Sorgen Sie gemeinsam mit uns dafür, dass Tiere und Lebensräume in Nord- und Ostsee eine Zukunft haben. Werden Sie jetzt Meeres-Pate oder Patin!
Mehr Informationen zur Patenschaft!Schutz für ein unbekanntes Universum
Die zunehmende Ausbeutung der Tiefsee bedroht unsere Zukunft
16. Juni 2006 -
Die Welt-Naturschutzunion IUCN und die Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) haben umgehende und weit reichende Maßnahmen zum Schutz der Meere eingefordert.
Dabei gelte es endlich die so genannte Hohe See, also die Meere außerhalb der nationalen Hoheitsgewässer, mit einzubeziehen. Nur so könne es gelingen, neben den flachen Küstengewässern auch die artenreichen Tiefsee-Lebensräume zu bewahren. Die ungezügelte Ausbeutung der Meere durch Rohstoffabbau und Fischerei nähere sich einem Punkt, wo eine Umkehr nicht mehr möglich sei, warnen IUCN und UNEP in ihrem jetzt in New York vorgelegten Report "Ecosystems and Biodiversity in Deep Waters and High Seas".
"Die technischen Möglichkeiten zur Nutzung der Tiefsee haben in den letzten Jahren enorm zugenommen", so Achim Steiner, der vor wenigen Wochen Klaus Töpfer als UNEP-Chef abgelöst hat. "Die internationalen Institutionen und der Naturschutz müssen nun endlich darauf reagieren und ihre Fixierung auf die Küstengewässer aufgeben." Über 60 Prozent der Meere gehören zur Hohen See und liegen damit außerhalb der nationalen Zuständigkeiten. Ausbeutung und Umweltzerstörung gehen dort nahezu unkontrolliert vonstatten. Der Staatengemeinschaft muss es deshalb unbedingt gelingen, feste, weltweit geltende Regeln aufzustellen und sich auf Schutzmaßnahmen zu einigen.
Während die Tiefsee-Nutzung voranschreitet, sind diese Lebensräume und ihre Arten wissenschaftlich weitgehend unbearbeitet. Gewaltige 90 Prozent der Biomasse dieser Erde finden sich in diesem "unbekannten Universum", wie es Frank Schätzing in seinem aktuellen Bestseller nennt. Weniger als ein Zehntel der Ozeane sind bisher erforscht und gerade einmal ein Millionstel des Meeresbodens wurden biologisch untersucht. Die Hälfte aller Tiere, die bei Tiefsee-Expeditionen gesammelt werden, gehören zu neuen Arten.
Längst gehen nicht mehr nur von der konventionellen Fischerei Gefahren aus. Selbst Meerestiefen von unterhalb 2000 Metern werden heute befischt, so der UNEP- und IUCN-Report. Dazu kommen Rohstoffabbau, Energiegewinnung und militärische Unternehmungen. Zudem wirkt sich der allgemeine Klimawandel auch unter Wasser aus. Selbst Müll ist ein Meeresproblem geworden. Untersuchungen im Zentral-Pazifik ergaben mehr als 45.000 Plastikteile je Quadratmeile Ozean, das Gewicht des im Wasser treibenden Mülls ist teils sechs mal höher als das des Meeres-Planktons.
Die Autoren des Reports fordern, bei Schutzmaßnahmen endlich auch bisher vernachlässigte Lebensräume wie Kaltwasser-Korallenriffe zu berücksichtigen. Außerdem sollte ein vorsorgliches System von Meeresschutzgebieten eingerichtet werden, damit nicht nur bereits bekannte, sondern auch die noch unerforschten Arten bewahrt werden können.
Kaltwasserriffe liegen anders als die bekannten tropischen Riffe in relativ tiefem, küstenfernen Wasser. Die größten dieser Riffe erreichen Längen von 40 Kilometern, bei drei Kilometern Breite und bis zu 35 Metern Wuchshöhe. Die Schleppnetze der Fischtrawler erreichen inzwischen auch den Tiefseeboden. Ziehen diese Netze über Kaltwasserriffe hinweg, bleiben oft nur noch tote Trümmerlandschaften übrig. Kaltwasserriffe können bis zu 8.500 Jahre alt werden, ihre Zerstörung dauert nur Tage oder Stunden.
Der Eiweißhunger der Menschheit hat den Hochsee-Fischfang in den letzten Jahrzehnten auf jährlich 84 Millionen Tonnen vervielfacht. Weitere 20 Millionen Tonnen gegen als unerwünschter Beifang ins Netz, der ungenutzt bleibt. Dabei werden 60 Prozent des Fisches von neu einem Prozent der Schiffe an Land gezogen, den so genannten Fabrikschiffen.
Hochseefischerei ist ein Riesen-Geschäft, alleine der Umsatz der unkontrollierten Piraten-Fischerei wird auf bis zu fünf Milliarden Euro im Jahr geschätzt. Doch Nachhaltigkeit ist in der Hochseefischerei - ob legal oder illegal - bisher ein Fremdwort. Die Bestände jeder vierten Fischart gelten als überfischt, wirtschaftlich wertvolle Großfische wie Kabeljau, Tunfisch, Schwertfisch und Marlin sind um bis zu 90 Prozent zurückgegangen. Die jetzt ersatzweise
ins Visier der Fischerei geratenen Tiefseearten sind sogar noch empfindlicher, weil sie im relativ nährstoffarmen Tiefseewasser nur sehr langsam wachsen. Der zunehmend beliebte Granatbarsch etwa, bekannt als "Orange Roughy", wird erst im Alter von 32 Jahren geschlechtsreif. Ein jüngst gefangenes Exemplar brachte es auf stolze 240 Jahre, wurde also zeitgleich mit Napoleon Bonaparte geboren. Solche Arten zu befischen kann nicht nachhaltig sein.
Bereits 2004 hatten Wissenschaftler und Umweltschützer von den Vereinten Nationen ein Moratorium, also eine Pause der Grundnetzfischerei gefordert. Bisher konnte sich die Staatengemeinschaft darauf aber noch nicht verständigen, im Herbst 2006 soll ein neuer Anlauf unternommen werden.