Sorgen Sie gemeinsam mit uns dafür, dass Tiere und Lebensräume in Nord- und Ostsee eine Zukunft haben. Werden Sie jetzt Meeres-Pate oder Patin!
Mehr Informationen zur Patenschaft!Naturverträgliche Fischerei in Nord- und Ostsee
NABU unterstützt Forschung zu alternativen Fangmethoden
Deutschland hat 45 Prozent seiner Meeresgewässer in Nord- und Ostsee unter den Schutz des Natura-2000-Netzwerkes gestellt. Hierzu zählen die Schutzgebiete nach Fauna-Flora-Habitat- (FFH) und Vogelschutzrichtlinie. Trotz dieses hohen nationalen und europäischen Schutzstatus findet die Fischerei in diesen Gebieten fast unvermindert statt. So kommt es, dass zehntausende Seevögel und hunderte Schweinswale als ungewollter Beifang in Stellnetzen von Fischer*innen verenden, und schwere Grundschleppnetze die sensible Artengemeinschaft am Meeresboden zerstören. Ein offensichtlicher Konflikt zwischen dem Schutz und der Nutzung der Meere.
Dramatische Abnahme geschützter Arten
Stellnetze werden in der Ostsee für den Fang von Hering und Plattfischen, in den Bodden auch von Zander, Hecht und Flussbarsch eingesetzt. Nach einer Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) sterben bei dieser Fangmethode an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns jährlich bis zu 20.000 Vögel. Insbesondere tauchende Eider- und Eisenten, aber auch Fischjäger wie Seetaucher oder Säger ertrinken immer wieder in den feinen Maschen.
Die Situation ist dramatisch, da die Bestände von überwinternden Eider- und Eisenten stark rückläufig sind. Neben Seevögeln verenden auch Schweinswale in den Stellnetzen. In der zentralen Ostsee leben heute weniger als 450 der kleinen Zahnwale: Sie sind damit vom Aussterben bedroht.
Die Entwicklung und der Einsatz von alternativen, beifangarmen Fischereimethoden ist unerlässlich, um eine naturverträgliche und damit zukunftsfähige Fischerei zu erreichen. Daran arbeitet der NABU seit 2013 u. a. in drei Projekten. Gemeinsam mit Fischer*innen wurden mögliche Alternativen zum Stellnetz erarbeitet. Dazu zählen beispielsweise Fischfallen, Jigging-Maschinen und Langleinen:
Projekt „Alternative Fischereimethoden“ (2012 bis 2015)
Im Projekt wurden alternative Fischereitechniken auf ihre Einsatzmöglichkeiten in der deutschen Küstenfischerei untersucht. In Zusammenarbeit mit schleswig-holsteinischen Fischern unterzog der NABU zwei alternative Fanggeräte dem Praxistest: Ein automatisches Langleinensystem und vier Jigging-Maschinen dänischer Hersteller. Beides sind Angelsysteme mit beköderten Haken, die in der internationalen Fischerei eingesetzt, in Europa z. B. in Schweden, Dänemark und Norwegen. In der deutschen kommerziellen Fischerei finden diese, oder vergleichbare automatische Angelsysteme, nach wie vor keine Anwendung.
Die getesteten Fischereimethoden könnten in der Ostsee den Beifang von Schweinswalen und Seevögeln minimieren. Der Beifang von Seevögeln und Schweinswalen lag in der Testfischerei mit den Jigging-Maschinen bei null. Allerdings gab es in der Erprobung der Langleine Beifang von Möwen, dem mit akustischer und visueller Abschreckung entgegengewirkt wurde. Ob es zu einem Gewöhnungseffekt kommen würde, konnte innerhalb der kurzen Projektlaufzeit nicht untersucht werden.
In anderen Meeresregionen bringt die Langleinfischerei einen hohen Beifang von Seevögeln, Schildkröten, Haien und Rochen mit sich. Auch hier können und müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Beifang zu minimieren. Durch die Albatros Task Force des NABU-Dachverbandes BirdLife International wurden eine Reihe von technischen und operativen Vermeidungsmaßnahmen für Seevogelbeifang (in der Langleinenfischerei) etabliert.
