Sorgen Sie gemeinsam mit uns dafür, dass Tiere und Lebensräume in Nord- und Ostsee eine Zukunft haben. Werden Sie jetzt Meeres-Pate oder Patin!
Mehr Informationen zur Patenschaft!Gemeinsam für eine nachhaltige, zukunftsfähige Fischerei
NABU unterstützt Dialog zwischen Naturschutz und Fischerei
Gesunde Meeresökosysteme sind überlebenswichtig, sichern unser aller Wohlstand und bilden die Grundlage für eine zukunftssichere Fischerei. Das hat auch die EU-Kommission erkannt und im Februar 2023 den Aktionsplan Schutz und Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei veröffentlicht. Bereits 1983, also vor 40 Jahren, verabschiedete die Europäische Union die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP).
Aber warum funktioniert das fischereiliche System offensichtlich nicht, und wie wird unsere Fischerei auf nationaler und EU-Ebene zukunftsfähig?
Wie ist die europäische Fischerei geregelt?
Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) der EU
Lange Zeit wurden die Fischbestände als Allmendegut verstanden und dementsprechend bewirtschaftet. Die unkontrollierte Entnahme führte unweigerlich in die Übernutzung, so dass die EU 1983 die GFP verabschiedete. Sie sollte im europäischen Kontext eine wettbewerbsfähige, sowie wirtschaftliche und sozial gerechte Fischerei sicherstellen.
Auch ökologische Ziele wie der Erhalt der Fischbestände über einer Mindestgröße, die Ausübung der Fischerei nach dem Vorsorgeprinzip und Anwendung des Ökosystemansatzes wurden genannt. Ebenso ermöglicht Artikel 11 der GFP das Erlassen naturschutzrechtlicher Maßnahmen, um die in der EU gemeinsam vereinbarten Ziele nach FFH- und Vogelschutzrichtlinie zu erreichen.
Maßnahmen der GFP
Die GFP wird von der Kontrollverordnung und der technischen Verordnung flankiert. Sie regeln u. a. die Beschränkungen der Fangtage und des Fischereiaufwandes, die Mindestmaschenweite von Netzen, Mindestanlandegrößen von Fischen, Mehrjahrespläne für die Bewirtschaftung von Beständen und seit 2013 u. a. ein Rückwurfverbot. Diese Bestimmungen gelten ab der 12 Seemeilen Zone, sprich in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ).
Wer legt die Fangmengen fest?
Die GFP regelt auch die Aufteilung der Fangmöglichkeiten, die anhand eines festen Schlüssels in prozentualen Anteilen auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. Das Ganze folgt dem Prinzip der relativen Stabilität und basiert auf historischen Fischereidaten aus den Achtziger Jahren. Die Höchstfangmengen für die einzelnen Fischbestände werden jährlich neu im Rat „Landwirtschaft und Fischerei“ von den Fischereiminister*innen der EU-Mitgliedstaaten entschieden.
Die EU-Kommission erarbeitet hierzu einen Vorschlag, der auf wissenschaftlichen Bestandbewertungen und Fangempfehlungen basiert. Aus den Höchstfangmengen und den in der GFP festgelegten prozentualen Anteilen ergeben sich dann die jeweiligen länderspezifischen Quoten für die verschiedenen Fischbestände.
Warum funktioniert das fischereiliche System nicht?
Die GFP wird nur mangelhaft umgesetzt, zudem werden einige naturschutzrelevante Ziele und Maßnahmen der GFP explizit dem fischereilichen Interesse untergeordnet und damit entkräftet. Der Naturschutz ist im Rahmen der Ausübung der GFP sicherzustellen. So entschied es 2018 der EuGH nach der gemeinsamen Klage vom NABU und anderen Umweltverbänden, doch die Umsetzung blieb aus.
Den Erlass konkreter Naturschutzmaßnahmen erschwert ein Zusatz in Artikel 11, nachdem diese keine Auswirkungen auf Fischereifahrzeuge anderer Mitgliedsstaaten haben dürfen. Im Klartext: von Deutschland erlassene fischereiliche Maßnahmen für die deutsche AWZ gälten nur für Fischereifahrzeuge mit deutscher Flagge. Alle anderen dürften wie zuvor weiterfischen.
