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Hot spots der biologischen Vielfalt
NABU verabschiedet Zehn-Punkte-Resolution zum Thema Streuobst
"Herausragende internationale Verantwortung" besitzt Deutschland für die Erhaltung der Streuobstwiesen, so Dr. Markus Rösler, der Sprecher des NABU-Bundesfachausschuss Streuobst. Die rund 300.000 Hektar Streuobstwiesen - eine Fläche größer als das Saarland - sind nach Auffassung Röslers die "Hot spots der Biologischen Vielfalt nördlich der Alpen": Mit über 5.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten sowie über 6.000 Obstsorten besitzen die Streuobstbestände Deutschlands eine ungewöhnlich hohe biologische Vielfalt, sie gehören zu den naturschützerisch bedeutendsten Kulturlandschaften Europas.
Deutschland ist beim Schutz seiner wertvollen Streuobstbestände deutlich im Verzug. Nach NABU-Schätzungen gibt es aktuell noch etwas über 300.000 Hektar Streuobstbestände in Deutschland - vor 50 Jahren waren es noch rund 1,5 Millionen Hektar. "Verantwortlich für diesen Verlust von 80 Prozent ist eine völlig verfehlte Agrarpolitik, aber auch der enorme Flächenverbrauch durch Siedlungen und Straßen sowie eine verändertes Verbraucher- und Freizeitverhalten der Bevölkerung. Wenn EU, Bundesregierung und Bundesländer nicht schnellstens Maßnahmen einleiten, droht ein weiterer massiver Rückgang der Bestände", warnte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Nach Angaben des NABU-Bundesfachausschusses Streuobst existieren in ganz Europa noch rund 1,5 Millionen Hektar Streuobstbestände, davon rund ein Viertel in Deutschland. Damit besitzt Deutschland eine international herausragende Verantwortung für Schutz und Entwicklung dieser attraktiven Kulturlandschaft. Der NABU begrüßt daher das vom Bundeskabinett in der nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt formulierte Ziel, den Flächenanteil von Streuobstwiesen bis 2015 um zehn Prozent zu erhöhen. Dazu sei zeitnah ein ganzes Bündel an Maßnahmen erforderlich. Ein wichtiger Baustein sei der Schutz der Streuobstbestände. "Hier hat sich der Bund bisher durch Nichtstun hervorgetan. Lediglich einige Länder wie Brandenburg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben ihre Streuobstbestände durch Landesgesetze unter Schutz gestellt, wenn auch teilweise mehr schlecht als recht", so Tschimpke.
Der NABU sieht auch auf EU-Ebene einen deutlichen Handlungsbedarf. Länder wie Spanien und Portugal haben vergleichbare agroforstwirtschaftliche Lebensräume wie die Kork- und Steineichenwälder über die FFH-Richtlinie unter Schutz gestellt, bei den Streuobstwiesen sei dieser Schutz bislang noch nicht erfolgt. Der NABU hat in einer Resolution zur 9. UN-Konferenz über die biologische Vielfalt in Bonn (19. bis 30. Mai) zehn Forderungen für Schutz und Entwicklung der Streuobstbestände formuliert. Dabei geht es auch um den EU-Herkunftsschutz für Streuobst sowie die Qualitätsnormen für Obst. Zudem fordern die Naturschützer ein international ausgerichtetes Kompetenzzentrum für Streuobstbau.
Der Bund-Länder-Rat des NABU hat daher eine Resolution verfasst, in der er zehn Forderungen zum Thema Streuobst an EU, Bund und Länder stellt. Im Zentrum der Forderungen stehen Regelungen auf EU-Ebene. Dazu gehört ein Anforderungsprofil an Anträge auf EU-Herkunftsschutz als geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.), geschützte geographische Angabe (g.g.A.) und garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.) und damit für eine weltweite Bewerbung mit den dazugehörigen EU-Herkunftszeichen: "Diese Produkte müssen aus Gründen der Transparenz, des Verbraucherschutzes und der Produktqualität zu hundert Prozent von Hochstämmen auf stark wachsenden Unterlagen erzeugt sein, der Einsatz synthetischer Behandlungsmittel sowie der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen darf nicht zulässig sein", so Rösler.
Der NABU fordert darüber hinaus die Abschaffung der Kriterien "Form", "Farbe" und "Größe" aus den EU-Qualitätsnormen für Obst. "Das sind völlig unsinnige und antiquierte Vorschriften, die zwar für den Handel hilfreich sein mögen, aber keinesfalls den Verbraucher dienen. Zudem sind sie für die Vermarktung beispielsweise großfrüchtiger Obstsorten aus dem Streuobstbau hinderlich. Ein typisches Beispiel von dringend erforderlichem Bürokratieabbau", kommentiert Rösler diese Forderung.
Der NABU setzt sich darüber hinaus für die Förderung des Streuobstbaus im Rahmen der EU-Agrarumweltprogramme mit mindestens 500 Euro je Hektar ein. Hierzu gehöre auch ein finanzieller Rahmen der Länderprogramme, der Neuanträge während der gesamten Vertragslaufzeit ermöglicht. "Was wir stattdessen immer wieder erleben, sind mangelnde Gelder in Süd- und Mitteldeutschland oder gar offene Ablehnung in Schleswig-Holstein oder Hamburg".
Im Hinblick auf die europaweite Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für den Streuobstbau fordert der NABU die Einrichtung eines eigenen internationalen Kompetenzzentrums oder Institutes für Streuobstbau unter Beteiligung der Umwelt- und Landwirtschaftsverbände. Rösler "Ein unglaublicher Charme geht von einer derartigen Idee aus. Geradezu idealdtypisch ließen sich die unterschiedlichsten Diziplinen und Dutzende von Forschungseinrichtungen in ganz Europa verknüpfen. Denn der Streuobstbau mit seinen vielfältigen Facetten für interdisziplinäre Forschungsprojekte und Umsetzungsmaßnahmen eignet sich hierfür ganz besonders:
- Aspekte der Verwertung und Vermarktung, regionaler Wirtschaftskreisläufe und globaler Märkte, der Arbeitsplätze und Unternehmenskooperationen sind genauso zu berücksichtigen wie die herausragende Biologische Vielfalt sowohl von Tier- und Pflanzenarten als auch bei den Obstsorten.
- Obst und Obstsäfte spielen eine große Rolle in der gesunden Ernährung, alte Obstsorten sind essentiell für die Allergikerforschung, beispielhaft lassen sich Verbraucherverhalten und Verbraucherschutz erforschen und umsetzen.
- Für die Naherholung und den Tourismus spielen Streuobstwiesen in manchen Regionen wie dem niederösterreichischen Mostviertel eine zentrale Rolle.
- Und Tausende von Einrichtungen sowohl der öffentlichen Hand als auch in Nichtregierungs- und Bildungseinrichtungen beschäftigen sich zwischen Großbritannien und den Karpaten mit der Umweltbildung in und mit Streuobstwiesen und Obstsorten.
Daher sind wir der festen Überzeugung, dass sich ein derartiges Institut auf der Basis einer staatlichen Grundförderung mit zahlreichen Drittmittelprojekten schnell eine hohe Eigenständigkeit und ein hohes internationales Rénommée erarbeiten könnte."