Projektpartner und Förderung
Das dreijährige Forschungsprojekt wurde in Zusammenarbeit mit schleswig-holsteinischen Fischer und mit der fachlichen Unterstützung des Thünen-Instituts für Ostseefischerei durchgeführt. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesamt für Naturschutz. Die Projektergebnisse dienten als wertvolle Basis für das Projekt STELLA (2016 - 2020), welches vom Thünen Institut für Ostseefischerei durchgeführt wurde.
Projekt „Fischfallen in der Ostseefischerei – eine Alternative zum Stellnetz“ (2018 bis 2019)
Im Projekt erprobten drei Fischereibetriebe aus Schleswig-Holstein 30 Fischfallen eines dänischen Herstellers. Die Idee zu den Fallen hatte ein am Projekt beteiligter Fischer. Mit nur einem Meter Durchmesser sind sie kleiner als andere bekannte Modelle, leicht stapelbar und auf den kleinen Fahrzeugen der deutschen Ostseefischer*innen einsetzbar. Da die Fallen nur einen schmalen Eingang – die „Kehle“ – besitzen, können Beifänge von Vögeln oder Schweinswalen nahezu ausgeschlossen werden. Ein zusätzlicher Vorteil: Der Fisch kommt lebendig an Bord und zu kleine Fische sowie schlecht verkaufbare Arten können wieder ins Meer entlassen werden.
Doch die ersten Versuche ergaben null Fangertrag. Es schien, dass sich beim Hieven der Fallen das Netzloch am Fallenboden vergrößerte, so dass die gefangenen Fische entkommen konnten. Daraufhin wurden drei Doppelfallen entwickelt, die durch ein Leitwehr verbunden waren, sowie eine andere Maschenweite und Garnfarbe hatten. Mit diesen gelang der Fischfang. Untersuchungen ergaben, dass die Änderungen an Maschenweite und Garn die Fängigkeit der Fallen erhöht haben könnte. Ein Stahl-Karabiner zur Sicherung des Netzlochs am Fallenboden könnte die Flucht der Dorsche beim Hieven verhindern und so den Fangerfolg weiter erhöhen.
Direktvermarktung
Die an dem Projekt beteiligten Fischereibetriebe, die der FLAG Aktivregion Ostseeküste angehören, vermarkten schon seit mehreren Jahren ihr Fänge online über www.fischvomkutter.de. Per SMS informieren sie über ihre Fänge, sowie wann und wo diese direkt nach dem Anlaufen in den Heimathafen verkauft werden. Auch die Fangerträge der Testfischereien wurden über die Plattform vermarktet und ergänzten das System um umweltschonend gefangenen Fisch.
Leider reichte der Fangertrag im Rahmen des Projektes nicht aus für eine öffentlichkeitswirksame Aktion zum Thema Vermarktung von umweltschonend gefangenem Fisch. Dennoch könnten laut NABU und der Projektpartner schonend gefangener Fisch von familiengeführten Betrieben, der regional vermarktet und zu fairen Preisen verkauft wird, die Zukunft der Ostseefischerei sein.
Projektpartner und Förderung
Das einjährige Forschungsprojekt (zu den Projektergebnissen) wurde durch das Land Schleswig-Holstein mit Mitteln des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) gefördert. Projektpartner waren neben dem NABU die FLAG Aktivregion Ostseeküste, das Thünen-Institut für Ostseefischerei, der Betriebsverein Fischereihafen Wendtorf i.G., der Museumshafen Probstei sowie drei Fischereibetriebe aus Stein, Kalifornien und aus Schleswig. Finanzielle Unterstützung kam dabei auch von den Gemeinden Schönberg, Stein und Wendtorf.