Soll die Regulierung für Fischereifahrzeuge aller EU-Mitgliedstaaten gelten, müssen in einem langen bürokratischen Akt gemeinsame Empfehlungen erarbeitet werden. Einer der Gründe, warum es in den Meeressschutzgebieten der deutschen AWZ bisher kaum fischereiliche Einschränkungen gibt. Aber auch Maßnahmen, die das fischereiliche Interesse nicht beschränken, sondern vielmehr fördern würden, wie z. B. Bestandsauffüllungsgebiete und zusätzliche Quotenvergabe nach sozialen und ökologischen Kriterien, werden bisher nicht angewendet.
Auch andere in der GFP gesetzten Ziele werden verfehlt. 2013 wurde u. a. festgelegt, dass bis spätestens 2020 sicher zu stellen ist, dass alle Fischbestände innerhalb ihrer sicheren biologischen Grenzen sind (um den höchstmöglichen Dauerertrag zu gewährleisten) und sich die negativen Auswirkungen der Fischerei auf das Meeresökosystem auf ein Mindestmaß reduzieren. Dennoch ist der Dorschbestand der westlichen Ostsee (evtl. unwiederbringlich!) kollabiert und umweltschädliche Fischereimethoden weiterhin in Meeresschutzgebieten erlaubt.
Die Höchstfangmengen für die einzelnen Fischbestände, die die Minister*innen des Rats festlegen, liegen häufig über den wissenschaftlichen Empfehlungen. Sie stehen einer nachhaltigen Bewirtschaftung entgegen und laufen sogar Gefahr, die Überfischung einiger Bestände weiter zu fördern. Und auch die Wissenschaft selbst ist fehlbar, wie sich am traurigen Beispiel des Ostseedorsches zeigt:
Zunächst schien es das übliche Ritual zu sein: Die EU-Kommission verkündet die Fangquoten und alle lamentieren darüber, dass sie zu schlecht wegkommen. Doch dieses Mal erklärt die Wissenschaft, dass mit größter Wahrscheinlichkeit der Ostseedorsch aussterben wird. Mehr →
Weiterhin basieren die Berechnungen zur Bestandsgröße um den maximalen nachhaltigen Ertrag zu erreichen auf Einzelbetrachtungen: Ein Fischbestand wird entkoppelt von seiner Rolle im Ökosystem und die Entnahme allein durch den Menschen betrachtet. Das widerspricht dem Ökosystemansatz. Durch die Befischung bis an die Grenze der Überfischung, und darüber hinaus sind Bestände in ihrer Widerstandskraft gegenüber anderen negativen Einflüssen, wie z. B. den sich ändernden klimatischen Bedingungen geschwächt. Die Konsequenz sind kollabierende Bestände und damit unvorhersehbare Folgen für das Ökosystem Meer.
Der Heringsbestand der westlichen Ostsee leidet unter Überfischung und steigenden Wassertemperaturen. Mittlerweile ist er unter einen kritischen Wert gefallen. Große Rettungsmaßnahmen wurden angekündigt. Hat es etwas gebracht? Mehr →
Der EU-Aktionsplan für nachhaltige Fischerei
Aufruf an die Mitgliedsstaaten
In ihrem Aktionsplan fordert die EU-Kommission unter anderem:
- Reduzierung von ungewolltem Beifang, sowohl von Fischen als auch tauchenden Seevögeln, Meeressäugetieren und Schildkröten, durch:
- selektivere Fanggeräte
- räumlichen und zeitlichen Ausschluss von Fischerei in Gebieten mit sensiblen Arten
- Einrichtung neuer Schutzgebiete, in denen Fische laichen und aufwachsen können
- Schutz des Meeresbodens vor den Auswirkungen der Fischerei
- Verbesserung des EU-Fischereimanagements: Verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Erarbeitung von Regularien in Gebieten mit gemeinsamem fischereilichem Interesse
- Stärkere Überwachung der Umsetzung von fischereirechtlichen Maßnahmen
- Stärkung von Forschung und Innovationen, zum Beispiel zur Verringerung der Umweltauswirkungen von Fischerei
- Förderung der Fischer*innen bei ihrer Umstellung zu einer umweltverträglichen Fischerei
Die Umsetzung des Aktionsplanes wäre somit ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Fischbestände und der Meere. Der Aktionsplan basiert auf bereits bestehenden EU-Naturschutzgesetzen wie der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Weiterhin ist die ökologisch nachhaltige Ausrichtung der Fischerei Teil des gemeinsamen Europäischen Green Deal. Damit ist der Plan weniger ein Vorschlag, als vielmehr eine konkrete Aufforderung an die EU-Mitgliedstaaten endlich ihren Pflichten nachzukommen.
Warum ist der Aktionsplan fast gescheitert?
