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Gemeinsam den Fischbestand sichern
Fisch aus Deutschland? Kein Problem, könnte man meinen. Leider sieht die Realität anders aus. Schon 2016 reichte das Gesamtaufkommen an Fisch und Fischereierzeugnissen in Deutschland mit rund 2,17 Millionen Tonnen Fanggewicht für den Konsum von durchschnittlich rund 14 Kilogramm pro Kopf und Jahr hierzulande bei Weitem nicht aus. Rein rechnerisch sind die deutschen Fischereierzeugnisse aus Nord- und Ostsee sowie aus Aquakultur in diesem Jahr bereits seit dem 4. Mai aufgebraucht. Diesen Tag hat die britische Denkfabrik New Economics Foundation für 2018 als „Fish Dependance Day“ ermittelt, ab dem der Fischverzehr nur noch durch Importe abgedeckt werden kann. Allerdings sind auch diese Mengen endlich. 90 Prozent der weltweit kommerziell genutzten Fischbestände sind bereits überfischt oder werden bis an ihre biologischen Grenzen befischt.
Überfischung schlägt nicht auf den Appetit
Nichtsdestotrotz wird weltweit Jahr für Jahr mehr Fisch gefangen und in Aquakulturen produziert: Waren es 2009 noch 145,9 Millionen Tonnen, lag die Menge 2017 bereits bei 172,2 Millionen Tonnen, also um rund 18 Prozent höher. Der Konsum ist im gleichen Zeitraum sogar um etwa 23 Prozent gestiegen, und zwar von 123,8 Millionen Tonnen auf 152,5 Millionen Tonnen. Diese riesigen Mengen können allerdings nur mit industriellen Fabrikschiffen gefangen werden, die mit ihren fußballfeldgroßen Netzen täglich nicht nur mehr als 350 Tonnen Fisch fangen können, sondern pro Jahr auch geschätzte 30 Millionen Tonnen Beifang, der zumindest zum Teil tot und ungenutzt wieder im Meer landet. Nicht zuletzt aufgrund der Überfischung wird der Zusammenbruch der Bestände noch durch illegale Fischer in den Entwicklungsländern verschärft, die versuchen, den ihnen verbleibenden Rest abzuschöpfen.
Große Industriestaaten sind allerdings keineswegs klüger. Was geschieht, wenn ein kritischer Punkt überschritten wurde, zeigte sich im Nordwestatlantik an der Küste Kanadas. Dort wurde bis in die 1990er-Jahre so viel Kabeljau gefischt, dass die Bestände komplett zusammenbrachen.
Was also müssen die Politik, die Fischereiwirtschaft und die Konsumenten tun, damit sich endlich etwas ändert? Und wer von ihnen hat die größte Hebelwirkung? „Es ist nicht eine dieser Gruppen allein, die etwas bewirken kann“, betont Kim Detloff, der sich als promovierter Meeresbiologe mit seinem Team beim NABU um den Meeresschutz kümmert. Und dennoch: „Der größte Hebel sind die Fangquoten, die weiter reduziert werden müssen.“ Noch liegen diese für viele Bestände oberhalb der von Wissenschaftlern empfohlenen Menge.
Hoher Preis für günstigen Fisch
Dass eine Reduktion erhebliche Auswirkungen auf die Fischer hat, liegt auf der Hand. „Wer allerdings nur an das nächste Jahr denkt, hat ein sehr kurzfristiges Geschäftsmodell“, meint Detloff. „Um wirklich etwas zu ändern, müssen wir weg von einem System, das auf Masse ausgelegt ist, und mit der begrenzten Ressource schonend umgehen.“ Für einen einzelnen Fischer sei dies allerdings derzeit noch schwierig, bedauert der NABU-Experte. Das liege vor allem am Preis. „Wer nur wenig mehr als einen Euro pro Kilogramm frischen Fisch bekommt, muss auf 40 bis 50 Tonnen im Jahr kommen, um davon leben zu können“, so Detloff. Das ist dann nur mit umweltschädlichen Stellnetzen und sogar in den Meeresschutzgebieten in der Nord- und Ostsee möglich. Nicht nur dort verfangen sich dann Schweinswale und Seevögel in den Netzen und ertrinken. Ein weiterer Grund: Wenige Verbraucher sind dazu bereit, für nachhaltig gefangenen Fisch auch mehr Geld zu bezahlen.
Hinzu kommt: Selbst ein Fischer, der nachhaltig fischen möchte, hat es bisher schwer, da es noch keine umweltfreundlichen und zugleich wirtschaftlichen Fanggeräte gibt. Das zeigte auch das Förderprojekt des Bundesamts für Naturschutz, welches der NABU von 2013 bis 2015 gemeinsam mit Fischern aus Schleswig-Holstein durchführte. Dabei wurde je ein Kutter mit einem automatischen Langleinensystem beziehungsweise vier Jigging-Maschinen ausgerüstet. Beim „Jiggen“ lässt man einen bebleiten Gummiköder über den Grund „hüpfen“. Beide Gerätetypen sind zwar in der Küstenfischerei einsetzbar, aber noch nicht wirtschaftlich. In einem Folgeprojekt testet der NABU derzeit mit Fischern 30 Fallen, bei denen der Beifang lebendig wieder entlassen werden kann. „Unser Ziel ist es hier, neben einer wirtschaftlichen Fangtechnik gemeinsam mit den Fischern auch Vermarktungsmöglichkeiten zu entwickeln“, erläutert Detloff.
Auch politisch ist die Fischerei ein Sonderfall, denn die zentralen Entscheidungen werden über die Gemeinsame Fischereipolitik der EU geregelt. Aktuelle Rechtsauffassung ist sogar, dass Deutschland selbst in seinen Schutzgebieten, keine eigenen Fischereimaßnahmen durchsetzen darf. Dagegen hat eine Allianz von Umweltverbänden, darunter der NABU, bereits im Jahr 2015 Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Das Ziel: Umweltschädliche Fischereipraktiken in Natura-2000-Schutzgebieten von Nord- und Ostsee verbieten.
Claudia Behrend (Naturschutz heute 2018)
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