, welches 1994 in Kraft trat. Unter diesem Abkommen, kurz ASCOBANS, nimmt der Schweinswalschutz eine herausragende Rolle ein. So gibt es drei eigenständige Aktionspläne und Arbeitsgruppen für alle Schweinswalpopulationen, die an der deutschen Küste vorkommen. Der NABU setzt sich dafür ein, dass die für den Schweinswal besonders relevanten Bedrohungen mehr internationale Aufmerksamkeit in den zehn Vertragsstaaten bekommen: von Grenzwerten für Schalleinträge, über die Vermeidung von Beifängen bis zu neuen Richtlinien für Kleinwal-freundliche marine Raumordnung.
Ob durch Schiffe, Baggerarbeiten, Marinesonar, Munitionsexplosionen oder Rammungen beim Windparkbau - in unseren Meeren ist es zu laut. Darunter leiden Schweinswale, Dorsche und viele andere Meeresbewohner. Im schlimmsten Fall ist der Lärm tödlich. Mehr →
Der Gewöhnliche Schweinswal lebt als einziges Mitglied der Schweinswal-Familie auch in europäischen Gewässern. In der zentralen Ostsee ist der bis zu 1,80 Meter große Wal vom Aussterben bedroht - hier leben nur noch weniger als 500 Exemplare. Mehr →
Europas Meere sind in keinem guten Zustand. Auch rund ein Drittel der Arten in der deutschen Nord- und Ostsee sind bedroht. Die europäische Meeresstrategie-Richtlinie (MSRL) soll das ändern. Doch der erste Entwurf für das deutsche Maßnahmenprogramm enttäuscht. Mehr →
Der Ostsee geht es schlecht, das bestätigt der neue HELCOM-Bericht. Schutzmaßnahmen, die Arten und Lebensräumen helfen würden, werden bisher nicht konsequent umgesetzt. Die Anrainer, allen voran Deutschland, müssen endlich ernst machen. Mehr →