Dennoch erfuhr der EU-Aktionsplan bei den deutschen Krabbenfischer*innen starke Ablehnung. Sie protestierten vor allem gegen die Forderung nach dem Ausschluss der grundberührenden Fischerei in (Natura-2000-)Meeresschutzgebieten bis 2030. Und das so erfolgreich, dass Deutschland, wie viele andere Mitgliedstaaten, den Aktionsplan zunächst ablehnte.
Grundschleppnetzfischerei
Bei der aktiven mobilen grundberührenden Fischerei werden große Netze über den Meeresboden gezogen, die je nach Typ und Schwere unterschiedlich tief in den Meeresboden eindringen und ihn schädigen. So zerstören sie unter anderem seine wichtige, klimaschützende Funktion als natürlicher Kohlenstoffspeicher. Zudem geht mit der Grundschleppnetzfischerei ein hoher Anteil an ungewolltem Beifang einher.
Mit dieser Fangmethode lassen sich schnell viele Fische oder im Falle des schleswig-holsteinischen Nationalparks Wattenmeer Krabben fangen. Das bringt den Fischer*innen Geld – doch die Kosten für die Meere, ihre Bewohner und am Ende auch für uns sind ungleich höher.
Um ein Haar wäre damit der Aktionsplan, samt seiner umfassenden, weit über die Auswirkungen der Fischerei reichenden Meeres-, Natur und Klimaschutzmaßnahmen, durch den Aufschrei der Fischereilobby vom Tisch gefegt worden.
Doch die EU-Kommission berief eine „Joint Special Group“ ein, um Ängsten und Ablehnung entgegenzusteuern. In dieser sollten auf nationaler und europäischer Ebene die Umwelt- und Fischerei-Ressorts gemeinsam Pläne für eine ökologisch nachhaltige fischereiliche Nutzung der Meere erarbeiten. Diese sogenannten „RoadMaps“ sollten bis März 2024 von den Mitgliedstaaten eingereicht werden, bisher haben dies allerdings nur wenige getan, darunter Deutschland. Die Veröffentlichung der RoadMap steht hingegen noch aus.
Wo steht Deutschland?
Begrüßenswerterweise begann der Austausch zwischen den Ressorts und Interessenvertreter*innen von Umwelt und Fischerei in Deutschland bereits vor der Erarbeitung der RoadMap. 2022 und 2023 wurde im Rahmen der Leitbildkommission zur Zukunft der deutschen Ostseefischerei in zähen Verhandlungen, an denen auch der NABU beteiligt war, ein gemeinsames Leitbild und erste Maßnahmen zur ökologischen und zukunftssicheren Ausrichtung der Ostseefischerei erarbeitet. Diese Ergebnisse sollen als Basis für die Verhandlungen in der Zukunftskommission Fischerei dienen, die seit 2024 konkrete Maßnahmen für eine ökologisch nachhaltige, wirtschaftlich resiliente und damit zukunftsfeste deutsche Meeresfischerei für Nord- und Ostsee entwickeln und empfehlen soll.
Aber auch in den aktuellen Verhandlungen zeigt sich immer wieder ein geringes Bewusstsein dafür, dass der Erhalt bzw. die Wiederherstellung und Stärkung der Meeresökosysteme die Basis für eine gesunde Fischerei sind. Und für die dafür notwendigen fischereilichen Regulierungen – vor allem in Meeresschutzgebieten – fehlt immer noch die Akzeptanz. Um dies zu ändern, setzt sich der NABU auch weiterhin in Konsultationsprozessen wie der Zukunfts- und Leitbildkommission für den Meeresnaturschutz ein.
Letzte Aktualisierung: 11/2024
Viele Konsument*innen sind verunsichert: Darf man noch guten Gewissens Fisch essen? Und wenn ja welchen? Sorge bereiten vor allem umweltschädigende Fangmethoden sowie die Fang- und Konsummenge. Worauf sollten Verbraucher*innen beim Kauf achten? Mehr →
Fast 45 Prozent der nationalen Meeresfläche sind ausgewiesene Schutzgebiete. Doch bis heute mangelt es an wirksamen Schutzmaßnahmen für ihre Arten und Lebensräume. Was sie wirklich bräuchten: Ruhe vor Fischerei, Schiffen und Co. – streng geschützte Flächen sind essenziell. Mehr →
Unsere Meere sind Klimaschützer, Heimat zahlreicher faszinierender Arten und Erholungsort. Damit das so bleibt, müssen wir sie besser schützen. Wie das der Politik gelingen kann, zeigt der 10-Punkte-Plan des NABU. Mehr →