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NABU-Online-Seminar „Zonierungskonzepte in Nord- und Ostsee“
Etwa 45 Prozent der deutschen Meeresgebiete sind als Schutzgebiete ausgewiesen, ein im weltweiten Vergleich guter Wert, der bereits die internationalen Ziele für das Jahr 2030 übertrifft. Dennoch sind viele Lebensräume mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt bedroht, die Artenvielfalt nimmt weiter ab. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Warum hat Deutschland zum Beispiel die Ziele der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie verfehlt?
In vielen ausgewiesenen Schutzgebieten findet heute trotz Festlegung von Schutzzielen eine Vielzahl menschlicher Aktivitäten statt. Ein effektives Zonierungskonzept mit eingeschränkten Nutzungen fehlt, obwohl die Vorteile für Mensch und Natur in vielen Fällen wissenschaftlich belegt sind: die Artenzahl nimmt zu, ebenso die Biomasse und die Individuengröße. Eine abgestufte Nutzung in Schutzgebieten kann einerseits wirkliche Rückzugsräume für bedrohte Arten ermöglichen und sensible Lebensräume vor weiterer Zerstörung schützen, auf der anderen Seite aber auch die Akzeptanz bei anderen Nutzern erhöhen, wie es das Beispiel des Great Barrier Reef Marine Parks zeigt.
In Deutschland werden heute bereits in den großen Nationalparken, wie dem Wattenmeer oder der Vorpommerschen Boddenlandschaft, Zonierungskonzepte angewendet, die den Besuchern einen Einblick in die faszinierende Natur ermöglichen, aber gleichzeitig die Natur in bestimmten Arealen sich selbst überlässt. So sind beispielsweise in den Kernzonen dieser Schutzgebiete Nutzungen in der Regel verboten und das Betreten nur auf gekennzeichneten Wegen erlaubt, wohingegen in sogenannten Pflege- und Entwicklungszonen naturverträgliche Wirtschaftsweisen und bestimmte Aktivitäten weiterhin erlaubt sind.
In anderen Meeresschutzgebieten findet eine solche Zonierung allerdings bisher keine Anwendung. Obwohl von den Naturschutzverbänden wiederholt gefordert, finden sich auch in den aktuellen Managementplänen für die Schutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Ostsee keine nutzungsfreien Zonen. Diese unzureichende Umsetzung von dringend erforderlichen Schutzkonzepten hängt unter anderem mit dem steigenden wirtschaftlichen Interesse und der politischen Einflussnahme zusammen. So scheint es, dass bei Diskussion beziehungsweise Nutzungskonflikten um den ‚Raum Meer‘ die Natur immer nur zweiter Sieger ist. Zudem erschweren juristische Hürden und regionale Mandate den Ausschluss bestimmter Nutzungen (wie Fischerei oder Schifffahrt).
Und was passiert außerhalb der Schutzgebiete? Mit der Fortschreibung der marinen Raumordnung (MRO) hat das Ringen um den ‚Raum Meer‘ erneut begonnen. Ziel der MRO ist die Gewährleistung der dauerhaften Nutzung der Meere, wobei die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Meeresraum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang gebracht werden sollen. Doch wie kann eine nachhaltige Raumentwicklung auf dem Meer aussehen, wie Nutzungskonflikte minimiert werden?
Diese und weitere Fragen haben die Teilnehmer des NABU-Online-Seminars „Zonierungskonzepte in Nord- und Ostsee“ auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen mit der Umsetzungen von Zonierungskonzepten in Schutzgebieten sowie unter Erwägung politischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Einflussfaktoren erörtert.
Programm & Ergebnisse
Etwa 40 Expert*innen aus Politik, Behörden, Wissenschaft und Naturschutz waren der Einladung des NABU gefolgt.
Zonierungskonzepte mit komplett nutzungsfreien Gebieten scheinen heute in der Politik auf wenig Unterstützung zu treffen. Ihre Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt aber auch für die langfristige Rentabilität bestimmter Wirtschaftszweige wurde jedoch durch den Vortrag von Nicole Wienrich (IASS) hervorgehoben und durch internationale Best-Practice-Beispiele belegt. Auch in unseren heimischen Meeren können sich bestimmte Nutzungen relativ einfach regulieren lassen, was den ersten Schritt in Richtung ‚no-take’ ermöglichen würde.
Eine Beschränkung der Fischerei hingegen hat sich europaweit aufgrund der exklusiven Kompetenz der „Gemeinsamen Fischereipolitik der EU“ als schwer umsetzbar erwiesen. Obwohl die Veranstaltungsteilnehmer*innen darin übereinstimmten, dass gesellschaftliche Akzeptanz eine wichtige Rolle spielt, wurden auch Forderungen laut, sich stärker auf die vorhandenen Rechtsgrundlagen und Ziele des Meeresnaturschutzes zu berufen. Umstritten war dabei das Werkzeug freiwilliger Vereinbarungen. Dies warf die Frage auf, warum trotz rechtlicher Möglichkeiten und überzeugender wissenschaftlicher Erkenntnisse der Naturschutz zumeist als nicht prioritär eingestuft wird.
Als weitere Schwierigkeit bei der Umsetzung von Zonierungskonzepten in den deutschen Meeresgebieten wurde die institutionelle Zersplitterung des Meeresnaturschutzes genannt. Häufig sind die Kompetenzen auf verschiedene Ministerien und Behörden verteilt und Entscheidungen hinsichtlich der Eingriffe in die Meeresnatur werden zum Teil nicht von den Naturschutzbehörden sondern von eher wirtschaftsorientierten Ministerien (BMEL, BMVI) getroffen.
Aus aktuellem Anlass stand die Rolle der marinen Raumordnung im Mittelpunkt der Diskussionen. Einerseits bietet sie die Möglichkeit, Flächen für die Natur zu ‚reservieren‘ und langfristig abzusichern, andererseits wurde schon bei der ersten Umsetzung der marinen Raumordnung 2008 der Schutz der marinen Artenvielfalt und seine rechtlichen Grundlagen kaum berücksichtig. Während traditionelle Nutzungen weiter zunehmen und neue, wie die Offshore-Windenergie, massiv ausgebaut werden, wird der Platz auf den Meeren immer enger. Es besteht die Sorge, dass der Meeresnaturschutz auch bei der aktuellen Raumordnung ins Hintertreffen gerät. Zudem scheint es, dass bei den Behörden und auch der Fischerei der Mehrwert ungenutzter Gebiete nicht bekannt oder akzeptiert ist.
Der NABU bedankt sich bei allen Teilnehmenden für Ihre Beiträge und den offenen, konstruktiven Dialog. Es sollen weitere Formate folgen, um gemeinsam über Konflikte und Lösungsansätze des Meeresnaturschutzes zu diskutieren.
Präsentationen zum Download
Block 1: Einführung
Block 2: Beispiele & Erfahrungen mit Zonierungskonzepten
Block 3 – Umsetzungsmöglichkeiten & Diskussion:
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