Trotz der positiven Resonanz und der konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten in den Projekten wurden die getesteten Fangmethoden bisher jedoch nicht in der kommerziellen Fischerei umgesetzt und konnten folglich auch keine Stellnetze ersetzen.
Was zeigen die Forschungsprojekte?
- Fischerei, Fischereiforschung und Naturschutz haben gezeigt, dass sie zur konstruktiven und lösungsorientierten Zusammenarbeit bereit sind
- Die Fanggeräte sind in der heutigen Konfiguration nicht wirtschaftlich einsetzbar, ihre grundsätzliche Anwendbarkeit in der deutschen Ostseefischerei ist aber nachgewiesen
- Vermutlich kann keine einzelne Fangtechnik Stellnetze flächendeckend ersetzen
- Es ist ratsam, verschiedene alternative Fanggeräte wie Angelsysteme, Fischfallen und Großreusen, aber auch mögliche Stellnetzmodifikationen parallel weiterzuentwickeln
- Es müssen marktwirtschaftliche Anreize entwickelt werden, um für Fisch aus nachhaltigen Fischereien mit alternativen Fanggeräten bessere Preise zu erzielen
- Der Beifang von Seevögeln und Schweinswalen kann durch Angelfischerei minimiert werden
- Ist ein technischer Ersatz von Stellnetzen nicht möglich, liegt die Lösung in der Kombination von operativen Maßnahmen (zeitlich-räumliche Ausschlussgebiete) und Anreizsystemen (exklusiver Zugang für umweltschonende Fanggeräte)
- Die Datengrundlage zum Vogel- und Meeressäugetierbeifang muss verbessert werden
- Die Fischereiforschung muss gefördert, finanziell abgesichert und ausgebaut werden.
Gemeinsam für eine umweltverträgliche Fischerei
Auch das aktuelle NABU-Projekt „STELLA2“ verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Sowohl die fangtechnischen Aspekte der nachhaltigen Fischerei als auch deren Vermarktung und die Ansprache der Verbraucher*innen werden untersucht. Um eine Umstellung von den bisherigen Fischereimethoden auf alternative Fangmethoden zu erreichen, müssen diese auch wirtschaftlich sein: Das heißt ein Fisch, der mit alternativen Fangmethoden gefangen wurde, ist ein „guter“ Fisch und sollte mehr Geld am Markt erzielen. Das bedeutet aber auch, dass Verbraucher*innen bereit sein müssen einen höheren Preis zu zahlen.
Alle bisherigen Forschungsprojekte zeigen, dass das Ziel einer umweltverträglichen Fischerei nur gemeinsam erreicht werden kann. Umweltverbände wie der NABU, Fischereiforschung sowie Fischer*innen müssen zusammenarbeiten. Aber auch der politische Wille ist gefragt. Nur so gelingt es, die Meeresumwelt für die kommenden Generationen intakt zu halten.
Letzte Aktualisierung: 09/2024
Viele Konsument*innen sind verunsichert: Darf man noch guten Gewissens Fisch essen? Und wenn ja welchen? Sorge bereiten vor allem umweltschädigende Fangmethoden sowie die Fang- und Konsummenge. Worauf sollten Verbraucher*innen beim Kauf achten? Mehr →
Wie können Beifänge von Meeressäugetieren und Seevögeln vermieden werden? Diese Frage soll im Rahmen eines vom Bundesamt für Naturschutz finanzierten Forschungsprojekts des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Zusammenarbeit mit dem NABU beantwortet werden. Mehr →
Stellnetze werden in der Ostsee insbesondere für den Fang von Dorsch und Plattfischen eingesetzt. Bis zu 400.000 Vögel sterben jedes Jahr im Beifang von Stellnetzen in Europa. Auch Schweinswale verenden immer wieder in den Stellnetzen. Mehr →
Immer wieder gerät das bekannte Fischerei-Siegel MSC in die Kritik. Jetzt zeigt eine Studie des NABU-Dachverbandes Birdlife International gravierende Mängel beim Schutz streng geschützter Arten. Mehr →